Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.verschloß sich dann in ihrem Zimmer. Hier brach sie verſchloß ſich dann in ihrem Zimmer. Hier brach ſie <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0094" n="88"/> verſchloß ſich dann in ihrem Zimmer. Hier brach ſie<lb/> in Thränen aus. Ein abſcheulicher Menſch! ſolch ein<lb/> Verhältniß vorher zu haben! Sie wollte augenblicklich<lb/> mit ihm brechen, ſie wollte einen Mann haben, der<lb/> geachtet und geehrt ward von der ganzen Welt und<lb/> der beſonders weit über Tante Rieke und über Greten<lb/> ſtand. — So gingen ihre Gedanken anfänglich durch<lb/> einander. — Als ſie aber eine halbe Stunde geweint,<lb/> und ihre Thränen verſiegten, ward ſie ruhiger. Und<lb/> wenn die ganze Geſchichte wahr wäre, dachte ſie, was<lb/> hat er eigentlich verbrochen? Daß ich ſeine erſte Liebe<lb/> nicht bin, konnt' ich mir vorher denken. Er iſt ja<lb/> auch deine erſte Liebe nicht, entgegnete ihr Gewiſſen,<lb/> und du haſt ihm auch von allen Abenteuern nichts<lb/> geſagt. Das iſt eben der Fluch der Sünde: um die<lb/> eigene zu beſchönigen, mußte ſie auch die des Andern<lb/> entſchuldigen und ſo die Laſt beider tragen. Daß das<lb/> Mädchen ſo dumm war, ſich verführen zu laſſen, fuhr<lb/> ſie fort, iſt traurig, und es iſt ſchändlich von ihm,<lb/> die Arme ſo im Stich zu laſſen; aber gewiß war ſie<lb/> ein ganz unbedeutendes Weſen, die ihn nicht feſſeln<lb/> konnte, dir hätte ſo etwas nie paſſiren können. Das<lb/> einzige Unglück dabei iſt nur, daß es nicht verborgen<lb/> blieb, und daß gerade ihre Verwandten ſo tief hinein<lb/> blicken mußten. Ihrem Glücke konnte die Sache nicht<lb/> mehr hinderlich ſein, Mutter und Kind ſind todt.<lb/> Wenn ſie einſt Herrin eines großen Hotels iſt, es<lb/> bequem wie eine Prinzeſſin hat, dazu von dem Manne<lb/> geliebt und angebetet wird, was ſie Alles nicht be¬<lb/> zweifelte, ſo fehlte ihrem Glücke nichts. Die Sache<lb/> mit dem Aufgeben mußte doch überlegt werden, und<lb/></p> </body> </text> </TEI> [88/0094]
verſchloß ſich dann in ihrem Zimmer. Hier brach ſie
in Thränen aus. Ein abſcheulicher Menſch! ſolch ein
Verhältniß vorher zu haben! Sie wollte augenblicklich
mit ihm brechen, ſie wollte einen Mann haben, der
geachtet und geehrt ward von der ganzen Welt und
der beſonders weit über Tante Rieke und über Greten
ſtand. — So gingen ihre Gedanken anfänglich durch
einander. — Als ſie aber eine halbe Stunde geweint,
und ihre Thränen verſiegten, ward ſie ruhiger. Und
wenn die ganze Geſchichte wahr wäre, dachte ſie, was
hat er eigentlich verbrochen? Daß ich ſeine erſte Liebe
nicht bin, konnt' ich mir vorher denken. Er iſt ja
auch deine erſte Liebe nicht, entgegnete ihr Gewiſſen,
und du haſt ihm auch von allen Abenteuern nichts
geſagt. Das iſt eben der Fluch der Sünde: um die
eigene zu beſchönigen, mußte ſie auch die des Andern
entſchuldigen und ſo die Laſt beider tragen. Daß das
Mädchen ſo dumm war, ſich verführen zu laſſen, fuhr
ſie fort, iſt traurig, und es iſt ſchändlich von ihm,
die Arme ſo im Stich zu laſſen; aber gewiß war ſie
ein ganz unbedeutendes Weſen, die ihn nicht feſſeln
konnte, dir hätte ſo etwas nie paſſiren können. Das
einzige Unglück dabei iſt nur, daß es nicht verborgen
blieb, und daß gerade ihre Verwandten ſo tief hinein
blicken mußten. Ihrem Glücke konnte die Sache nicht
mehr hinderlich ſein, Mutter und Kind ſind todt.
Wenn ſie einſt Herrin eines großen Hotels iſt, es
bequem wie eine Prinzeſſin hat, dazu von dem Manne
geliebt und angebetet wird, was ſie Alles nicht be¬
zweifelte, ſo fehlte ihrem Glücke nichts. Die Sache
mit dem Aufgeben mußte doch überlegt werden, und
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