zum eigentlichen Fundament der menschlichen Bildung über- haupt. Nicht bloss sah er aus ihr beinahe das Ganze der Verstandesbildung hervorgehen, sondern in dem Zwange zur Wahrhaftigkeit, in der Erziehung des reinen Sachensinns, welche die Arbeit bedeutet, kurz in den Ansprüchen, die sie an den Willen stellt, zumal aber in der Gemeinschaft der Arbeit, die im Hausleben sich so rein wie nirgends sonst dar- stellt, erkannte er zugleich die allerwesentlichsten Grundlagen zur Erziehung des Willens. Hierin ist eigentlich seine ganze Theorie der Willensbildung enthalten; auch seine tief wahren Beobachtungen über die religiöse Erziehung, die er wesentlich als sittliche versteht, führen zuletzt darauf zurück. Wir stehen jetzt auf der Höhe, den Gehalt dieser Gedanken zu würdigen. Fröbel hat dann gleichfalls und in mehr systematischer Aus- führung die Handübung in Verbindung mit der Muskelübung über- haupt und andrerseits der Uebung der Sinne in den Mittelpunkt der frühsten kindlichen Erziehung gestellt. Die industrielle Not- arbeit, an die Pestalozzi praktisch anzuknüpfen durch die zu- fälligen äusseren Bedingungen, an die sein erstes pädagogisches Wirken sich gebunden fand, veranlasst worden war, deren er- ziehende Kraft aber eine ungemein dürftige und einseitige ist, ersetzt Fröbel durch eine frei spielende, aber eben im Spiel plan- volle, möglichst alle im Kinde schlummernden Kräfte aufrufende und somit übende Thätigkeit, bei der besonders der sittliche und ästhetische Faktor ganz anders in Wirksamkeit treten kann, ohne dass die Vorbereitung zur später zu leistenden nützlichen Arbeit Schaden zu leiden braucht.
Denkt man sich die kindliche Erziehung so gestaltet, wie sie allen diesen ineinandergreifenden Erwägungen zufolge sich gestalten würde, so lässt sich wohl sagen, dass die Be- fassung damit schon wegen des unerschöpflichen Studiums, zu dem sie Stoff bietet, und der grenzenlosen Anregung zu eigener Erfindung keine zu niedrige oder geistlose Sache auch für den gereiften Mann, dass sie zugleich für den sonst schwer Arbeitenden die köstlichste Erholung sein würde. Auch giebt es keine Freundschaft, keine Kameradschaft von gleicher Süs- sigkeit und Echtheit, wie ein unverdorbenes Kind sie zu bieten
zum eigentlichen Fundament der menschlichen Bildung über- haupt. Nicht bloss sah er aus ihr beinahe das Ganze der Verstandesbildung hervorgehen, sondern in dem Zwange zur Wahrhaftigkeit, in der Erziehung des reinen Sachensinns, welche die Arbeit bedeutet, kurz in den Ansprüchen, die sie an den Willen stellt, zumal aber in der Gemeinschaft der Arbeit, die im Hausleben sich so rein wie nirgends sonst dar- stellt, erkannte er zugleich die allerwesentlichsten Grundlagen zur Erziehung des Willens. Hierin ist eigentlich seine ganze Theorie der Willensbildung enthalten; auch seine tief wahren Beobachtungen über die religiöse Erziehung, die er wesentlich als sittliche versteht, führen zuletzt darauf zurück. Wir stehen jetzt auf der Höhe, den Gehalt dieser Gedanken zu würdigen. Fröbel hat dann gleichfalls und in mehr systematischer Aus- führung die Handübung in Verbindung mit der Muskelübung über- haupt und andrerseits der Uebung der Sinne in den Mittelpunkt der frühsten kindlichen Erziehung gestellt. Die industrielle Not- arbeit, an die Pestalozzi praktisch anzuknüpfen durch die zu- fälligen äusseren Bedingungen, an die sein erstes pädagogisches Wirken sich gebunden fand, veranlasst worden war, deren er- ziehende Kraft aber eine ungemein dürftige und einseitige ist, ersetzt Fröbel durch eine frei spielende, aber eben im Spiel plan- volle, möglichst alle im Kinde schlummernden Kräfte aufrufende und somit übende Thätigkeit, bei der besonders der sittliche und ästhetische Faktor ganz anders in Wirksamkeit treten kann, ohne dass die Vorbereitung zur später zu leistenden nützlichen Arbeit Schaden zu leiden braucht.
