züchtigen Gebehrden vor mir vorüber, war Vorhabens die Bahn der Tugend zu wan- deln. Jch beobachtete jeden ihrer Schritte, das harte Steinpflaster brannte bald an die zarten Füßgen, sie suchte sich einen beque- mern Weg, ruhete in der Herberge des Vergnügens, lustwandelte auf der Prome- nade der Eitelkeit, schiffte in dem Nachen des Leichtsinns, landete am Gestade der Koketterie, und blieb endlich mit ihrem hochhackigem Schuh im Moorgefilde der Buhlerey bestecken, wie die unglückliche Sophie und die Frau Sempronia. Hatten beyde nichts weiter verschuldet, als daß sie sich auf ihrem Wege zu weit linker Hand gehalten. Darum will Noth thun, daß ieder Wanderer, wes Standes, Geschlechts und Würden er sey, auf der Bahn des Le- bens sich nach dem hölzernen Wegweiser guter Lehr und Vermahnung zuweilen um- schaue; oder sich von dem kundigen Gefehr-
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zuͤchtigen Gebehrden vor mir voruͤber, war Vorhabens die Bahn der Tugend zu wan- deln. Jch beobachtete jeden ihrer Schritte, das harte Steinpflaſter brannte bald an die zarten Fuͤßgen, ſie ſuchte ſich einen beque- mern Weg, ruhete in der Herberge des Vergnuͤgens, luſtwandelte auf der Prome- nade der Eitelkeit, ſchiffte in dem Nachen des Leichtſinns, landete am Geſtade der Koketterie, und blieb endlich mit ihrem hochhackigem Schuh im Moorgefilde der Buhlerey beſtecken, wie die ungluͤckliche Sophie und die Frau Sempronia. Hatten beyde nichts weiter verſchuldet, als daß ſie ſich auf ihrem Wege zu weit linker Hand gehalten. Darum will Noth thun, daß ieder Wanderer, wes Standes, Geſchlechts und Wuͤrden er ſey, auf der Bahn des Le- bens ſich nach dem hoͤlzernen Wegweiſer guter Lehr und Vermahnung zuweilen um- ſchaue; oder ſich von dem kundigen Gefehr-
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zuͤchtigen Gebehrden vor mir voruͤber, war
Vorhabens die Bahn der Tugend zu wan-
deln. Jch beobachtete jeden ihrer Schritte,
das harte Steinpflaſter brannte bald an die
zarten Fuͤßgen, ſie ſuchte ſich einen beque-
mern Weg, ruhete in der Herberge des
Vergnuͤgens, luſtwandelte auf der Prome-
nade der Eitelkeit, ſchiffte in dem Nachen
des Leichtſinns, landete am Geſtade der
Koketterie, und blieb endlich mit ihrem
hochhackigem Schuh im Moorgefilde der
Buhlerey beſtecken, wie die ungluͤckliche
Sophie und die Frau Sempronia. Hatten
beyde nichts weiter verſchuldet, als daß ſie
ſich auf ihrem Wege zu weit linker Hand
gehalten. Darum will Noth thun, daß
ieder Wanderer, wes Standes, Geſchlechts
und Wuͤrden er ſey, auf der Bahn des Le-
bens ſich nach dem hoͤlzernen Wegweiſer
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/265>, abgerufen am 22.12.2024.
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