Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

beruhigen, versprach mit der Tochter zu reden, und
entließ ihn so nicht ganz ohne Hoffnung. Klärchen
aber that stolz wie eine Königin. Siehst Du, sagte
sie zu ihrer Mutter, so muß man es machen, spaßen
lasse ich nicht mit mir! Und weil sie doch im Inne¬
ren eine große Demüthigung fühlte, daß ihr der Me¬
diziner entschlüpfte, wie der Mutter Rechtsgelehrter,
so that sie mit Worten besonders groß, ließ ihr Glück
bei den adeligen Herren ahnen, und um die Mutter
vollständig mit dem ersten Abenteuer auszusöhnen, dul¬
dete sie es, daß diese die volle Geldbörse des Medi¬
ziners in Verwahrung nahm.

Auf ihrem Stübchen aber brach sie in Thränen
aus, nicht Thränen der Reue über ihren Leichtsinn,
nein, sie weinte über ihre Dummheit, sich mit diesem
rohen Menschen so weit eingelassen zu haben. Wenn
es die Generalin, wenn es der Lieutenant wüßte!
Aber sie wissen es nicht und werden es nie erfahren,
war ihr Trost; du willst vorsichtiger sein, dich nie
mit so rohen Menschen einlassen. Um sich vollstän¬
dig zu trösten, wiederholte sie sich die Unterredung der
Generalin mit ihrem Sohne. Es konnte ihr nicht
fehlen, -- sie taumelte sich in einen neuen Himmel
der Zukunft und schlief beruhigt ein.

Ihr Rouleau kam nun den ganzen Tag nicht
mehr in die Höhe, und die Köchin, die schon ange¬
fangen, aufmerksame Augen auf sie und den Medizi¬
ner zu werfen, ward wieder ganz ruhig.

Die Generalin aber war nicht ruhig, sie sah die
Augen ihres Sohnes fortwährend auf Klärchen ge¬
richtet, und diese war ganz besonders sanft und hold¬

beruhigen, verſprach mit der Tochter zu reden, und
entließ ihn ſo nicht ganz ohne Hoffnung. Klärchen
aber that ſtolz wie eine Königin. Siehſt Du, ſagte
ſie zu ihrer Mutter, ſo muß man es machen, ſpaßen
laſſe ich nicht mit mir! Und weil ſie doch im Inne¬
ren eine große Demüthigung fühlte, daß ihr der Me¬
diziner entſchlüpfte, wie der Mutter Rechtsgelehrter,
ſo that ſie mit Worten beſonders groß, ließ ihr Glück
bei den adeligen Herren ahnen, und um die Mutter
vollſtändig mit dem erſten Abenteuer auszuſöhnen, dul¬
dete ſie es, daß dieſe die volle Geldbörſe des Medi¬
ziners in Verwahrung nahm.

Auf ihrem Stübchen aber brach ſie in Thränen
aus, nicht Thränen der Reue über ihren Leichtſinn,
nein, ſie weinte über ihre Dummheit, ſich mit dieſem
rohen Menſchen ſo weit eingelaſſen zu haben. Wenn
es die Generalin, wenn es der Lieutenant wüßte!
Aber ſie wiſſen es nicht und werden es nie erfahren,
war ihr Troſt; du willſt vorſichtiger ſein, dich nie
mit ſo rohen Menſchen einlaſſen. Um ſich vollſtän¬
dig zu tröſten, wiederholte ſie ſich die Unterredung der
Generalin mit ihrem Sohne. Es konnte ihr nicht
fehlen, — ſie taumelte ſich in einen neuen Himmel
der Zukunft und ſchlief beruhigt ein.

Ihr Rouleau kam nun den ganzen Tag nicht
mehr in die Höhe, und die Köchin, die ſchon ange¬
fangen, aufmerkſame Augen auf ſie und den Medizi¬
ner zu werfen, ward wieder ganz ruhig.

