kräften der Willenserziehung, Mitempfinden und Mitwollen, ins Spiel gesetzt werden sollte; findet sie dagegen durch diese den Boden schon bereitet, so kommt keine der andern Kräfte an nachhaltiger Wirkung ihr gleich. Diese Stufe muss erreicht werden, wenn die Wirkung der Erziehung nicht bloss für die Zeit ihrer eigenen Dauer, sondern fürs Leben vorhalten soll. Jene beiden ersten Stufen reichen allenfalls nur fürs Haus und die Schule aus. Und auch da wird die Kraft der Ver- nunft leicht unterschätzt; weil der erwachende Freiheitssinn des Heranwachsenden sich gerade gegen den aufdringlichen Einfluss des Erziehers leicht auch da sperrt, wo er vernünftigen Gründen Gehör geben sollte. Der gleichstehende und sich gleichstellende Kamerad, aber auch der Vater, der Lehrer, der es versteht, dem Heranreifenden ein solcher Kamerad zu werden, wird durch überlegene Vernunft leicht eine fast unbestrittene Herrschaft üben.
So gestaltet sich der formale Gang der Erziehung in der ganzen Uebersicht. Aber auch wiederum jeder Einzelakt des erzieherischen Zusammenwirkens lässt sich in dieselben drei Schritte zerlegen; wir nennen sie: Vorthun, Mitthun, Nach- thun. Das erste, was dem Erzieher obliegt, ist auch im einzelnen überall das Interesse-wecken, das zur Nachahmung reizende Beispiel oder Vorbild, das Zeigen und Vormachen. Es folgt das Wachen über das eigene Thun des Lernenden und unmittelbar eingreifende Nachhelfen; endlich das Nach- prüfen und Nachthun des Zurückgebliebenen; ein neues Zeigen, aber unter veränderten Bedingungen, daher mit andrer Wir- kung. Durch den eigenen Versuch, auch wenn er missglückte, ist die Aufmerksamkeit ganz anders rege geworden, als zu Anfang, und die Kräfte vorbereiteter, nunmehr in der rechten Art einzugreifen. So stellen diese drei Stufen des Zusammen- thuns einen natürlichen Kreislauf dar, der sich auf immer höherer Stufe wiederholt und so einen andauernden, streng gesetzmässigen Fortschritt ermöglicht. In denselben drei Stufen gliedert sich denn auch die Mitthätigkeit des Lernenden. Sie beginnt mit dem noch fast passiven Merken auf das Vorgethane. Es ist allerdings nicht ein blosses uninteressiertes Beobachten,
kräften der Willenserziehung, Mitempfinden und Mitwollen, ins Spiel gesetzt werden sollte; findet sie dagegen durch diese den Boden schon bereitet, so kommt keine der andern Kräfte an nachhaltiger Wirkung ihr gleich. Diese Stufe muss erreicht werden, wenn die Wirkung der Erziehung nicht bloss für die Zeit ihrer eigenen Dauer, sondern fürs Leben vorhalten soll. Jene beiden ersten Stufen reichen allenfalls nur fürs Haus und die Schule aus. Und auch da wird die Kraft der Ver- nunft leicht unterschätzt; weil der erwachende Freiheitssinn des Heranwachsenden sich gerade gegen den aufdringlichen Einfluss des Erziehers leicht auch da sperrt, wo er vernünftigen Gründen Gehör geben sollte. Der gleichstehende und sich gleichstellende Kamerad, aber auch der Vater, der Lehrer, der es versteht, dem Heranreifenden ein solcher Kamerad zu werden, wird durch überlegene Vernunft leicht eine fast unbestrittene Herrschaft üben.
So gestaltet sich der formale Gang der Erziehung in der ganzen Uebersicht. Aber auch wiederum jeder Einzelakt des erzieherischen Zusammenwirkens lässt sich in dieselben drei Schritte zerlegen; wir nennen sie: Vorthun, Mitthun, Nach- thun. Das erste, was dem Erzieher obliegt, ist auch im einzelnen überall das Interesse-wecken, das zur Nachahmung reizende Beispiel oder Vorbild, das Zeigen und Vormachen. Es folgt das Wachen über das eigene Thun des Lernenden und unmittelbar eingreifende Nachhelfen; endlich das Nach- prüfen und Nachthun des Zurückgebliebenen; ein neues Zeigen, aber unter veränderten Bedingungen, daher mit andrer Wir- kung. Durch den eigenen Versuch, auch wenn er missglückte, ist die Aufmerksamkeit ganz anders rege geworden, als zu Anfang, und die Kräfte vorbereiteter, nunmehr in der rechten Art einzugreifen. So stellen diese drei Stufen des Zusammen- thuns einen natürlichen Kreislauf dar, der sich auf immer höherer Stufe wiederholt und so einen andauernden, streng gesetzmässigen Fortschritt ermöglicht. In denselben drei Stufen gliedert sich denn auch die Mitthätigkeit des Lernenden. Sie beginnt mit dem noch fast passiven Merken auf das Vorgethane. Es ist allerdings nicht ein blosses uninteressiertes Beobachten,
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an nachhaltiger Wirkung ihr gleich. Diese Stufe muss erreicht
werden, wenn die Wirkung der Erziehung nicht bloss für die
Zeit ihrer eigenen Dauer, sondern fürs Leben vorhalten soll.
Jene beiden ersten Stufen reichen allenfalls nur fürs Haus
und die Schule aus. Und auch da wird die Kraft der Ver-
nunft leicht unterschätzt; weil der erwachende Freiheitssinn
des Heranwachsenden sich gerade gegen den aufdringlichen
Einfluss des Erziehers leicht auch da sperrt, wo er vernünftigen
Gründen Gehör geben sollte. Der gleichstehende und sich
gleichstellende Kamerad, aber auch der Vater, der Lehrer, der
es versteht, dem Heranreifenden ein solcher Kamerad zu werden,
wird durch überlegene Vernunft leicht eine fast unbestrittene
Herrschaft üben.
So gestaltet sich der formale Gang der Erziehung in der
ganzen Uebersicht. Aber auch wiederum jeder Einzelakt des
erzieherischen Zusammenwirkens lässt sich in dieselben drei
Schritte zerlegen; wir nennen sie: Vorthun, Mitthun, Nach-
thun. Das erste, was dem Erzieher obliegt, ist auch im
einzelnen überall das Interesse-wecken, das zur Nachahmung
reizende Beispiel oder Vorbild, das Zeigen und Vormachen.
Es folgt das Wachen über das eigene Thun des Lernenden
und unmittelbar eingreifende Nachhelfen; endlich das Nach-
prüfen und Nachthun des Zurückgebliebenen; ein neues Zeigen,
aber unter veränderten Bedingungen, daher mit andrer Wir-
kung. Durch den eigenen Versuch, auch wenn er missglückte,
ist die Aufmerksamkeit ganz anders rege geworden, als zu
Anfang, und die Kräfte vorbereiteter, nunmehr in der rechten
Art einzugreifen. So stellen diese drei Stufen des Zusammen-
thuns einen natürlichen Kreislauf dar, der sich auf immer
höherer Stufe wiederholt und so einen andauernden, streng
gesetzmässigen Fortschritt ermöglicht. In denselben drei Stufen
gliedert sich denn auch die Mitthätigkeit des Lernenden. Sie
beginnt mit dem noch fast passiven Merken auf das Vorgethane.
Es ist allerdings nicht ein blosses uninteressiertes Beobachten,
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/244>, abgerufen am 24.11.2024.
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