Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

durch welche Association, an den Kamin in
meinem Kloset gedachte. Hab allerley
Gypswerk darauf gestellt, darunter auch
die Büste der Niobe ist; wenigstens hat der
Hausirer mir den Abguß dafür verkauft.
Dieser Figur glich die Tochter, als hab'
sie ihr Gesichtgen zum Abformen hergelie-
hen. Jch verglich flugs damit die Physio-
gnomie der Mutter auch des Vaters, in so
fern solche aus den übersendeten Zeichnun-
gen mir noch vorschwebte; konnt aber kei-
nes Grundzugs in Lottchens Lärvgen ansich-
tig werden, der sich nach einem Familien-
gepräge geartet hätt, worüber ich allerley
Glossen machte; wähnt', die Weißmäntel
möchten wohl von ie her einen Zutritt im
Hause gehabt haben. Doch fiel mir hinter-
her ein, die Frau wär vielleicht nur Stief-
mutter, welches die moralische Abhandlung
glaublich machte, womit sie das sanfte dul-
dende Mädchen chikanirte. Und in diesem

Punkt'

durch welche Aſſociation, an den Kamin in
meinem Kloſet gedachte. Hab allerley
Gypswerk darauf geſtellt, darunter auch
die Buͤſte der Niobe iſt; wenigſtens hat der
Hauſirer mir den Abguß dafuͤr verkauft.
Dieſer Figur glich die Tochter, als hab’
ſie ihr Geſichtgen zum Abformen hergelie-
hen. Jch verglich flugs damit die Phyſio-
gnomie der Mutter auch des Vaters, in ſo
fern ſolche aus den uͤberſendeten Zeichnun-
gen mir noch vorſchwebte; konnt aber kei-
nes Grundzugs in Lottchens Laͤrvgen anſich-
tig werden, der ſich nach einem Familien-
gepraͤge geartet haͤtt, woruͤber ich allerley
Gloſſen machte; waͤhnt’, die Weißmaͤntel
moͤchten wohl von ie her einen Zutritt im
Hauſe gehabt haben. Doch fiel mir hinter-
her ein, die Frau waͤr vielleicht nur Stief-
mutter, welches die moraliſche Abhandlung
glaublich machte, womit ſie das ſanfte dul-
dende Maͤdchen chikanirte. Und in dieſem

Punkt’
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="158"/>
durch welche A&#x017F;&#x017F;ociation, an den Kamin in<lb/>
meinem Klo&#x017F;et gedachte. Hab allerley<lb/>
Gypswerk darauf ge&#x017F;tellt, darunter auch<lb/>
die Bu&#x0364;&#x017F;te der Niobe i&#x017F;t; wenig&#x017F;tens hat der<lb/>
Hau&#x017F;irer mir den Abguß dafu&#x0364;r verkauft.<lb/>
Die&#x017F;er Figur glich die Tochter, als hab&#x2019;<lb/>
&#x017F;ie ihr Ge&#x017F;ichtgen zum Abformen hergelie-<lb/>
hen. Jch verglich flugs damit die Phy&#x017F;io-<lb/>
gnomie der Mutter auch des Vaters, in &#x017F;o<lb/>
fern &#x017F;olche aus den u&#x0364;ber&#x017F;endeten Zeichnun-<lb/>
gen mir noch vor&#x017F;chwebte; konnt aber kei-<lb/>
nes Grundzugs in Lottchens La&#x0364;rvgen an&#x017F;ich-<lb/>
tig werden, der &#x017F;ich nach einem Familien-<lb/>
gepra&#x0364;ge geartet ha&#x0364;tt, woru&#x0364;ber ich allerley<lb/>
Glo&#x017F;&#x017F;en machte; wa&#x0364;hnt&#x2019;, die Weißma&#x0364;ntel<lb/>
mo&#x0364;chten wohl von ie her einen Zutritt im<lb/>
Hau&#x017F;e gehabt haben. Doch fiel mir hinter-<lb/>
her ein, die Frau wa&#x0364;r vielleicht nur Stief-<lb/>
mutter, welches die morali&#x017F;che Abhandlung<lb/>
glaublich machte, womit &#x017F;ie das &#x017F;anfte dul-<lb/>
dende Ma&#x0364;dchen chikanirte. Und in die&#x017F;em<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Punkt&#x2019;</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0158] durch welche Aſſociation, an den Kamin in meinem Kloſet gedachte. Hab allerley Gypswerk darauf geſtellt, darunter auch die Buͤſte der Niobe iſt; wenigſtens hat der Hauſirer mir den Abguß dafuͤr verkauft. Dieſer Figur glich die Tochter, als hab’ ſie ihr Geſichtgen zum Abformen hergelie- hen. Jch verglich flugs damit die Phyſio- gnomie der Mutter auch des Vaters, in ſo fern ſolche aus den uͤberſendeten Zeichnun- gen mir noch vorſchwebte; konnt aber kei- nes Grundzugs in Lottchens Laͤrvgen anſich- tig werden, der ſich nach einem Familien- gepraͤge geartet haͤtt, woruͤber ich allerley Gloſſen machte; waͤhnt’, die Weißmaͤntel moͤchten wohl von ie her einen Zutritt im Hauſe gehabt haben. Doch fiel mir hinter- her ein, die Frau waͤr vielleicht nur Stief- mutter, welches die moraliſche Abhandlung glaublich machte, womit ſie das ſanfte dul- dende Maͤdchen chikanirte. Und in dieſem Punkt’

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/158
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/158>, abgerufen am 18.05.2024.