ster in Dierdorf, hab um des Evangelli- ums willen Haus und Hof verlassen, und treibe mich nun als ein armer Emigrant in der Fremde um. Sie werden wohl wis- sen, was für Spatzen in meiner Heimath unters Dach genistet haben, da half ich das Nest mit ausstöhren, das gerieth so übel, daß ich darüber landflüchtig werden mußte. Hier treib ich meine Profeßion, die mich küm- merlich nährt. Jn diese kleine Hütte nahm uns eine arme Wittib bey unsrer Ankunft auf, sie ist gestorben, und die Erben las- sen uns das ledige Haus unentgeltlich be- wohnen. Bey der Wiege wurds uns frei- lich nicht gesungen, daß wir dermaleins in solche Noth und Dürftigkeit gerathen wür- den; aber wir trösten uns damit, daß wir nicht als Verbrecher leiden, sondern als Märtyrer, für die Ehre Gottes.
Die Märtyrer für die Ehre Gottes kan ich eigentlich nicht recht geniessen: denn von ie-
her
ſter in Dierdorf, hab um des Evangelli- ums willen Haus und Hof verlaſſen, und treibe mich nun als ein armer Emigrant in der Fremde um. Sie werden wohl wiſ- ſen, was fuͤr Spatzen in meiner Heimath unters Dach geniſtet haben, da half ich das Neſt mit ausſtoͤhren, das gerieth ſo uͤbel, daß ich daruͤber landfluͤchtig werden mußte. Hier treib ich meine Profeßion, die mich kuͤm- merlich naͤhrt. Jn dieſe kleine Huͤtte nahm uns eine arme Wittib bey unſrer Ankunft auf, ſie iſt geſtorben, und die Erben laſ- ſen uns das ledige Haus unentgeltlich be- wohnen. Bey der Wiege wurds uns frei- lich nicht geſungen, daß wir dermaleins in ſolche Noth und Duͤrftigkeit gerathen wuͤr- den; aber wir troͤſten uns damit, daß wir nicht als Verbrecher leiden, ſondern als Maͤrtyrer, fuͤr die Ehre Gottes.
Die Maͤrtyrer fuͤr die Ehre Gottes kan ich eigentlich nicht recht genieſſen: denn von ie-
her
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0286"n="278"/>ſter in Dierdorf, hab um des Evangelli-<lb/>
ums willen Haus und Hof verlaſſen, und<lb/>
treibe mich nun als ein armer Emigrant<lb/>
in der Fremde um. Sie werden wohl wiſ-<lb/>ſen, was fuͤr Spatzen in meiner Heimath<lb/>
unters Dach geniſtet haben, da half ich das<lb/>
Neſt mit ausſtoͤhren, das gerieth ſo uͤbel,<lb/>
daß ich daruͤber landfluͤchtig werden mußte.<lb/><hirendition="#fr">Hier treib ich meine Profeßion, die mich</hi> kuͤm-<lb/>
merlich naͤhrt. Jn dieſe kleine Huͤtte nahm<lb/>
uns eine arme Wittib bey unſrer Ankunft<lb/>
auf, ſie iſt geſtorben, und die Erben laſ-<lb/>ſen uns das ledige Haus unentgeltlich be-<lb/>
wohnen. Bey der Wiege wurds uns frei-<lb/>
lich nicht geſungen, daß wir dermaleins in<lb/>ſolche Noth und Duͤrftigkeit gerathen wuͤr-<lb/>
den; aber wir troͤſten uns damit, daß<lb/>
wir nicht als Verbrecher leiden, ſondern<lb/>
als Maͤrtyrer, fuͤr die Ehre Gottes.</p><lb/><p>Die Maͤrtyrer fuͤr die Ehre Gottes kan ich<lb/>
eigentlich nicht recht genieſſen: denn von ie-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">her</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[278/0286]
ſter in Dierdorf, hab um des Evangelli-
ums willen Haus und Hof verlaſſen, und
treibe mich nun als ein armer Emigrant
in der Fremde um. Sie werden wohl wiſ-
ſen, was fuͤr Spatzen in meiner Heimath
unters Dach geniſtet haben, da half ich das
Neſt mit ausſtoͤhren, das gerieth ſo uͤbel,
daß ich daruͤber landfluͤchtig werden mußte.
Hier treib ich meine Profeßion, die mich kuͤm-
merlich naͤhrt. Jn dieſe kleine Huͤtte nahm
uns eine arme Wittib bey unſrer Ankunft
auf, ſie iſt geſtorben, und die Erben laſ-
ſen uns das ledige Haus unentgeltlich be-
wohnen. Bey der Wiege wurds uns frei-
lich nicht geſungen, daß wir dermaleins in
ſolche Noth und Duͤrftigkeit gerathen wuͤr-
den; aber wir troͤſten uns damit, daß
wir nicht als Verbrecher leiden, ſondern
als Maͤrtyrer, fuͤr die Ehre Gottes.
Die Maͤrtyrer fuͤr die Ehre Gottes kan ich
eigentlich nicht recht genieſſen: denn von ie-
her
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/286>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.