Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Kunstmaler leistete dem Gerichtshof
während dem Verhör dadurch einen sehr
reellen Dienst, daß er das physiognomische
Protokoll führte, und mit großer Behendig-
keit die Grundzüge der sämtlichen Malefi-
kanten mittelst seiner Bleyfeder sehr getreu
aufs Papier warf, welches den Präses be-
wog, diese Zeichnungen mit ad acta zu neh-
men, weil sie die Rationes dubitandi et
decidendi
der gefälleten physiognomischen
Sentenzen in sich schlossen. Nachdem von
demselben und den sämtlichen Gerichtsbey-
sitzern alle Gesichtszüge der hochnothpein-
lichen Delinquentenschaar in reife Betrach-
tung waren gezogen worden, mußten die
Gefangenen abtreten und es kam zum voti-
ren. Da man sich aber nicht darüber ver-
glichen hatte, ob das von oben herein, oder
von unten hinauf geschehen sollte, wurde
der Beamte Spörtler ersucht, vorerst seine
Meynung zu sagen, der sich denn hier als

physio-
C

Der Kunſtmaler leiſtete dem Gerichtshof
waͤhrend dem Verhoͤr dadurch einen ſehr
reellen Dienſt, daß er das phyſiognomiſche
Protokoll fuͤhrte, und mit großer Behendig-
keit die Grundzuͤge der ſaͤmtlichen Malefi-
kanten mittelſt ſeiner Bleyfeder ſehr getreu
aufs Papier warf, welches den Praͤſes be-
wog, dieſe Zeichnungen mit ad acta zu neh-
men, weil ſie die Rationes dubitandi et
decidendi
der gefaͤlleten phyſiognomiſchen
Sentenzen in ſich ſchloſſen. Nachdem von
demſelben und den ſaͤmtlichen Gerichtsbey-
ſitzern alle Geſichtszuͤge der hochnothpein-
lichen Delinquentenſchaar in reife Betrach-
tung waren gezogen worden, mußten die
Gefangenen abtreten und es kam zum voti-
ren. Da man ſich aber nicht daruͤber ver-
glichen hatte, ob das von oben herein, oder
von unten hinauf geſchehen ſollte, wurde
der Beamte Spoͤrtler erſucht, vorerſt ſeine
Meynung zu ſagen, der ſich denn hier als

phyſio-
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0041" n="33"/>
        <p>Der Kun&#x017F;tmaler lei&#x017F;tete dem Gerichtshof<lb/>
wa&#x0364;hrend dem Verho&#x0364;r dadurch einen &#x017F;ehr<lb/>
reellen Dien&#x017F;t, daß er das phy&#x017F;iognomi&#x017F;che<lb/>
Protokoll fu&#x0364;hrte, und mit großer Behendig-<lb/>
keit die Grundzu&#x0364;ge der &#x017F;a&#x0364;mtlichen Malefi-<lb/>
kanten mittel&#x017F;t &#x017F;einer Bleyfeder &#x017F;ehr getreu<lb/>
aufs Papier warf, welches den Pra&#x0364;&#x017F;es be-<lb/>
wog, die&#x017F;e Zeichnungen mit <hi rendition="#aq">ad acta</hi> zu neh-<lb/>
men, weil &#x017F;ie die <hi rendition="#aq">Rationes dubitandi et<lb/>
decidendi</hi> der gefa&#x0364;lleten phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen<lb/>
Sentenzen in &#x017F;ich &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Nachdem von<lb/>
dem&#x017F;elben und den &#x017F;a&#x0364;mtlichen Gerichtsbey-<lb/>
&#x017F;itzern alle Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;ge der hochnothpein-<lb/>
lichen Delinquenten&#x017F;chaar in reife Betrach-<lb/>
tung waren gezogen worden, mußten die<lb/>
Gefangenen abtreten und es kam zum voti-<lb/>
ren. Da man &#x017F;ich aber nicht daru&#x0364;ber ver-<lb/>
glichen hatte, ob das von oben herein, oder<lb/>
von unten hinauf ge&#x017F;chehen &#x017F;ollte, wurde<lb/>
der Beamte Spo&#x0364;rtler er&#x017F;ucht, vorer&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Meynung zu &#x017F;agen, der &#x017F;ich denn hier als<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">phy&#x017F;io-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0041] Der Kunſtmaler leiſtete dem Gerichtshof waͤhrend dem Verhoͤr dadurch einen ſehr reellen Dienſt, daß er das phyſiognomiſche Protokoll fuͤhrte, und mit großer Behendig- keit die Grundzuͤge der ſaͤmtlichen Malefi- kanten mittelſt ſeiner Bleyfeder ſehr getreu aufs Papier warf, welches den Praͤſes be- wog, dieſe Zeichnungen mit ad acta zu neh- men, weil ſie die Rationes dubitandi et decidendi der gefaͤlleten phyſiognomiſchen Sentenzen in ſich ſchloſſen. Nachdem von demſelben und den ſaͤmtlichen Gerichtsbey- ſitzern alle Geſichtszuͤge der hochnothpein- lichen Delinquentenſchaar in reife Betrach- tung waren gezogen worden, mußten die Gefangenen abtreten und es kam zum voti- ren. Da man ſich aber nicht daruͤber ver- glichen hatte, ob das von oben herein, oder von unten hinauf geſchehen ſollte, wurde der Beamte Spoͤrtler erſucht, vorerſt ſeine Meynung zu ſagen, der ſich denn hier als phyſio- C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/41
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/41>, abgerufen am 22.12.2024.