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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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chenknochen; nur nach längerer Mazeration erscheinen beide gleich.
Frisch, ohne Mazeration, präparirte Schädel behalten Monate lang etwas
von dem eigenthümlichen Hasengeruch, welcher bei Kaninchen nicht
bemerkbar.

Verschieden scheint auch die Stimme beider Thiere.

Ueber die Farben der Beharung habe ich vorläufig nichts gesagt,
deren grosse Verschiedenheit, besonders bei den Kaninchen, ist bekannt.
Allein der Umstand, dass weisses Har bei allen in Betracht gezogenen
Kaninchenrassen vorkommt, dass über Entstehung und Vererbung dieser
Eigenschaft Gewisses noch nicht bekannt ist, dass die weisse Farbe
unter nicht genau ermittelten Umständen auftritt und Rückschläge
häufig eintreten, war für mich bestimmend, bei meinen Untersuchungen
vorläufig die Färbung nur nebenbei in Betracht zu ziehen.

Die Hare beider Arten sind noch auf spezifische Differenzen zu
untersuchen, das Wenige was darüber bis jetzt bekannt ist, genügt zur
Verwerthung für die vorliegende Frage nicht. --

Nach ziemlich übereinstimmenden Angaben soll die Trächtigkeit bei
Hasen und bei Kaninchen gleichmässig 30 bis 31 Tage dauern. In Be-
zug auf das Kaninchen ist dies durch genaue Beobachtnngen bestätigt,
in Bezug auf den Hasen sind mir solche nicht bekannt.

Hr. Gayot berichtet dagegen aus seiner Hasenzucht (Journ. d'agric.
prat. 1870/71, II, p. 583), die Dauer der Trächtigkeit bei den Hasen
sei "bien decidement" 40 Tage; aber die Geburten erfolgten in Zwischen-
räumen von je 20 Tagen, die Mutter werde also befruchtet, während sie
tragend sei, die Befruchtung betreffe aber nur den einen Uterustheil,
beide Hörner des Uterus würden nicht gleichzeitig, sondern alternativ,
befruchtet.

In wie weit dies exakte Beobachtung ist, geht aus der Mittheilung
nicht hervor.

Wäre die Trächtigkeitsdauer bei Hasen und Kaninchen wirklich
gleich, dann würde diese Gleichheit eine bedeutende physiologische Dif-
ferenz zwischen beiden Arten einschliessen. Es ist nämlich allgemein
bekannt, dass die Jungen beider Arten in verschiedener Reife geboren
werden. Der Hase beschliesst das Leben im Mutterleibe in einem Zu-
stand, der ihn in geringerem Grade unabhängig von der Mutter macht, er
hat offne Augen und Ohren, ist behart und sehr bald zur selbststän-
digen Ortsveränderung fähig; das Kaninchen wird unreif geboren, mit
geschlossenen Augen und Ohren, fast ganz kahl und ohne Fähigkeit der
Ortsveränderung. Ein Zeitraum von ungefähr dem vierten Theil des
Fötallebens ist erforderlich, das junge Kaninchen zu derjenigen Reife
gelangen zu lassen, mit welcher der Hase in die Welt eintritt.

Es ist ein Beweis dafür, dass die Leporidenfrage bis jetzt unge-
nügend behandelt wurde: über diese Differenz ist nichts festgestellt in
Bezug auf die Bastarde und deren Nachkommen.

H. v. Nathusius, Leporiden. 5

chenknochen; nur nach längerer Mazeration erscheinen beide gleich.
Frisch, ohne Mazeration, präparirte Schädel behalten Monate lang etwas
von dem eigenthümlichen Hasengeruch, welcher bei Kaninchen nicht
bemerkbar.

Verschieden scheint auch die Stimme beider Thiere.

Ueber die Farben der Beharung habe ich vorläufig nichts gesagt,
deren grosse Verschiedenheit, besonders bei den Kaninchen, ist bekannt.
Allein der Umstand, dass weisses Har bei allen in Betracht gezogenen
Kaninchenrassen vorkommt, dass über Entstehung und Vererbung dieser
Eigenschaft Gewisses noch nicht bekannt ist, dass die weisse Farbe
unter nicht genau ermittelten Umständen auftritt und Rückschläge
häufig eintreten, war für mich bestimmend, bei meinen Untersuchungen
vorläufig die Färbung nur nebenbei in Betracht zu ziehen.

Die Hare beider Arten sind noch auf spezifische Differenzen zu
untersuchen, das Wenige was darüber bis jetzt bekannt ist, genügt zur
Verwerthung für die vorliegende Frage nicht. —

Nach ziemlich übereinstimmenden Angaben soll die Trächtigkeit bei
Hasen und bei Kaninchen gleichmässig 30 bis 31 Tage dauern. In Be-
zug auf das Kaninchen ist dies durch genaue Beobachtnngen bestätigt,
in Bezug auf den Hasen sind mir solche nicht bekannt.

