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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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sein kaum in Betracht, da ihm eben der Begriff dieses Unter-
schieds abgeht; das Nächste, Unmittelbare ist ihm Zweck ge-
nug und darf es noch sein. Indem aber dann seine Thätigkeit,
ohne dass sie übrigens ihren Charakter ändert, mehr und mehr
auf wirklich zweckvolle Aufgaben gelenkt wird, und zwar
auf solche, deren Zweck ihm nah genug liegt, wird das Kind
unvermerkt vom Spiel zur eigentlichen Arbeit hinübergelenkt.
Es begreift bald, dass ein geordnetes Leben Arbeit nach dem
einfachen Grundtypus der Wirtschaft verlangt: dass jeder Ver-
brauch von Material und Kräften Ersatz fordert, geregelter
Verbrauch entsprechend geregelten Ersatz. Es fasst sehr rasch
den Sinn der Raumordnung, der Zeiteinteilung, der Erhaltung
seiner eigenen Spielsachen oder Gebrauchsgegenstände wie aller
zum Haushalt gehörigen, der Sparsamkeit im Kräfte- und
Materialverbrauch jeder Art. Es fühlt zugleich, wenn auch
ohne Begriff, dass in der Regelung seines Thuns, seines Sach-
gebrauchs, der Mensch selbst, sein ganzes Leben und Sich-
fühlen, sich in Regel und Einklang fügt und so seine gesunde
Befriedigung und sicher fortschreitende leibliche und geistige
Entwicklung findet; dass in gemeinschaftlich, in gegenseitiger
Rücksichtnahme geregelter Arbeit zugleich die seelische Ge-
meinschaft der Zusammenarbeitenden sich in das gleiche, heil-
same Element der Ordnung und Harmonie eingewöhnt, und
indem eben damit wiederum die Arbeit und Arbeitsordnung
desto harmonischer wird, ein glücklicher Kreislauf einer in
gesunder Bahn sich selbst erhaltenden Thätigkeit entsteht.

Auf den mächtigen, ja beherrschenden Einfluss der Ge-
meinschaft
in diesem ganzen Bildungsgang noch besonders
hinzuweisen, erscheint fast unnötig. Es ist ja unvermeidlich,
dass die Umgebung des Kindes an der Gestaltung seines Ge-
müts auch ungewollt und unbewusst mitarbeitet. Selbst Wahr-
nehmung und Willkürbewegung ist anfangs weit überwiegend
auf die Mitlebenden gerichtet: das Auge des Kindes sucht zu-
erst das Auge der Mutter, der Geschwister; es überträgt einen
Teil des Glücksgefühls, das ihm aus jenem einzigen Quell (so
muss es wohl glauben) zufliesst, in seinem Ausdruck auf jedes
menschliche Antlitz, das ihm nur irgend freundlich begegnet.

sein kaum in Betracht, da ihm eben der Begriff dieses Unter-
schieds abgeht; das Nächste, Unmittelbare ist ihm Zweck ge-
nug und darf es noch sein. Indem aber dann seine Thätigkeit,
ohne dass sie übrigens ihren Charakter ändert, mehr und mehr
auf wirklich zweckvolle Aufgaben gelenkt wird, und zwar
auf solche, deren Zweck ihm nah genug liegt, wird das Kind
unvermerkt vom Spiel zur eigentlichen Arbeit hinübergelenkt.
Es begreift bald, dass ein geordnetes Leben Arbeit nach dem
einfachen Grundtypus der Wirtschaft verlangt: dass jeder Ver-
brauch von Material und Kräften Ersatz fordert, geregelter
Verbrauch entsprechend geregelten Ersatz. Es fasst sehr rasch
den Sinn der Raumordnung, der Zeiteinteilung, der Erhaltung
seiner eigenen Spielsachen oder Gebrauchsgegenstände wie aller
zum Haushalt gehörigen, der Sparsamkeit im Kräfte- und
Materialverbrauch jeder Art. Es fühlt zugleich, wenn auch
ohne Begriff, dass in der Regelung seines Thuns, seines Sach-
gebrauchs, der Mensch selbst, sein ganzes Leben und Sich-
fühlen, sich in Regel und Einklang fügt und so seine gesunde
Befriedigung und sicher fortschreitende leibliche und geistige
Entwicklung findet; dass in gemeinschaftlich, in gegenseitiger
Rücksichtnahme geregelter Arbeit zugleich die seelische Ge-
meinschaft der Zusammenarbeitenden sich in das gleiche, heil-
same Element der Ordnung und Harmonie eingewöhnt, und
indem eben damit wiederum die Arbeit und Arbeitsordnung
desto harmonischer wird, ein glücklicher Kreislauf einer in
gesunder Bahn sich selbst erhaltenden Thätigkeit entsteht.

