Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.ihnen den gottlosen Mund stopfen, es sei Neid, und Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke. Aber sie irrte sich. Tante Rieke war allerdings ihnen den gottloſen Mund ſtopfen, es ſei Neid, und Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke. Aber ſie irrte ſich. Tante Rieke war allerdings <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0088" n="82"/> ihnen den gottloſen Mund ſtopfen, es ſei Neid, und<lb/> ſo weiter. Im Grunde aber war er recht froh, daß<lb/> ihm Klärchen die Perſonen nicht nennen konnte. Eine<lb/> genaue Unterſuchung wäre ihm doch nicht gelegen ge¬<lb/> weſen. Die Anſchuldigung des Betrinkens erklärte er<lb/> damit, daß er geſtern Wein abgezogen habe, und daß<lb/> die kalte Kellerluft, nach der Schwüle oben im Haus,<lb/> ihm nicht wohl gethan, ſodaß er ſchwindlich und ohn¬<lb/> mächtig geworden. O, er that ſo erzürnt und erboßt,<lb/> daß ihm Klärchen die ſchönſten Worte geben mußte,<lb/> um ihn wieder zu beruhigen. Er ließ ſich auch beru¬<lb/> higen, und Beide unterdrückten durch ſüße Worte ihre<lb/> gegenſeitigen beängſtigenden Gefühle.</p><lb/> <p>Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke.<lb/> Klärchen hatte die Freude, daß man ihnen überall<lb/> nachſah, — wirklich ein ſchönes Paar! Er ſah wenig¬<lb/> ſtens aus wie ein Baron, und ſie nicht minder vor¬<lb/> nehm. Was wird die hausbackene Grete, was Fritz<lb/> Buchſtein ſagen? Grete wird gewiß verlegen dem vor¬<lb/> nehmen Manne gegenüber, und Tante Rieke macht<lb/> einen etwas tieferen Knix.</p><lb/> <p>Aber ſie irrte ſich. Tante Rieke war allerdings<lb/> verwundert, Klärchen am Arme eines fremden Mannes<lb/> zu ſehen; und als dieſe den Namen nannte und ihn<lb/> als ihren Bräutigam vorſtellte, machte ſie ein ſehr<lb/> ernſthaftes Geſicht. Gretchen aber ſah dem Bräutigam<lb/> erſt forſchend und dann ganz erzürnt in die Augen.<lb/> Dieſer ward ſichtlich verlegen dadurch und wandte ſich<lb/> ab. Klärchen bemerkte das und wußte gar nicht,<lb/> woran ſie war. Die Tante unterbrach zuerſt die pein¬<lb/> liche Pauſe.<lb/></p> </body> </text> </TEI> [82/0088]
ihnen den gottloſen Mund ſtopfen, es ſei Neid, und
ſo weiter. Im Grunde aber war er recht froh, daß
ihm Klärchen die Perſonen nicht nennen konnte. Eine
genaue Unterſuchung wäre ihm doch nicht gelegen ge¬
weſen. Die Anſchuldigung des Betrinkens erklärte er
damit, daß er geſtern Wein abgezogen habe, und daß
die kalte Kellerluft, nach der Schwüle oben im Haus,
ihm nicht wohl gethan, ſodaß er ſchwindlich und ohn¬
mächtig geworden. O, er that ſo erzürnt und erboßt,
daß ihm Klärchen die ſchönſten Worte geben mußte,
um ihn wieder zu beruhigen. Er ließ ſich auch beru¬
higen, und Beide unterdrückten durch ſüße Worte ihre
gegenſeitigen beängſtigenden Gefühle.
Gegen Mittag wanderten Beide zu Tante Rieke.
Klärchen hatte die Freude, daß man ihnen überall
nachſah, — wirklich ein ſchönes Paar! Er ſah wenig¬
ſtens aus wie ein Baron, und ſie nicht minder vor¬
nehm. Was wird die hausbackene Grete, was Fritz
Buchſtein ſagen? Grete wird gewiß verlegen dem vor¬
nehmen Manne gegenüber, und Tante Rieke macht
einen etwas tieferen Knix.
Aber ſie irrte ſich. Tante Rieke war allerdings
verwundert, Klärchen am Arme eines fremden Mannes
zu ſehen; und als dieſe den Namen nannte und ihn
als ihren Bräutigam vorſtellte, machte ſie ein ſehr
ernſthaftes Geſicht. Gretchen aber ſah dem Bräutigam
erſt forſchend und dann ganz erzürnt in die Augen.
Dieſer ward ſichtlich verlegen dadurch und wandte ſich
ab. Klärchen bemerkte das und wußte gar nicht,
woran ſie war. Die Tante unterbrach zuerſt die pein¬
liche Pauſe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |