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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899.

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also sind alle Gesetze Ursachgesetze, gelangt man nicht durch
diesen allgemeinsten Sinn der Thatsache, sondern durch das
stillschweigend mitgedachte spezifische Merkmal zeitlicher
Bestimmtheit
. Ursachgesetze sind Zeitgesetze des Ge-
schehens
, und nur sofern man unter Thatsache, im auch
zulässigen engeren Sinn des Worts, Geschehen versteht, deckt
sich "Gesetz von Thatsachen" und "ursachliches Gesetz".
Aber dass 2 x 2 = 4, ist kein Geschehen in der Zeit, weder
ein einzelnes noch ein allgemeines, sondern ein Stattfinden,
das an gar keine Zeitbedingung gebunden ist oder sie irgend-
wie einschliesst. Dasselbe gilt von den logischen Gesetzen;
sie sind nicht Zeitgesetze, folglich nicht ursachliche Gesetze,
weder physische noch psychische, oder in solchen begründet,
sondern von einer fundamentaleren Ordnung; denn das ursach-
liche Gesetz ist vielmehr dem logischen, ebenso wie dem mathe-
matischen, unterworfen, nicht das logische, das mathematische
dem ursachlichen.

Hiergegen wird man vielleicht noch einwenden: Sätze wie
2 x 2 = 4, oder das A = A der Logiker, enthalten zwar un-
mittelbar keine Aussage über Thatsachen im zeitlichen Sinn, aber,
wenn sie sich nicht schliesslich doch auf solche zurückbezögen,
wären sie ohne alle Anwendung auf Wirkliches, mithin ohne
wahren Erkenntniswert. Denn nur Thatsachen sind
wirklich
. Der Satz 2 x 2 = 4 besagt, vollständig aus-
gedacht: allemal wann etwas in zeitlicher Wirklichkeit
2 x 2 ist, eben dann ist es auch 4. Der Satz gilt unter-
schiedslos in aller Zeit, darum braucht keine Zeitbestimmung
in seinen allgemeinen Ausdruck aufgenommen zu werden; sie
ist aber darum doch hinzuzudenken, nämlich in jedem Fall
der Anwendung. Ohne Anwendung aber ist ein Gesetz über-
haupt nur eine Formel auf dem Papier.

Darauf ist schlicht zu antworten: dass nach der logischen
Abhängigkeit
hier allein die Frage ist. Alle Möglichkeit
von Zeitbestimmung aber hängt logisch ab von den Gesetzen
der Zahl und Grösse; also können nicht umgekehrt die Ge-
setze der Zahl und Grösse von Zeitbestimmung, im gleichen
logischen Verhältnis, abhängen; das wäre widersinnig. Und

also sind alle Gesetze Ursachgesetze, gelangt man nicht durch
diesen allgemeinsten Sinn der Thatsache, sondern durch das
stillschweigend mitgedachte spezifische Merkmal zeitlicher
Bestimmtheit
. Ursachgesetze sind Zeitgesetze des Ge-
schehens
, und nur sofern man unter Thatsache, im auch
zulässigen engeren Sinn des Worts, Geschehen versteht, deckt
sich „Gesetz von Thatsachen“ und „ursachliches Gesetz“.
Aber dass 2 × 2 = 4, ist kein Geschehen in der Zeit, weder
ein einzelnes noch ein allgemeines, sondern ein Stattfinden,
das an gar keine Zeitbedingung gebunden ist oder sie irgend-
wie einschliesst. Dasselbe gilt von den logischen Gesetzen;
sie sind nicht Zeitgesetze, folglich nicht ursachliche Gesetze,
weder physische noch psychische, oder in solchen begründet,
sondern von einer fundamentaleren Ordnung; denn das ursach-
liche Gesetz ist vielmehr dem logischen, ebenso wie dem mathe-
matischen, unterworfen, nicht das logische, das mathematische
dem ursachlichen.

