Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

nebst ein paar dutzend Zuchthieben sich
irgend einer gnädigen Landesverweisung ver-
sah, urplötzlich einer Frevelthat schuldig er-
kannt wurde, die ihm, unter den Auspizien
Jhrer Criminaleloquenz, all die Martern
des heiligen Laurenzius verhieß: so war
ihm das ausserm Spaß, und kein Wunder
wenn er sich ängstlich gebehrdete, seltsame
Gesichter schnitt, und Judasschweiß schwizte.
Wer kann auch unter solchen Umständen
Contenanz halten? Daraus ergiebt sich
so viel,, daß bey Jhrer pathognomischen
Komputation, ein error calculi gar wohl
möglich ist. Und wenn wir nun, das Rech-
nungsmanual zu machen, Kapitalkraft und
Zinsen auf einen Augenblick beyseit setzen:
so sagen Sie mir einen vernünftigen Ver-
muthungsgrund, daraus sich begreifen lasse,
warum der Zürcher Weinvergifter eben
ein Glockenläuter seyn müsse? Welche
Absicht, oder welcher scheinbare Vortheil

könnt'
E 5

nebſt ein paar dutzend Zuchthieben ſich
irgend einer gnaͤdigen Landesverweiſung ver-
ſah, urploͤtzlich einer Frevelthat ſchuldig er-
kannt wurde, die ihm, unter den Auſpizien
Jhrer Criminaleloquenz, all die Martern
des heiligen Laurenzius verhieß: ſo war
ihm das auſſerm Spaß, und kein Wunder
wenn er ſich aͤngſtlich gebehrdete, ſeltſame
Geſichter ſchnitt, und Judasſchweiß ſchwizte.
Wer kann auch unter ſolchen Umſtaͤnden
Contenanz halten? Daraus ergiebt ſich
ſo viel,, daß bey Jhrer pathognomiſchen
Komputation, ein error calculi gar wohl
moͤglich iſt. Und wenn wir nun, das Rech-
nungsmanual zu machen, Kapitalkraft und
Zinſen auf einen Augenblick beyſeit ſetzen:
ſo ſagen Sie mir einen vernuͤnftigen Ver-
muthungsgrund, daraus ſich begreifen laſſe,
warum der Zuͤrcher Weinvergifter eben
ein Glockenlaͤuter ſeyn muͤſſe? Welche
Abſicht, oder welcher ſcheinbare Vortheil

koͤnnt’
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="73"/>
neb&#x017F;t ein paar dutzend Zuchthieben &#x017F;ich<lb/>
irgend einer gna&#x0364;digen Landesverwei&#x017F;ung ver-<lb/>
&#x017F;ah, urplo&#x0364;tzlich einer Frevelthat &#x017F;chuldig er-<lb/>
kannt wurde, die ihm, unter den Au&#x017F;pizien<lb/>
Jhrer Criminaleloquenz, all die Martern<lb/>
des heiligen Laurenzius verhieß: &#x017F;o war<lb/>
ihm das au&#x017F;&#x017F;erm Spaß, und kein Wunder<lb/>
wenn er &#x017F;ich a&#x0364;ng&#x017F;tlich gebehrdete, &#x017F;elt&#x017F;ame<lb/>
Ge&#x017F;ichter &#x017F;chnitt, und Judas&#x017F;chweiß &#x017F;chwizte.<lb/>
Wer kann auch unter &#x017F;olchen Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
Contenanz halten? Daraus ergiebt &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o viel,, daß bey Jhrer pathognomi&#x017F;chen<lb/>
Komputation, ein <hi rendition="#aq">error calculi</hi> gar wohl<lb/>
mo&#x0364;glich i&#x017F;t. Und wenn wir nun, das Rech-<lb/>
nungsmanual zu machen, Kapitalkraft und<lb/>
Zin&#x017F;en auf einen Augenblick bey&#x017F;eit &#x017F;etzen:<lb/>
&#x017F;o &#x017F;agen Sie mir einen vernu&#x0364;nftigen Ver-<lb/>
muthungsgrund, daraus &#x017F;ich begreifen la&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
warum der Zu&#x0364;rcher Weinvergifter eben<lb/>
ein Glockenla&#x0364;uter &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e? Welche<lb/>
Ab&#x017F;icht, oder welcher &#x017F;cheinbare Vortheil<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;nnt&#x2019;</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0081] nebſt ein paar dutzend Zuchthieben ſich irgend einer gnaͤdigen Landesverweiſung ver- ſah, urploͤtzlich einer Frevelthat ſchuldig er- kannt wurde, die ihm, unter den Auſpizien Jhrer Criminaleloquenz, all die Martern des heiligen Laurenzius verhieß: ſo war ihm das auſſerm Spaß, und kein Wunder wenn er ſich aͤngſtlich gebehrdete, ſeltſame Geſichter ſchnitt, und Judasſchweiß ſchwizte. Wer kann auch unter ſolchen Umſtaͤnden Contenanz halten? Daraus ergiebt ſich ſo viel,, daß bey Jhrer pathognomiſchen Komputation, ein error calculi gar wohl moͤglich iſt. Und wenn wir nun, das Rech- nungsmanual zu machen, Kapitalkraft und Zinſen auf einen Augenblick beyſeit ſetzen: ſo ſagen Sie mir einen vernuͤnftigen Ver- muthungsgrund, daraus ſich begreifen laſſe, warum der Zuͤrcher Weinvergifter eben ein Glockenlaͤuter ſeyn muͤſſe? Welche Abſicht, oder welcher ſcheinbare Vortheil koͤnnt’ E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/81
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/81>, abgerufen am 22.12.2024.