muss, also nicht in der engeren Naturwissenschaft allein, son- dern in aller theoretischen Wissenschaft, folglich auch in aller Technik, Naturtechnik wie sozialer Technik, und so endlich im Gebiet der konkreten, individualen wie sozialen Sittlichkeit, mithin in der Entwicklung des Menschen- tums überhaupt. Dies soll nun, und sei es in noch so flüch- tigem Umriss, für die hier in Betracht kommenden Haupt- gebiete näher durchgeführt werden.
In engster Verbindung mit der Entwicklung der Natur- forschung steht die Entwicklung der Technik, zunächst im engern Sinne der Naturtechnik. Man kann nicht verwundert sein hier dieselben Grundzüge der Entwicklung wiederzufinden. Worin bestehen die grossen, die umwälzenden Fortschritte der Technik? Erstlich darin, dass eine Fülle technischer Auf- gaben, die vordem einzeln bearbeitet wurden, eine einheitliche, generelle Lösung finden. In primitiven Stadien der Technik wird an tausend Stellen je auf besondere Art, weil unter be- sonderen Schwierigkeiten oder begünstigenden Umständen, die Lösung derselben technischen Aufgabe in Angriff genommen, vielleicht in irgend welchem Grade auch erreicht; wogegen auf entwickelterer Stufe an einer einzigen Stelle das Problem zugleich für alle gelöst, und das Prinzip seiner Lösung alsbald auf eine Menge gleichartiger Probleme ausgedehnt wird. Die konkreten Beispiele liegen nicht fern. Man denke an das Verhältnis der Maschine zur Handarbeit. Was tausend Hände, jede von der andern individuell verschieden, unter tausendfach verschiedenen Bedingungen mühsam und ungleich vollbrachten, leistet eine einzige Maschine, und bald tausend gleiche, und tausende ähnlicher Aufgaben vereinfachen sich auf dieselbe Weise, durch Anwendung wesentlich desselben technischen Vorteils, dessen Bedeutung sich an einem einzelnen Punkte einmal herausgestellt hat. Von der maschinellen Technik vor- zugsweise bedingt ist ihre natürliche Ergänzung, der Fernver- kehr, dessen im erklärten Sinne generalisierende Rolle sofort auffällt. Er bringt technische Errungenschaften fernster Zonen in rascheste Verbindung und führt sie, der Entfernung trotzend, wie auf einem Platz zusammen, statt dass sie sich sonst an
muss, also nicht in der engeren Naturwissenschaft allein, son- dern in aller theoretischen Wissenschaft, folglich auch in aller Technik, Naturtechnik wie sozialer Technik, und so endlich im Gebiet der konkreten, individualen wie sozialen Sittlichkeit, mithin in der Entwicklung des Menschen- tums überhaupt. Dies soll nun, und sei es in noch so flüch- tigem Umriss, für die hier in Betracht kommenden Haupt- gebiete näher durchgeführt werden.
In engster Verbindung mit der Entwicklung der Natur- forschung steht die Entwicklung der Technik, zunächst im engern Sinne der Naturtechnik. Man kann nicht verwundert sein hier dieselben Grundzüge der Entwicklung wiederzufinden. Worin bestehen die grossen, die umwälzenden Fortschritte der Technik? Erstlich darin, dass eine Fülle technischer Auf- gaben, die vordem einzeln bearbeitet wurden, eine einheitliche, generelle Lösung finden. In primitiven Stadien der Technik wird an tausend Stellen je auf besondere Art, weil unter be- sonderen Schwierigkeiten oder begünstigenden Umständen, die Lösung derselben technischen Aufgabe in Angriff genommen, vielleicht in irgend welchem Grade auch erreicht; wogegen auf entwickelterer Stufe an einer einzigen Stelle das Problem zugleich für alle gelöst, und das Prinzip seiner Lösung alsbald auf eine Menge gleichartiger Probleme ausgedehnt wird. Die konkreten Beispiele liegen nicht fern. Man denke an das Verhältnis der Maschine zur Handarbeit. Was tausend Hände, jede von der andern individuell verschieden, unter tausendfach verschiedenen Bedingungen mühsam und ungleich vollbrachten, leistet eine einzige Maschine, und bald tausend gleiche, und tausende ähnlicher Aufgaben vereinfachen sich auf dieselbe Weise, durch Anwendung wesentlich desselben technischen Vorteils, dessen Bedeutung sich an einem einzelnen Punkte einmal herausgestellt hat. Von der maschinellen Technik vor- zugsweise bedingt ist ihre natürliche Ergänzung, der Fernver- kehr, dessen im erklärten Sinne generalisierende Rolle sofort auffällt. Er bringt technische Errungenschaften fernster Zonen in rascheste Verbindung und führt sie, der Entfernung trotzend, wie auf einem Platz zusammen, statt dass sie sich sonst an
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muss, also nicht in der engeren Naturwissenschaft allein, son-
dern in aller theoretischen Wissenschaft, folglich
auch in aller Technik, Naturtechnik wie sozialer Technik,
und so endlich im Gebiet der konkreten, individualen wie
sozialen Sittlichkeit, mithin in der Entwicklung des Menschen-
tums überhaupt. Dies soll nun, und sei es in noch so flüch-
tigem Umriss, für die hier in Betracht kommenden Haupt-
gebiete näher durchgeführt werden.
In engster Verbindung mit der Entwicklung der Natur-
forschung steht die Entwicklung der Technik, zunächst im
engern Sinne der Naturtechnik. Man kann nicht verwundert
sein hier dieselben Grundzüge der Entwicklung wiederzufinden.
Worin bestehen die grossen, die umwälzenden Fortschritte der
Technik? Erstlich darin, dass eine Fülle technischer Auf-
gaben, die vordem einzeln bearbeitet wurden, eine einheitliche,
generelle Lösung finden. In primitiven Stadien der Technik
wird an tausend Stellen je auf besondere Art, weil unter be-
sonderen Schwierigkeiten oder begünstigenden Umständen, die
Lösung derselben technischen Aufgabe in Angriff genommen,
vielleicht in irgend welchem Grade auch erreicht; wogegen
auf entwickelterer Stufe an einer einzigen Stelle das Problem
zugleich für alle gelöst, und das Prinzip seiner Lösung alsbald
auf eine Menge gleichartiger Probleme ausgedehnt wird. Die
konkreten Beispiele liegen nicht fern. Man denke an das
Verhältnis der Maschine zur Handarbeit. Was tausend Hände,
jede von der andern individuell verschieden, unter tausendfach
verschiedenen Bedingungen mühsam und ungleich vollbrachten,
leistet eine einzige Maschine, und bald tausend gleiche, und
tausende ähnlicher Aufgaben vereinfachen sich auf dieselbe
Weise, durch Anwendung wesentlich desselben technischen
Vorteils, dessen Bedeutung sich an einem einzelnen Punkte
einmal herausgestellt hat. Von der maschinellen Technik vor-
zugsweise bedingt ist ihre natürliche Ergänzung, der Fernver-
kehr, dessen im erklärten Sinne generalisierende Rolle sofort
auffällt. Er bringt technische Errungenschaften fernster Zonen
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/186>, abgerufen am 04.12.2024.
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