Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Spörtler faßte mir etwas bewegt die Hand,
ich verstehe Sie, sprach er: Jhrem Scharf-
blick hat sich das geheime Anliegen, das
mich drückt und bangt, nicht verheelen kön-
nen. -- Es sollte mir leid thun, wenns
auf die Gastfreundschaft einen Einfluß ge-
habt hätte. Das nicht, Freund, gegenredet
ich; aber seitdem ich in Jhrem Hause über
iede Stirn Trübsinn herab hangen seh, ist mir
das Herz eingeklemmt, als lägs zwischen
einer Buchbinderpresse. Urtheilen Sie aus
dieser Mitempfindung auf meine Gesinnun-
gen gegen sich, und wenn Sie ihrem ge-
heimen Kummer Luft zu machen gedenken,
so ziehen Sie Jhr Weer nur getrost auf;
ich habe Rezeptivität Jhr Anliegen in mein
Herz aufzunehmen und zu bewahren, es ist
rund um wohl verspündet, und rinnt nicht
aus wie ein durchlöchert Faß. -- Der
Mann erseufzte, das Geheimniß schwebt'
ihm auf den Lippen, und es war nur noch

ein

Spoͤrtler faßte mir etwas bewegt die Hand,
ich verſtehe Sie, ſprach er: Jhrem Scharf-
blick hat ſich das geheime Anliegen, das
mich druͤckt und bangt, nicht verheelen koͤn-
nen. — Es ſollte mir leid thun, wenns
auf die Gaſtfreundſchaft einen Einfluß ge-
habt haͤtte. Das nicht, Freund, gegenredet
ich; aber ſeitdem ich in Jhrem Hauſe uͤber
iede Stirn Truͤbſinn herab hangen ſeh, iſt mir
das Herz eingeklemmt, als laͤgs zwiſchen
einer Buchbinderpreſſe. Urtheilen Sie aus
dieſer Mitempfindung auf meine Geſinnun-
gen gegen ſich, und wenn Sie ihrem ge-
heimen Kummer Luft zu machen gedenken,
ſo ziehen Sie Jhr Weer nur getroſt auf;
ich habe Rezeptivitaͤt Jhr Anliegen in mein
Herz aufzunehmen und zu bewahren, es iſt
rund um wohl verſpuͤndet, und rinnt nicht
aus wie ein durchloͤchert Faß. — Der
Mann erſeufzte, das Geheimniß ſchwebt’
ihm auf den Lippen, und es war nur noch

ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="144"/>
Spo&#x0364;rtler faßte mir etwas bewegt die Hand,<lb/>
ich ver&#x017F;tehe Sie, &#x017F;prach er: Jhrem Scharf-<lb/>
blick hat &#x017F;ich das geheime Anliegen, das<lb/>
mich dru&#x0364;ckt und bangt, nicht verheelen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. &#x2014; Es &#x017F;ollte mir leid thun, wenns<lb/>
auf die Ga&#x017F;tfreund&#x017F;chaft einen Einfluß ge-<lb/>
habt ha&#x0364;tte. Das nicht, Freund, gegenredet<lb/>
ich; aber &#x017F;eitdem ich in Jhrem Hau&#x017F;e u&#x0364;ber<lb/>
iede Stirn Tru&#x0364;b&#x017F;inn herab hangen &#x017F;eh, i&#x017F;t mir<lb/>
das Herz eingeklemmt, als la&#x0364;gs zwi&#x017F;chen<lb/>
einer Buchbinderpre&#x017F;&#x017F;e. Urtheilen Sie aus<lb/>
die&#x017F;er Mitempfindung auf meine Ge&#x017F;innun-<lb/>
gen gegen &#x017F;ich, und wenn Sie ihrem ge-<lb/>
heimen Kummer Luft zu machen gedenken,<lb/>
&#x017F;o ziehen Sie Jhr Weer nur getro&#x017F;t auf;<lb/>
ich habe Rezeptivita&#x0364;t Jhr Anliegen in mein<lb/>
Herz aufzunehmen und zu bewahren, es i&#x017F;t<lb/>
rund um wohl ver&#x017F;pu&#x0364;ndet, und rinnt nicht<lb/>
aus wie ein durchlo&#x0364;chert Faß. &#x2014; Der<lb/>
Mann er&#x017F;eufzte, das Geheimniß &#x017F;chwebt&#x2019;<lb/>
ihm auf den Lippen, und es war nur noch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0152] Spoͤrtler faßte mir etwas bewegt die Hand, ich verſtehe Sie, ſprach er: Jhrem Scharf- blick hat ſich das geheime Anliegen, das mich druͤckt und bangt, nicht verheelen koͤn- nen. — Es ſollte mir leid thun, wenns auf die Gaſtfreundſchaft einen Einfluß ge- habt haͤtte. Das nicht, Freund, gegenredet ich; aber ſeitdem ich in Jhrem Hauſe uͤber iede Stirn Truͤbſinn herab hangen ſeh, iſt mir das Herz eingeklemmt, als laͤgs zwiſchen einer Buchbinderpreſſe. Urtheilen Sie aus dieſer Mitempfindung auf meine Geſinnun- gen gegen ſich, und wenn Sie ihrem ge- heimen Kummer Luft zu machen gedenken, ſo ziehen Sie Jhr Weer nur getroſt auf; ich habe Rezeptivitaͤt Jhr Anliegen in mein Herz aufzunehmen und zu bewahren, es iſt rund um wohl verſpuͤndet, und rinnt nicht aus wie ein durchloͤchert Faß. — Der Mann erſeufzte, das Geheimniß ſchwebt’ ihm auf den Lippen, und es war nur noch ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/152
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/152>, abgerufen am 22.12.2024.