Auf den mächtigen, ja beherrschenden Einfluss der Ge-
meinschaft
in diesem ganzen Bildungsgang noch besonders
hinzuweisen, erscheint fast unnötig. Es ist ja unvermeidlich,
dass die Umgebung des Kindes an der Gestaltung seines Ge-
müts auch ungewollt und unbewusst mitarbeitet. Selbst Wahr-
nehmung und Willkürbewegung ist anfangs weit überwiegend
auf die Mitlebenden gerichtet: das Auge des Kindes sucht zu-
erst das Auge der Mutter, der Geschwister; es überträgt einen
Teil des Glücksgefühls, das ihm aus jenem einzigen Quell (so
muss es wohl glauben) zufliesst, in seinem Ausdruck auf jedes
menschliche Antlitz, das ihm nur irgend freundlich begegnet.

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[248/0264] sein kaum in Betracht, da ihm eben der Begriff dieses Unter- schieds abgeht; das Nächste, Unmittelbare ist ihm Zweck ge- nug und darf es noch sein. Indem aber dann seine Thätigkeit, ohne dass sie übrigens ihren Charakter ändert, mehr und mehr auf wirklich zweckvolle Aufgaben gelenkt wird, und zwar auf solche, deren Zweck ihm nah genug liegt, wird das Kind unvermerkt vom Spiel zur eigentlichen Arbeit hinübergelenkt. Es begreift bald, dass ein geordnetes Leben Arbeit nach dem einfachen Grundtypus der Wirtschaft verlangt: dass jeder Ver- brauch von Material und Kräften Ersatz fordert, geregelter Verbrauch entsprechend geregelten Ersatz. Es fasst sehr rasch den Sinn der Raumordnung, der Zeiteinteilung, der Erhaltung seiner eigenen Spielsachen oder Gebrauchsgegenstände wie aller zum Haushalt gehörigen, der Sparsamkeit im Kräfte- und Materialverbrauch jeder Art. Es fühlt zugleich, wenn auch ohne Begriff, dass in der Regelung seines Thuns, seines Sach- gebrauchs, der Mensch selbst, sein ganzes Leben und Sich- fühlen, sich in Regel und Einklang fügt und so seine gesunde Befriedigung und sicher fortschreitende leibliche und geistige Entwicklung findet; dass in gemeinschaftlich, in gegenseitiger Rücksichtnahme geregelter Arbeit zugleich die seelische Ge- meinschaft der Zusammenarbeitenden sich in das gleiche, heil- same Element der Ordnung und Harmonie eingewöhnt, und indem eben damit wiederum die Arbeit und Arbeitsordnung desto harmonischer wird, ein glücklicher Kreislauf einer in gesunder Bahn sich selbst erhaltenden Thätigkeit entsteht. Auf den mächtigen, ja beherrschenden Einfluss der Ge- meinschaft in diesem ganzen Bildungsgang noch besonders hinzuweisen, erscheint fast unnötig. Es ist ja unvermeidlich, dass die Umgebung des Kindes an der Gestaltung seines Ge- müts auch ungewollt und unbewusst mitarbeitet. Selbst Wahr- nehmung und Willkürbewegung ist anfangs weit überwiegend auf die Mitlebenden gerichtet: das Auge des Kindes sucht zu- erst das Auge der Mutter, der Geschwister; es überträgt einen Teil des Glücksgefühls, das ihm aus jenem einzigen Quell (so muss es wohl glauben) zufliesst, in seinem Ausdruck auf jedes menschliche Antlitz, das ihm nur irgend freundlich begegnet.

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/264>, abgerufen am 21.11.2024.