Denkt man sich die kindliche Erziehung so gestaltet, wie sie allen diesen ineinandergreifenden Erwägungen zufolge sich gestalten würde, so lässt sich wohl sagen, dass die Be- fassung damit schon wegen des unerschöpflichen Studiums, zu dem sie Stoff bietet, und der grenzenlosen Anregung zu eigener Erfindung keine zu niedrige oder geistlose Sache auch für den gereiften Mann, dass sie zugleich für den sonst schwer Arbeitenden die köstlichste Erholung sein würde. Auch giebt es keine Freundschaft, keine Kameradschaft von gleicher Süs- sigkeit und Echtheit, wie ein unverdorbenes Kind sie zu bieten
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[202/0218]
zum eigentlichen Fundament der menschlichen Bildung über-
haupt. Nicht bloss sah er aus ihr beinahe das Ganze der
Verstandesbildung hervorgehen, sondern in dem Zwange zur
Wahrhaftigkeit, in der Erziehung des reinen Sachensinns,
welche die Arbeit bedeutet, kurz in den Ansprüchen, die sie
an den Willen stellt, zumal aber in der Gemeinschaft der
Arbeit, die im Hausleben sich so rein wie nirgends sonst dar-
stellt, erkannte er zugleich die allerwesentlichsten Grundlagen
zur Erziehung des Willens. Hierin ist eigentlich seine ganze
Theorie der Willensbildung enthalten; auch seine tief wahren
Beobachtungen über die religiöse Erziehung, die er wesentlich
als sittliche versteht, führen zuletzt darauf zurück. Wir stehen
jetzt auf der Höhe, den Gehalt dieser Gedanken zu würdigen.
Fröbel hat dann gleichfalls und in mehr systematischer Aus-
führung die Handübung in Verbindung mit der Muskelübung über-
haupt und andrerseits der Uebung der Sinne in den Mittelpunkt
der frühsten kindlichen Erziehung gestellt. Die industrielle Not-
arbeit, an die Pestalozzi praktisch anzuknüpfen durch die zu-
fälligen äusseren Bedingungen, an die sein erstes pädagogisches
Wirken sich gebunden fand, veranlasst worden war, deren er-
ziehende Kraft aber eine ungemein dürftige und einseitige ist,
ersetzt Fröbel durch eine frei spielende, aber eben im Spiel plan-
volle, möglichst alle im Kinde schlummernden Kräfte aufrufende
und somit übende Thätigkeit, bei der besonders der sittliche und
ästhetische Faktor ganz anders in Wirksamkeit treten kann,
ohne dass die Vorbereitung zur später zu leistenden nützlichen
Arbeit Schaden zu leiden braucht.
Denkt man sich die kindliche Erziehung so gestaltet, wie
sie allen diesen ineinandergreifenden Erwägungen zufolge
sich gestalten würde, so lässt sich wohl sagen, dass die Be-
fassung damit schon wegen des unerschöpflichen Studiums,
zu dem sie Stoff bietet, und der grenzenlosen Anregung zu
eigener Erfindung keine zu niedrige oder geistlose Sache auch
für den gereiften Mann, dass sie zugleich für den sonst schwer
Arbeitenden die köstlichste Erholung sein würde. Auch giebt
es keine Freundschaft, keine Kameradschaft von gleicher Süs-
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/218>, abgerufen am 21.11.2024.
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