der Cousine und der Frau Gertrud. Erstere hatte einen Einfall in mein Kloset gewaget, des bößlichen Vorhabens, die Silhouetten- Tapezerey zu zerstöhren, und allen meinen Büsten die Köpf einzuschlagen; war aber zum Glück durch die Beredsamkeit der Lez- tern, die an Beweglichkeit der Zunge Rem- brands geschwätzige Magd noch übertrift, von ihrem gewaltthätigen Vorsatz abgebracht worden. Die vierte war ein Bericht der Kunstakademie, die Auflösung einer physio- gnomischen Aufgabe betreffend.
Diese Depeschen sezten verschiedene Lei- denschaften bey mir in Bewegung: die erste zernichtete mir das Lieblingspropos der vor- habenden Schweizerreise, welches meinen ganzen Unwillen rege machte. Die zweite betrübte mich über den bevorstehenden Ver- lust eines physiognomischen Freundes. Die dritte demüthigte mich, um eines seltsamen Gedankens willen, der mir dabey aufstieß,
und
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der Couſine und der Frau Gertrud. Erſtere hatte einen Einfall in mein Kloſet gewaget, des boͤßlichen Vorhabens, die Silhouetten- Tapezerey zu zerſtoͤhren, und allen meinen Buͤſten die Koͤpf einzuſchlagen; war aber zum Gluͤck durch die Beredſamkeit der Lez- tern, die an Beweglichkeit der Zunge Rem- brands geſchwaͤtzige Magd noch uͤbertrift, von ihrem gewaltthaͤtigen Vorſatz abgebracht worden. Die vierte war ein Bericht der Kunſtakademie, die Aufloͤſung einer phyſio- gnomiſchen Aufgabe betreffend.
Dieſe Depeſchen ſezten verſchiedene Lei- denſchaften bey mir in Bewegung: die erſte zernichtete mir das Lieblingspropos der vor- habenden Schweizerreiſe, welches meinen ganzen Unwillen rege machte. Die zweite betruͤbte mich uͤber den bevorſtehenden Ver- luſt eines phyſiognomiſchen Freundes. Die dritte demuͤthigte mich, um eines ſeltſamen Gedankens willen, der mir dabey aufſtieß,
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[103/0111]
der Couſine und der Frau Gertrud. Erſtere
hatte einen Einfall in mein Kloſet gewaget,
des boͤßlichen Vorhabens, die Silhouetten-
Tapezerey zu zerſtoͤhren, und allen meinen
Buͤſten die Koͤpf einzuſchlagen; war aber
zum Gluͤck durch die Beredſamkeit der Lez-
tern, die an Beweglichkeit der Zunge Rem-
brands geſchwaͤtzige Magd noch uͤbertrift,
von ihrem gewaltthaͤtigen Vorſatz abgebracht
worden. Die vierte war ein Bericht der
Kunſtakademie, die Aufloͤſung einer phyſio-
gnomiſchen Aufgabe betreffend.
Dieſe Depeſchen ſezten verſchiedene Lei-
denſchaften bey mir in Bewegung: die erſte
zernichtete mir das Lieblingspropos der vor-
habenden Schweizerreiſe, welches meinen
ganzen Unwillen rege machte. Die zweite
betruͤbte mich uͤber den bevorſtehenden Ver-
luſt eines phyſiognomiſchen Freundes. Die
dritte demuͤthigte mich, um eines ſeltſamen
Gedankens willen, der mir dabey aufſtieß,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/111>, abgerufen am 23.05.2024.
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