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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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Freundes Blasius weiss ich zunächst, dass in Bezug auf das Kaninchen
nur das wilde, nicht das zahme berücksichtigt ist; die verschiedenen
Rassen desselben waren uns damals unbekannt, d. h. nicht genauer
beobachtet. Blasius spricht nur vom wilden Kaninchen. Ferner waren
damals die verschiedenen Hasen wenig bekannt; die gründliche, vortreff-
liche Arbeit des Hrn. v. Middendorf über die als Bastarde angesprochnen
Mittelformen (l. c. p. 209) forderte zur eingehenden Untersuchung des
Gebisses auf, und es handelte sich wesentlich darum, Unterschiede zwischen
dem Hasen (L. timidus) und dem Schneehasen (L. variabilis) aufzu-
finden. Darauf bezieht sich, dass in der Diagnose (Blasius l. c. p. 411)
ein Unterschied im Gebiss des Hasen und des Kaninchens nicht auf-
genommen ist.

Aber, abgesehen davon, das Material, welches damals in Bezug auf
Kaninchen vorlag, und welches mir noch jetzt grösstentheils vorliegt,
war nach heutigen Anforderungen nicht ausreichend; das mir jetzt vor-
liegende ist seitdem um das vielfache erweitert.

Die nachfolgende Revision der Angaben von Blasius sind also zu-
nächst eine Kritik dieser und in gewissem Sinne meiner selbst. Hr.
Zürn hat die jetzt veralteten Angaben ohne Kritik angenommen und
die Revision um so mehr nöthig gemacht, als er daraus Schlüsse zieht
in Bezug auf die sogenannten Leporiden.

Ich folge den Angaben Hrn. Zürn's in Bezug auf das Gebiss nach
der von ihm beliebten Ordnung:

1) Die kleineren hinteren Schneidezähne sollen sich beim Hasen
einander nähern, so dass sie mit den Spitzen in Berührung kommen, --
beim Kaninchen "laufen sie durchaus parallel". -- Diese Angabe ist
Blasius (Fauna 412 u. 426) entnommen, ist aber nicht von ihm in
die Diagnose der Arten (411) aufgenommen. Der Ausspruch kann nur
auf Zufälligkeit bei den wenigen zur Beobachtung gestellten Objekten
beruhen. Es ist im Gegensatz dieser Angaben beim Vergleich mehrerer
Gebisse durchaus kein Unterschied vorhanden, welcher einigermassen
konstant erscheint und eine solche Diagnose rechtfertigt. Die nahezu
parallele Richtung dieser Zähne ist die am häufigsten vorkommende bei
Hasen, sowohl den verschiedenen europäischen Arten, auch dem Schnee-
hasen, als auch bei amerikanischen Formen. Unter 45 Hasenschädeln,
welche mir im Augenblick vorliegen, finde ich nur einen Hasen aus Hol-
stein, bei welchem sich die kleinen Schneidezähne mit den Spitzen be-
rühren. Bei der bekannten, nicht selten vorkommenden Monstrosität,
wo die Schneidezähne in Folge nicht erfolgter Abnutzung über das ge-
wöhnliche Mass hinauswachsen, divergiren die kleinen hintern Schneide-
zähne in den meisten von mir beobachteten Fällen so, dass sich die

Nach Hr. Hensel's Vorgang zähle ich die prm. von hinten nach vorn, die mol.
von vorn nach hinten. So sind die Zähne hier stets bezeichnet.

Freundes Blasius weiss ich zunächst, dass in Bezug auf das Kaninchen
nur das wilde, nicht das zahme berücksichtigt ist; die verschiedenen
Rassen desselben waren uns damals unbekannt, d. h. nicht genauer
beobachtet. Blasius spricht nur vom wilden Kaninchen. Ferner waren
damals die verschiedenen Hasen wenig bekannt; die gründliche, vortreff-
liche Arbeit des Hrn. v. Middendorf über die als Bastarde angesprochnen
Mittelformen (l. c. p. 209) forderte zur eingehenden Untersuchung des
Gebisses auf, und es handelte sich wesentlich darum, Unterschiede zwischen
dem Hasen (L. timidus) und dem Schneehasen (L. variabilis) aufzu-
finden. Darauf bezieht sich, dass in der Diagnose (Blasius l. c. p. 411)
ein Unterschied im Gebiss des Hasen und des Kaninchens nicht auf-
genommen ist.

Aber, abgesehen davon, das Material, welches damals in Bezug auf
Kaninchen vorlag, und welches mir noch jetzt grösstentheils vorliegt,
war nach heutigen Anforderungen nicht ausreichend; das mir jetzt vor-
liegende ist seitdem um das vielfache erweitert.

Die nachfolgende Revision der Angaben von Blasius sind also zu-
nächst eine Kritik dieser und in gewissem Sinne meiner selbst. Hr.
Zürn hat die jetzt veralteten Angaben ohne Kritik angenommen und
die Revision um so mehr nöthig gemacht, als er daraus Schlüsse zieht
in Bezug auf die sogenannten Leporiden.