Hr. Gayot berichtet dagegen aus seiner Hasenzucht (Journ. d’agric.
prat. 1870/71, II, p. 583), die Dauer der Trächtigkeit bei den Hasen
sei „bien décidément“ 40 Tage; aber die Geburten erfolgten in Zwischen-
räumen von je 20 Tagen, die Mutter werde also befruchtet, während sie
tragend sei, die Befruchtung betreffe aber nur den einen Uterustheil,
beide Hörner des Uterus würden nicht gleichzeitig, sondern alternativ,
befruchtet.

In wie weit dies exakte Beobachtung ist, geht aus der Mittheilung
nicht hervor.

Wäre die Trächtigkeitsdauer bei Hasen und Kaninchen wirklich
gleich, dann würde diese Gleichheit eine bedeutende physiologische Dif-
ferenz zwischen beiden Arten einschliessen. Es ist nämlich allgemein
bekannt, dass die Jungen beider Arten in verschiedener Reife geboren
werden. Der Hase beschliesst das Leben im Mutterleibe in einem Zu-
stand, der ihn in geringerem Grade unabhängig von der Mutter macht, er
hat offne Augen und Ohren, ist behart und sehr bald zur selbststän-
digen Ortsveränderung fähig; das Kaninchen wird unreif geboren, mit
geschlossenen Augen und Ohren, fast ganz kahl und ohne Fähigkeit der
Ortsveränderung. Ein Zeitraum von ungefähr dem vierten Theil des
Fötallebens ist erforderlich, das junge Kaninchen zu derjenigen Reife
gelangen zu lassen, mit welcher der Hase in die Welt eintritt.

Es ist ein Beweis dafür, dass die Leporidenfrage bis jetzt unge-
nügend behandelt wurde: über diese Differenz ist nichts festgestellt in
Bezug auf die Bastarde und deren Nachkommen.

H. v. Nathusius, Leporiden. 5
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[65/0073] chenknochen; nur nach längerer Mazeration erscheinen beide gleich. Frisch, ohne Mazeration, präparirte Schädel behalten Monate lang etwas von dem eigenthümlichen Hasengeruch, welcher bei Kaninchen nicht bemerkbar. Verschieden scheint auch die Stimme beider Thiere. Ueber die Farben der Beharung habe ich vorläufig nichts gesagt, deren grosse Verschiedenheit, besonders bei den Kaninchen, ist bekannt. Allein der Umstand, dass weisses Har bei allen in Betracht gezogenen Kaninchenrassen vorkommt, dass über Entstehung und Vererbung dieser Eigenschaft Gewisses noch nicht bekannt ist, dass die weisse Farbe unter nicht genau ermittelten Umständen auftritt und Rückschläge häufig eintreten, war für mich bestimmend, bei meinen Untersuchungen vorläufig die Färbung nur nebenbei in Betracht zu ziehen. Die Hare beider Arten sind noch auf spezifische Differenzen zu untersuchen, das Wenige was darüber bis jetzt bekannt ist, genügt zur Verwerthung für die vorliegende Frage nicht. — Nach ziemlich übereinstimmenden Angaben soll die Trächtigkeit bei Hasen und bei Kaninchen gleichmässig 30 bis 31 Tage dauern. In Be- zug auf das Kaninchen ist dies durch genaue Beobachtnngen bestätigt, in Bezug auf den Hasen sind mir solche nicht bekannt. Hr. Gayot berichtet dagegen aus seiner Hasenzucht (Journ. d’agric. prat. 1870/71, II, p. 583), die Dauer der Trächtigkeit bei den Hasen sei „bien décidément“ 40 Tage; aber die Geburten erfolgten in Zwischen- räumen von je 20 Tagen, die Mutter werde also befruchtet, während sie tragend sei, die Befruchtung betreffe aber nur den einen Uterustheil, beide Hörner des Uterus würden nicht gleichzeitig, sondern alternativ, befruchtet. In wie weit dies exakte Beobachtung ist, geht aus der Mittheilung nicht hervor. Wäre die Trächtigkeitsdauer bei Hasen und Kaninchen wirklich gleich, dann würde diese Gleichheit eine bedeutende physiologische Dif- ferenz zwischen beiden Arten einschliessen. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass die Jungen beider Arten in verschiedener Reife geboren werden. Der Hase beschliesst das Leben im Mutterleibe in einem Zu- stand, der ihn in geringerem Grade unabhängig von der Mutter macht, er hat offne Augen und Ohren, ist behart und sehr bald zur selbststän- digen Ortsveränderung fähig; das Kaninchen wird unreif geboren, mit geschlossenen Augen und Ohren, fast ganz kahl und ohne Fähigkeit der Ortsveränderung. Ein Zeitraum von ungefähr dem vierten Theil des Fötallebens ist erforderlich, das junge Kaninchen zu derjenigen Reife gelangen zu lassen, mit welcher der Hase in die Welt eintritt. Es ist ein Beweis dafür, dass die Leporidenfrage bis jetzt unge- nügend behandelt wurde: über diese Differenz ist nichts festgestellt in Bezug auf die Bastarde und deren Nachkommen. H. v. Nathusius, Leporiden. 5

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/73>, abgerufen am 23.11.2024.