Also nahm er seinen Andreas Zaupser zur Hand, nachdem er vorher seine gewesenen Lehrer, die Regierungsräthe von Sonnen- fels und Banniza fleißig konsultiret, und hielt unter Beystand dieses antikriminalisti- schen Triumvirats den beyden Kriminalty- rannen, solche polemische Vorlesungen, daß sie auf ihrem lezten Bollwerk, des Kaiser Carls peinlichen Halsgerichtsordnung Cha- made schlagen und sich dem Ueberwinder auf Distretion ergeben mußten. Und weils dem iungen Menschenfreund minder um Ehr und Sieg, als überhaupt um mildere Ge- sinnungen zu thun war, sprach er dabey mit so vieler Wärme, daß die dichte Eißrinde ihrer gefrornen Herzen nach und nach auf- thauete, und der Saame menschlichen Ge- fühls, den er reichlich auszustreuen nicht unterließ, darinn wieder anfing zu vegetiren.
Wie wird aber, frug der Beamte, in Kriminalfällen, ohne Folter die Wahrheit
an
B 3
Alſo nahm er ſeinen Andreas Zaupſer zur Hand, nachdem er vorher ſeine geweſenen Lehrer, die Regierungsraͤthe von Sonnen- fels und Banniza fleißig konſultiret, und hielt unter Beyſtand dieſes antikriminaliſti- ſchen Triumvirats den beyden Kriminalty- rannen, ſolche polemiſche Vorleſungen, daß ſie auf ihrem lezten Bollwerk, des Kaiſer Carls peinlichen Halsgerichtsordnung Cha- made ſchlagen und ſich dem Ueberwinder auf Diſtretion ergeben mußten. Und weils dem iungen Menſchenfreund minder um Ehr und Sieg, als uͤberhaupt um mildere Ge- ſinnungen zu thun war, ſprach er dabey mit ſo vieler Waͤrme, daß die dichte Eißrinde ihrer gefrornen Herzen nach und nach auf- thauete, und der Saame menſchlichen Ge- fuͤhls, den er reichlich auszuſtreuen nicht unterließ, darinn wieder anfing zu vegetiren.
Wie wird aber, frug der Beamte, in Kriminalfaͤllen, ohne Folter die Wahrheit
an
B 3
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0029"n="21"/><p>Alſo nahm er ſeinen Andreas Zaupſer zur<lb/>
Hand, nachdem er vorher ſeine geweſenen<lb/>
Lehrer, die Regierungsraͤthe von Sonnen-<lb/>
fels und Banniza fleißig konſultiret, und<lb/>
hielt unter Beyſtand dieſes antikriminaliſti-<lb/>ſchen Triumvirats den beyden Kriminalty-<lb/>
rannen, ſolche polemiſche Vorleſungen, daß<lb/>ſie auf ihrem lezten Bollwerk, des Kaiſer<lb/>
Carls peinlichen Halsgerichtsordnung Cha-<lb/>
made ſchlagen und ſich dem Ueberwinder<lb/>
auf Diſtretion ergeben mußten. Und weils<lb/>
dem iungen Menſchenfreund minder um Ehr<lb/>
und Sieg, als uͤberhaupt um mildere Ge-<lb/>ſinnungen zu thun war, ſprach er dabey mit<lb/>ſo vieler Waͤrme, daß die dichte Eißrinde<lb/>
ihrer gefrornen Herzen nach und nach auf-<lb/>
thauete, und der Saame menſchlichen Ge-<lb/>
fuͤhls, den er reichlich auszuſtreuen nicht<lb/>
unterließ, darinn wieder anfing zu vegetiren.</p><lb/><p>Wie wird aber, frug der Beamte, in<lb/>
Kriminalfaͤllen, ohne Folter die Wahrheit<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">an</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[21/0029]
Alſo nahm er ſeinen Andreas Zaupſer zur
Hand, nachdem er vorher ſeine geweſenen
Lehrer, die Regierungsraͤthe von Sonnen-
fels und Banniza fleißig konſultiret, und
hielt unter Beyſtand dieſes antikriminaliſti-
ſchen Triumvirats den beyden Kriminalty-
rannen, ſolche polemiſche Vorleſungen, daß
ſie auf ihrem lezten Bollwerk, des Kaiſer
Carls peinlichen Halsgerichtsordnung Cha-
made ſchlagen und ſich dem Ueberwinder
auf Diſtretion ergeben mußten. Und weils
dem iungen Menſchenfreund minder um Ehr
und Sieg, als uͤberhaupt um mildere Ge-
ſinnungen zu thun war, ſprach er dabey mit
ſo vieler Waͤrme, daß die dichte Eißrinde
ihrer gefrornen Herzen nach und nach auf-
thauete, und der Saame menſchlichen Ge-
fuͤhls, den er reichlich auszuſtreuen nicht
unterließ, darinn wieder anfing zu vegetiren.
Wie wird aber, frug der Beamte, in
Kriminalfaͤllen, ohne Folter die Wahrheit
an
B 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/29>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.