Die Generalin aber war nicht ruhig, ſie ſah die
Augen ihres Sohnes fortwährend auf Klärchen ge¬
richtet, und dieſe war ganz beſonders ſanft und hold¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0058" n="52"/>
beruhigen, ver&#x017F;prach mit der Tochter zu reden, und<lb/>
entließ ihn &#x017F;o nicht ganz ohne Hoffnung. Klärchen<lb/>
aber that &#x017F;tolz wie eine Königin. Sieh&#x017F;t Du, &#x017F;agte<lb/>
&#x017F;ie zu ihrer Mutter, &#x017F;o muß man es machen, &#x017F;paßen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e ich nicht mit mir! Und weil &#x017F;ie doch im Inne¬<lb/>
ren eine große Demüthigung fühlte, daß ihr der Me¬<lb/>
diziner ent&#x017F;chlüpfte, wie der Mutter Rechtsgelehrter,<lb/>
&#x017F;o that &#x017F;ie mit Worten be&#x017F;onders groß, ließ ihr Glück<lb/>
bei den adeligen Herren ahnen, und um die Mutter<lb/>
voll&#x017F;tändig mit dem er&#x017F;ten Abenteuer auszu&#x017F;öhnen, dul¬<lb/>
dete &#x017F;ie es, daß die&#x017F;e die volle Geldbör&#x017F;e des Medi¬<lb/>
ziners in Verwahrung nahm.</p><lb/>
      <p>Auf ihrem Stübchen aber brach &#x017F;ie in Thränen<lb/>
aus, nicht Thränen der Reue über ihren Leicht&#x017F;inn,<lb/>
nein, &#x017F;ie weinte über ihre Dummheit, &#x017F;ich mit die&#x017F;em<lb/>
rohen Men&#x017F;chen &#x017F;o weit eingela&#x017F;&#x017F;en zu haben. Wenn<lb/>
es die Generalin, wenn es der Lieutenant wüßte!<lb/>
Aber &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en es nicht und werden es nie erfahren,<lb/>
war ihr Tro&#x017F;t; du will&#x017F;t vor&#x017F;ichtiger &#x017F;ein, dich nie<lb/>
mit &#x017F;o rohen Men&#x017F;chen einla&#x017F;&#x017F;en. Um &#x017F;ich voll&#x017F;tän¬<lb/>
dig zu trö&#x017F;ten, wiederholte &#x017F;ie &#x017F;ich die Unterredung der<lb/>
Generalin mit ihrem Sohne. Es konnte ihr nicht<lb/>
fehlen, &#x2014; &#x017F;ie taumelte &#x017F;ich in einen neuen Himmel<lb/>
der Zukunft und &#x017F;chlief beruhigt ein.</p><lb/>
      <p>Ihr Rouleau kam nun den ganzen Tag nicht<lb/>
mehr in die Höhe, und die Köchin, die &#x017F;chon ange¬<lb/>
fangen, aufmerk&#x017F;ame Augen auf &#x017F;ie und den Medizi¬<lb/>
ner zu werfen, ward wieder ganz ruhig.</p><lb/>
      <p>Die Generalin aber war nicht ruhig, &#x017F;ie &#x017F;ah die<lb/>
Augen ihres Sohnes fortwährend auf Klärchen ge¬<lb/>
richtet, und die&#x017F;e war ganz be&#x017F;onders &#x017F;anft und hold¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0058] beruhigen, verſprach mit der Tochter zu reden, und entließ ihn ſo nicht ganz ohne Hoffnung. Klärchen aber that ſtolz wie eine Königin. Siehſt Du, ſagte ſie zu ihrer Mutter, ſo muß man es machen, ſpaßen laſſe ich nicht mit mir! Und weil ſie doch im Inne¬ ren eine große Demüthigung fühlte, daß ihr der Me¬ diziner entſchlüpfte, wie der Mutter Rechtsgelehrter, ſo that ſie mit Worten beſonders groß, ließ ihr Glück bei den adeligen Herren ahnen, und um die Mutter vollſtändig mit dem erſten Abenteuer auszuſöhnen, dul¬ dete ſie es, daß dieſe die volle Geldbörſe des Medi¬ ziners in Verwahrung nahm. Auf ihrem Stübchen aber brach ſie in Thränen aus, nicht Thränen der Reue über ihren Leichtſinn, nein, ſie weinte über ihre Dummheit, ſich mit dieſem rohen Menſchen ſo weit eingelaſſen zu haben. Wenn es die Generalin, wenn es der Lieutenant wüßte! Aber ſie wiſſen es nicht und werden es nie erfahren, war ihr Troſt; du willſt vorſichtiger ſein, dich nie mit ſo rohen Menſchen einlaſſen. Um ſich vollſtän¬ dig zu tröſten, wiederholte ſie ſich die Unterredung der Generalin mit ihrem Sohne. Es konnte ihr nicht fehlen, — ſie taumelte ſich in einen neuen Himmel der Zukunft und ſchlief beruhigt ein. Ihr Rouleau kam nun den ganzen Tag nicht mehr in die Höhe, und die Köchin, die ſchon ange¬ fangen, aufmerkſame Augen auf ſie und den Medizi¬ ner zu werfen, ward wieder ganz ruhig. Die Generalin aber war nicht ruhig, ſie ſah die Augen ihres Sohnes fortwährend auf Klärchen ge¬ richtet, und dieſe war ganz beſonders ſanft und hold¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/58
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/58>, abgerufen am 21.11.2024.