Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.und genaue Wechselbeziehung dieser drei Faktoren ergiebt *) F. Tönnies, Eth. Kultur 1894, Nr. 36, 37. Vgl. des Verf. Aufsatz
"Ueber volkstümliche Universitätskurse (Universitäts-Ausdehnung)", Acad. Revue, Jahrg. II, H. 23/24, Aug.-Sept. 1896, wo diese ganze Frage ein- gehend behandelt ist. und genaue Wechselbeziehung dieser drei Faktoren ergiebt *) F. Tönnies, Eth. Kultur 1894, Nr. 36, 37. Vgl. des Verf. Aufsatz
„Ueber volkstümliche Universitätskurse (Universitäts-Ausdehnung)“, Acad. Revue, Jahrg. II, H. 23/24, Aug.-Sept. 1896, wo diese ganze Frage ein- gehend behandelt ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0233" n="217"/> und genaue Wechselbeziehung dieser drei Faktoren ergiebt<lb/> sich klar aus unseren Grundsätzen, nämlich aus der notwendig<lb/> parallelen Anwendung derselben drei regulativen Prinzipien<lb/> (§ 18) auf die drei Grundrichtungen des sozialen Lebens und<lb/> der sozialen Thätigkeit. Auf dieser Grundlage forderten wir<lb/> bereits eine allgemeine, gleichheitliche Organisation des Haus-<lb/> lebens in bildender Absicht, und einen nicht minder allgemeinen,<lb/> „nationalen“ Ausbau des Schulwesens. Die Analogie führt<lb/> zwingend auf eine im gleichen Sinne „nationale“ Gestaltung<lb/> freier Bildungsorganisationen für die Erwachsenen, wie die<lb/> „Universitätsausdehnung“ in England und den Vereinigten<lb/> Staaten sie deutlich anstrebt. Ein scharfsichtiger Soziologe<note place="foot" n="*)">F. Tönnies, Eth. Kultur 1894, Nr. 36, 37. Vgl. des Verf. Aufsatz<lb/> „Ueber volkstümliche Universitätskurse (Universitäts-Ausdehnung)“, Acad.<lb/> Revue, Jahrg. II, H. 23/24, Aug.-Sept. 1896, wo diese ganze Frage ein-<lb/> gehend behandelt ist.</note><lb/> sieht den Kern der merkwürdigen Bewegung in der Entstehung<lb/> eines neuen „weltlichen Klerus“. Damit ist eben <hi rendition="#g">die</hi> Bedeutung<lb/> der Sache treffend bezeichnet, auf die unsere allgemeinen Er-<lb/> wägungen hinführen. Was anders hat der alte Klerus denn<lb/> darstellen wollen als eine schlechthin universale Organisation<lb/> der Fürsorge für das geistige Bedürfen aller, so wie man dies<lb/> Bedürfen und diese Fürsorge auf der damaligen Stufe sozialer<lb/> Entwicklung verstand und vielleicht nur verstehen konnte?<lb/> Das unterscheidende Kennzeichen eines „weltlichen“ Klerus<lb/> aber läge, nicht eigentlich und ursprünglich in der Ablehnung<lb/> des Uebersinnlichen, sondern in der Ueberwindung des <hi rendition="#g">Au-<lb/> toritätscharakters</hi> der geistigen Fürsorge. Dieser folgt<lb/> keineswegs aus der Voraussetzung des Uebersinnlichen an und<lb/> für sich, sondern aus dem Anspruch einer bevorrechteten Klasse<lb/> „Geistlicher“, im Besitz der allein wahren Erkenntnis des<lb/> Uebersinnlichen und der nächsten, unmittelbarsten Beziehung<lb/> zu ihm zu sein, was ja freilich, sofern man damit Glauben<lb/> findet, die unüberwindlichste Autorität schaffen muss. Genau<lb/> das ist es nun aber, was die moderne Entwicklung schlechter-<lb/> dings ablehnt; was sie ablehnen muss, sogar vom religiösen<lb/> Standpunkt selbst; denn gerade das Göttliche für den Menschen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0233]
und genaue Wechselbeziehung dieser drei Faktoren ergiebt
sich klar aus unseren Grundsätzen, nämlich aus der notwendig
parallelen Anwendung derselben drei regulativen Prinzipien
(§ 18) auf die drei Grundrichtungen des sozialen Lebens und
der sozialen Thätigkeit. Auf dieser Grundlage forderten wir
bereits eine allgemeine, gleichheitliche Organisation des Haus-
lebens in bildender Absicht, und einen nicht minder allgemeinen,
„nationalen“ Ausbau des Schulwesens. Die Analogie führt
zwingend auf eine im gleichen Sinne „nationale“ Gestaltung
freier Bildungsorganisationen für die Erwachsenen, wie die
„Universitätsausdehnung“ in England und den Vereinigten
Staaten sie deutlich anstrebt. Ein scharfsichtiger Soziologe *)
sieht den Kern der merkwürdigen Bewegung in der Entstehung
eines neuen „weltlichen Klerus“. Damit ist eben die Bedeutung
der Sache treffend bezeichnet, auf die unsere allgemeinen Er-
wägungen hinführen. Was anders hat der alte Klerus denn
darstellen wollen als eine schlechthin universale Organisation
der Fürsorge für das geistige Bedürfen aller, so wie man dies
Bedürfen und diese Fürsorge auf der damaligen Stufe sozialer
Entwicklung verstand und vielleicht nur verstehen konnte?
Das unterscheidende Kennzeichen eines „weltlichen“ Klerus
aber läge, nicht eigentlich und ursprünglich in der Ablehnung
des Uebersinnlichen, sondern in der Ueberwindung des Au-
toritätscharakters der geistigen Fürsorge. Dieser folgt
keineswegs aus der Voraussetzung des Uebersinnlichen an und
für sich, sondern aus dem Anspruch einer bevorrechteten Klasse
„Geistlicher“, im Besitz der allein wahren Erkenntnis des
Uebersinnlichen und der nächsten, unmittelbarsten Beziehung
zu ihm zu sein, was ja freilich, sofern man damit Glauben
findet, die unüberwindlichste Autorität schaffen muss. Genau
das ist es nun aber, was die moderne Entwicklung schlechter-
dings ablehnt; was sie ablehnen muss, sogar vom religiösen
Standpunkt selbst; denn gerade das Göttliche für den Menschen
*) F. Tönnies, Eth. Kultur 1894, Nr. 36, 37. Vgl. des Verf. Aufsatz
„Ueber volkstümliche Universitätskurse (Universitäts-Ausdehnung)“, Acad.
Revue, Jahrg. II, H. 23/24, Aug.-Sept. 1896, wo diese ganze Frage ein-
gehend behandelt ist.
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