Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.Aber nicht den Weg, den ich gekommen bin, Fritz hatte gar nicht daran gedacht; denn wenn Aber nicht den Weg, den ich gekommen bin, Fritz hatte gar nicht daran gedacht; denn wenn <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0034" n="28"/> <p>Aber nicht den Weg, den ich gekommen bin,<lb/> ſcherzte Benjamin; jungen Burſchen muß man ſolche<lb/> Schliche nicht zeigen. Du gehſt in die Hausthür,<lb/> wie es ſich gehört.</p><lb/> <p>Fritz hatte gar nicht daran gedacht; denn wenn<lb/> er auch ganz ſtattlich in der ſchwarzſeidenen Weſte, dem<lb/> ſeidenen Halstuch und dem Sonntagsrock ausſah, ſo<lb/> hatte er doch die Mütze und die Handſchuh im Hauſe<lb/> liegen, und überhaupt mußte der erſte Beſuch etwas<lb/> feierlich gemacht werden. Er kam aber nicht ſo bald<lb/> als Gretchen gehofft hatte; ſie hatte ſchon einen gro¬<lb/> ßen Theil der Bilderbibel mit Benjamin durchgeſehen,<lb/> als es an der Hausthür klopfte. Sie ging zu öffnen<lb/> und fand außer Fritz auch noch die Mutter vor der<lb/> Thür. Dieſe war beiden jungen Leuten ſehr erwünſcht.<lb/> Gretchen hätte gar nicht gewußt wie ſie als Wirthin<lb/> thun ſollte, und Fritz mochte mit ſeinem ſchweren Her¬<lb/> zen dem Gretchen am wenigſten allein gegenüber ſein.<lb/> Frau Bendler übernahm nun das Sprecheramt, aber<lb/> auch das Frageamt, und Fritz mußte wohl oder übel<lb/> geſprächig werden. Daß es ihm ſchwer ward, merkte<lb/> Frau Bendler nicht, wohl aber Gretchen. Der tiefe<lb/> Ausdruck der Trauer, der ihm zuweilen unbewußt über<lb/> die Züge glitt, ging ihr wie ein Schwert durch das<lb/> Herz. Was mag er nur haben? iſt er traurig, wie¬<lb/> der daheim zu ſein? zieht es ihn zurück in die Ferne?<lb/> Wenn er nur nicht unglücklich iſt! dachte ſie bange, und<lb/> wie mag es zugehen, da doch ſein letzter Brief ſo fröhlich<lb/> war? Als ſie ſpät am Abend allein in ihrem Käm¬<lb/> merlein war, ſchaute ſie hinauf zu den Sternen mit<lb/> gefalteten Händen; hinein in ihr Abendgebet miſchte<lb/></p> </body> </text> </TEI> [28/0034]
Aber nicht den Weg, den ich gekommen bin,
ſcherzte Benjamin; jungen Burſchen muß man ſolche
Schliche nicht zeigen. Du gehſt in die Hausthür,
wie es ſich gehört.
Fritz hatte gar nicht daran gedacht; denn wenn
er auch ganz ſtattlich in der ſchwarzſeidenen Weſte, dem
ſeidenen Halstuch und dem Sonntagsrock ausſah, ſo
hatte er doch die Mütze und die Handſchuh im Hauſe
liegen, und überhaupt mußte der erſte Beſuch etwas
feierlich gemacht werden. Er kam aber nicht ſo bald
als Gretchen gehofft hatte; ſie hatte ſchon einen gro¬
ßen Theil der Bilderbibel mit Benjamin durchgeſehen,
als es an der Hausthür klopfte. Sie ging zu öffnen
und fand außer Fritz auch noch die Mutter vor der
Thür. Dieſe war beiden jungen Leuten ſehr erwünſcht.
Gretchen hätte gar nicht gewußt wie ſie als Wirthin
thun ſollte, und Fritz mochte mit ſeinem ſchweren Her¬
zen dem Gretchen am wenigſten allein gegenüber ſein.
Frau Bendler übernahm nun das Sprecheramt, aber
auch das Frageamt, und Fritz mußte wohl oder übel
geſprächig werden. Daß es ihm ſchwer ward, merkte
Frau Bendler nicht, wohl aber Gretchen. Der tiefe
Ausdruck der Trauer, der ihm zuweilen unbewußt über
die Züge glitt, ging ihr wie ein Schwert durch das
Herz. Was mag er nur haben? iſt er traurig, wie¬
der daheim zu ſein? zieht es ihn zurück in die Ferne?
Wenn er nur nicht unglücklich iſt! dachte ſie bange, und
wie mag es zugehen, da doch ſein letzter Brief ſo fröhlich
war? Als ſie ſpät am Abend allein in ihrem Käm¬
merlein war, ſchaute ſie hinauf zu den Sternen mit
gefalteten Händen; hinein in ihr Abendgebet miſchte
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