Hiergegen wird man vielleicht noch einwenden: Sätze wie
2 × 2 = 4, oder das A = A der Logiker, enthalten zwar un-
mittelbar keine Aussage über Thatsachen im zeitlichen Sinn, aber,
wenn sie sich nicht schliesslich doch auf solche zurückbezögen,
wären sie ohne alle Anwendung auf Wirkliches, mithin ohne
wahren Erkenntniswert. Denn nur Thatsachen sind
wirklich
. Der Satz 2 × 2 = 4 besagt, vollständig aus-
gedacht: allemal wann etwas in zeitlicher Wirklichkeit
2 × 2 ist, eben dann ist es auch 4. Der Satz gilt unter-
schiedslos in aller Zeit, darum braucht keine Zeitbestimmung
in seinen allgemeinen Ausdruck aufgenommen zu werden; sie
ist aber darum doch hinzuzudenken, nämlich in jedem Fall
der Anwendung. Ohne Anwendung aber ist ein Gesetz über-
haupt nur eine Formel auf dem Papier.

Darauf ist schlicht zu antworten: dass nach der logischen
Abhängigkeit
hier allein die Frage ist. Alle Möglichkeit
von Zeitbestimmung aber hängt logisch ab von den Gesetzen
der Zahl und Grösse; also können nicht umgekehrt die Ge-
setze der Zahl und Grösse von Zeitbestimmung, im gleichen
logischen Verhältnis, abhängen; das wäre widersinnig. Und

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[18/0034] also sind alle Gesetze Ursachgesetze, gelangt man nicht durch diesen allgemeinsten Sinn der Thatsache, sondern durch das stillschweigend mitgedachte spezifische Merkmal zeitlicher Bestimmtheit. Ursachgesetze sind Zeitgesetze des Ge- schehens, und nur sofern man unter Thatsache, im auch zulässigen engeren Sinn des Worts, Geschehen versteht, deckt sich „Gesetz von Thatsachen“ und „ursachliches Gesetz“. Aber dass 2 × 2 = 4, ist kein Geschehen in der Zeit, weder ein einzelnes noch ein allgemeines, sondern ein Stattfinden, das an gar keine Zeitbedingung gebunden ist oder sie irgend- wie einschliesst. Dasselbe gilt von den logischen Gesetzen; sie sind nicht Zeitgesetze, folglich nicht ursachliche Gesetze, weder physische noch psychische, oder in solchen begründet, sondern von einer fundamentaleren Ordnung; denn das ursach- liche Gesetz ist vielmehr dem logischen, ebenso wie dem mathe- matischen, unterworfen, nicht das logische, das mathematische dem ursachlichen. Hiergegen wird man vielleicht noch einwenden: Sätze wie 2 × 2 = 4, oder das A = A der Logiker, enthalten zwar un- mittelbar keine Aussage über Thatsachen im zeitlichen Sinn, aber, wenn sie sich nicht schliesslich doch auf solche zurückbezögen, wären sie ohne alle Anwendung auf Wirkliches, mithin ohne wahren Erkenntniswert. Denn nur Thatsachen sind wirklich. Der Satz 2 × 2 = 4 besagt, vollständig aus- gedacht: allemal wann etwas in zeitlicher Wirklichkeit 2 × 2 ist, eben dann ist es auch 4. Der Satz gilt unter- schiedslos in aller Zeit, darum braucht keine Zeitbestimmung in seinen allgemeinen Ausdruck aufgenommen zu werden; sie ist aber darum doch hinzuzudenken, nämlich in jedem Fall der Anwendung. Ohne Anwendung aber ist ein Gesetz über- haupt nur eine Formel auf dem Papier. Darauf ist schlicht zu antworten: dass nach der logischen Abhängigkeit hier allein die Frage ist. Alle Möglichkeit von Zeitbestimmung aber hängt logisch ab von den Gesetzen der Zahl und Grösse; also können nicht umgekehrt die Ge- setze der Zahl und Grösse von Zeitbestimmung, im gleichen logischen Verhältnis, abhängen; das wäre widersinnig. Und

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Zitationshilfe: Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/34>, abgerufen am 21.11.2024.