Ich folge den Angaben Hrn. Zürn’s in Bezug auf das Gebiss nach
der von ihm beliebten Ordnung:

1) Die kleineren hinteren Schneidezähne sollen sich beim Hasen
einander nähern, so dass sie mit den Spitzen in Berührung kommen, —
beim Kaninchen „laufen sie durchaus parallel“. — Diese Angabe ist
Blasius (Fauna 412 u. 426) entnommen, ist aber nicht von ihm in
die Diagnose der Arten (411) aufgenommen. Der Ausspruch kann nur
auf Zufälligkeit bei den wenigen zur Beobachtung gestellten Objekten
beruhen. Es ist im Gegensatz dieser Angaben beim Vergleich mehrerer
Gebisse durchaus kein Unterschied vorhanden, welcher einigermassen
konstant erscheint und eine solche Diagnose rechtfertigt. Die nahezu
parallele Richtung dieser Zähne ist die am häufigsten vorkommende bei
Hasen, sowohl den verschiedenen europäischen Arten, auch dem Schnee-
hasen, als auch bei amerikanischen Formen. Unter 45 Hasenschädeln,
welche mir im Augenblick vorliegen, finde ich nur einen Hasen aus Hol-
stein, bei welchem sich die kleinen Schneidezähne mit den Spitzen be-
rühren. Bei der bekannten, nicht selten vorkommenden Monstrosität,
wo die Schneidezähne in Folge nicht erfolgter Abnutzung über das ge-
wöhnliche Mass hinauswachsen, divergiren die kleinen hintern Schneide-
zähne in den meisten von mir beobachteten Fällen so, dass sich die

Nach Hr. Hensel’s Vorgang zähle ich die prm. von hinten nach vorn, die mol.
von vorn nach hinten. So sind die Zähne hier stets bezeichnet.
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[21/0029] Freundes Blasius weiss ich zunächst, dass in Bezug auf das Kaninchen nur das wilde, nicht das zahme berücksichtigt ist; die verschiedenen Rassen desselben waren uns damals unbekannt, d. h. nicht genauer beobachtet. Blasius spricht nur vom wilden Kaninchen. Ferner waren damals die verschiedenen Hasen wenig bekannt; die gründliche, vortreff- liche Arbeit des Hrn. v. Middendorf über die als Bastarde angesprochnen Mittelformen (l. c. p. 209) forderte zur eingehenden Untersuchung des Gebisses auf, und es handelte sich wesentlich darum, Unterschiede zwischen dem Hasen (L. timidus) und dem Schneehasen (L. variabilis) aufzu- finden. Darauf bezieht sich, dass in der Diagnose (Blasius l. c. p. 411) ein Unterschied im Gebiss des Hasen und des Kaninchens nicht auf- genommen ist. Aber, abgesehen davon, das Material, welches damals in Bezug auf Kaninchen vorlag, und welches mir noch jetzt grösstentheils vorliegt, war nach heutigen Anforderungen nicht ausreichend; das mir jetzt vor- liegende ist seitdem um das vielfache erweitert. Die nachfolgende Revision der Angaben von Blasius sind also zu- nächst eine Kritik dieser und in gewissem Sinne meiner selbst. Hr. Zürn hat die jetzt veralteten Angaben ohne Kritik angenommen und die Revision um so mehr nöthig gemacht, als er daraus Schlüsse zieht in Bezug auf die sogenannten Leporiden. Ich folge den Angaben Hrn. Zürn’s in Bezug auf das Gebiss nach der von ihm beliebten Ordnung: 1) Die kleineren hinteren Schneidezähne sollen sich beim Hasen einander nähern, so dass sie mit den Spitzen in Berührung kommen, — beim Kaninchen „laufen sie durchaus parallel“. — Diese Angabe ist Blasius (Fauna 412 u. 426) entnommen, ist aber nicht von ihm in die Diagnose der Arten (411) aufgenommen. Der Ausspruch kann nur auf Zufälligkeit bei den wenigen zur Beobachtung gestellten Objekten beruhen. Es ist im Gegensatz dieser Angaben beim Vergleich mehrerer Gebisse durchaus kein Unterschied vorhanden, welcher einigermassen konstant erscheint und eine solche Diagnose rechtfertigt. Die nahezu parallele Richtung dieser Zähne ist die am häufigsten vorkommende bei Hasen, sowohl den verschiedenen europäischen Arten, auch dem Schnee- hasen, als auch bei amerikanischen Formen. Unter 45 Hasenschädeln, welche mir im Augenblick vorliegen, finde ich nur einen Hasen aus Hol- stein, bei welchem sich die kleinen Schneidezähne mit den Spitzen be- rühren. Bei der bekannten, nicht selten vorkommenden Monstrosität, wo die Schneidezähne in Folge nicht erfolgter Abnutzung über das ge- wöhnliche Mass hinauswachsen, divergiren die kleinen hintern Schneide- zähne in den meisten von mir beobachteten Fällen so, dass sich die *) *) Nach Hr. Hensel’s Vorgang zähle ich die prm. von hinten nach vorn, die mol. von vorn nach hinten. So sind die Zähne hier stets bezeichnet.

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/29>, abgerufen am 23.11.2024.