Besondern dem des Führenden, weil Besserwissenden, unterzuordnen. Das ist der allein achtbare Grund der Auto- rität: die Anerkennung, dass der Führer besser bekannt sein muss mit dem Weg, den man zu gehen hat. Dies Zutrauen ist vom Geführten, so lange er selbst des Weges unkundig ist, allerdings zu verlangen, anders könnte er auch nicht zu der Höhe geführt werden, von der er den Weg überschauen und so lernen kann, sich künftig selber zu führen. Wie aber ist diese Autorität zu gewinnen? Dadurch allein, dass der Geführte in der Führung selbst deren Richtigkeit verspürt, nämlich am Erfolg, am eigenen Fortschreiten sie unwider- sprechlich erfährt. Ohne das ist keine Autorität rechtmässig begründet oder zu erzwingen. Das aber gelingt nur im ge- meinsamen, von Anfang an als gemeinsam bewussten Thun, wie es oben geschildert wurde. Durch abstrakte Lehre kann die Ueberzeugung, dass man Gehorsam schulde, nicht ein- gepflanzt werden, oder höchstens eine solche abstrakte Ueber- zeugung, die neben dem Thun hergeht, eine Ueberzeugung in thesi, aber nicht in praxi.
Dasselbe gilt von den besonderen Mitteln der Autorität, Lob und Tadel, Lohn und Strafe. Die einzig klare Grundlage dafür ist das, sei es begleitende oder nachfolgende, Urteil: dies ist recht gethan, das verkehrt. Aber schon dies Urteil, im Munde des Erziehers, ist ohne Wert und Wirkung, wenn es nicht eben das ausspricht, was der Zögling, erst einmal auf- merksam gemacht, sich selber sagen muss; wenn nicht das Urteil in seinem eigenen Gefühl so vorbereitet ist, dass eben bloss die Bestätigung des Führenden hinzuzukommen braucht, um es zur ganzen Festigkeit der Ueberzeugung in ihm zu bringen. Das ist zugleich der Weg, das Selbsturteil im Zög- ling so zu entwickeln, dass es endlich ganz an die Stelle des fremden Urteils treten kann. Die blosse autoritative Erklärung dagegen, der die eigene Einsicht des Zöglings gar nicht ent- gegenkommt, wirkt in erzieherischer Hinsicht nichts oder Ver- kehrtes. Vollends der ganze Gefühlsbeisatz, Scham und Stolz, Erhebung und Erniedrigung ist, wenn auch kaum ganz vermeid- lich, doch wahrlich nicht zu suchen und gar durch künstliche
Besondern dem des Führenden, weil Besserwissenden, unterzuordnen. Das ist der allein achtbare Grund der Auto- rität: die Anerkennung, dass der Führer besser bekannt sein muss mit dem Weg, den man zu gehen hat. Dies Zutrauen ist vom Geführten, so lange er selbst des Weges unkundig ist, allerdings zu verlangen, anders könnte er auch nicht zu der Höhe geführt werden, von der er den Weg überschauen und so lernen kann, sich künftig selber zu führen. Wie aber ist diese Autorität zu gewinnen? Dadurch allein, dass der Geführte in der Führung selbst deren Richtigkeit verspürt, nämlich am Erfolg, am eigenen Fortschreiten sie unwider- sprechlich erfährt. Ohne das ist keine Autorität rechtmässig begründet oder zu erzwingen. Das aber gelingt nur im ge- meinsamen, von Anfang an als gemeinsam bewussten Thun, wie es oben geschildert wurde. Durch abstrakte Lehre kann die Ueberzeugung, dass man Gehorsam schulde, nicht ein- gepflanzt werden, oder höchstens eine solche abstrakte Ueber- zeugung, die neben dem Thun hergeht, eine Ueberzeugung in thesi, aber nicht in praxi.
Dasselbe gilt von den besonderen Mitteln der Autorität, Lob und Tadel, Lohn und Strafe. Die einzig klare Grundlage dafür ist das, sei es begleitende oder nachfolgende, Urteil: dies ist recht gethan, das verkehrt. Aber schon dies Urteil, im Munde des Erziehers, ist ohne Wert und Wirkung, wenn es nicht eben das ausspricht, was der Zögling, erst einmal auf- merksam gemacht, sich selber sagen muss; wenn nicht das Urteil in seinem eigenen Gefühl so vorbereitet ist, dass eben bloss die Bestätigung des Führenden hinzuzukommen braucht, um es zur ganzen Festigkeit der Ueberzeugung in ihm zu bringen. Das ist zugleich der Weg, das Selbsturteil im Zög- ling so zu entwickeln, dass es endlich ganz an die Stelle des fremden Urteils treten kann. Die blosse autoritative Erklärung dagegen, der die eigene Einsicht des Zöglings gar nicht ent- gegenkommt, wirkt in erzieherischer Hinsicht nichts oder Ver- kehrtes. Vollends der ganze Gefühlsbeisatz, Scham und Stolz, Erhebung und Erniedrigung ist, wenn auch kaum ganz vermeid- lich, doch wahrlich nicht zu suchen und gar durch künstliche
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Besondern dem des Führenden, weil Besserwissenden,
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muss mit dem Weg, den man zu gehen hat. Dies Zutrauen
ist vom Geführten, so lange er selbst des Weges unkundig
ist, allerdings zu verlangen, anders könnte er auch nicht zu
der Höhe geführt werden, von der er den Weg überschauen
und so lernen kann, sich künftig selber zu führen. Wie aber
ist diese Autorität zu gewinnen? Dadurch allein, dass der
Geführte in der Führung selbst deren Richtigkeit verspürt,
nämlich am Erfolg, am eigenen Fortschreiten sie unwider-
sprechlich erfährt. Ohne das ist keine Autorität rechtmässig
begründet oder zu erzwingen. Das aber gelingt nur im ge-
meinsamen, von Anfang an als gemeinsam bewussten Thun,
wie es oben geschildert wurde. Durch abstrakte Lehre kann
die Ueberzeugung, dass man Gehorsam schulde, nicht ein-
gepflanzt werden, oder höchstens eine solche abstrakte Ueber-
zeugung, die neben dem Thun hergeht, eine Ueberzeugung
in thesi, aber nicht in praxi.
Dasselbe gilt von den besonderen Mitteln der Autorität,
Lob und Tadel, Lohn und Strafe. Die einzig klare Grundlage
dafür ist das, sei es begleitende oder nachfolgende, Urteil:
dies ist recht gethan, das verkehrt. Aber schon dies Urteil,
im Munde des Erziehers, ist ohne Wert und Wirkung, wenn es
nicht eben das ausspricht, was der Zögling, erst einmal auf-
merksam gemacht, sich selber sagen muss; wenn nicht das
Urteil in seinem eigenen Gefühl so vorbereitet ist, dass eben
bloss die Bestätigung des Führenden hinzuzukommen braucht,
um es zur ganzen Festigkeit der Ueberzeugung in ihm zu
bringen. Das ist zugleich der Weg, das Selbsturteil im Zög-
ling so zu entwickeln, dass es endlich ganz an die Stelle des
fremden Urteils treten kann. Die blosse autoritative Erklärung
dagegen, der die eigene Einsicht des Zöglings gar nicht ent-
gegenkommt, wirkt in erzieherischer Hinsicht nichts oder Ver-
kehrtes. Vollends der ganze Gefühlsbeisatz, Scham und Stolz,
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/249>, abgerufen am 21.11.2024.
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