mit sich hat kämpfen müssen, wird zwar vielleicht die erlebte innere Aufrüttelung auch später nicht aus seinem Bildungsgang wegwünschen, aber die Erinnerung daran wird ihm zeitlebens peinlich bleiben, dass ihm zugemutet wurde, bei seiner Seelen Seligkeit für dies und ein andres Leben sich in einem be- stimmten Sinne zu entscheiden, bis dann und dann, und vor versammelter Gemeinde feierlich Zeugnis davon abzulegen.
Es ist darum nicht meine Meinung, dass die religiösen Begriffe in absichtlicher Kälte und Gleichgültigkeit gegen den Gefühlsgehalt, der sich unter ihnen birgt, sollten dargelegt werden. Da vielmehr die ganze Bedeutung der Religion im Gefühl liegt, da auch die religiösen Begriffe nur aus diesem Quell ihre Nahrung ziehen, so muss man im Gegenteil wünschen, dass sie nur auf der Grundlage eines starken religiösen Em- pfindens zu erwachsen scheinen, d. h. wir wünschen als Re- ligionslehrer Menschen, denen Religion Herzenssache ist, die für ihren Gefühlsgehalt zum wenigsten nicht empfindungslos sind. Dass Menschen zur Religion kommen, und gerade zu dieser, wird nur verständlich aus dem seelischen Konflikt, von dem eigentlich das religiöse Pathos sich nährt: ist Gott und gilt für den Menschen sein heiliges Gebot, so vermag er doch als Mensch nicht es zu erfüllen, er ist also gegen Gott in ewiger Schuld; wer erlöst ihn von dieser Schuld? Nur Gott selbst, eben indem wir ihn in unsre Seele aufnehmen und ganz in ihm leben. Dies, und so der ganze Gedankengang der Er- lösungslehre, lässt sich nach seiner Gefühlsbedeutung auch dem verständlich machen, der diese Lehre als Dogma sich nicht anzueignen vermag, dem der zu Grunde liegende wahre Kon- flikt sich einmal anders, oder auch gar nicht, lösen wird. Auch er kann das verstehen, als ein ungeheures Drama, an die Seele greifend wie kein andres, weil es den Menschen, jeden besonders und das Geschlecht im ganzen, so unmittelbar im Innersten trifft wie kein andres. In solchem Sinn vor die Frage der Religion gestellt zu werden, kann, auch in sitt- licher Absicht, dem heranreifenden Menschen sicherlich nicht schädlich sein; ausser wenn, wie freilich jetzt, die Forde- rung der Entscheidung und zwar in einem ausschliesslichen
mit sich hat kämpfen müssen, wird zwar vielleicht die erlebte innere Aufrüttelung auch später nicht aus seinem Bildungsgang wegwünschen, aber die Erinnerung daran wird ihm zeitlebens peinlich bleiben, dass ihm zugemutet wurde, bei seiner Seelen Seligkeit für dies und ein andres Leben sich in einem be- stimmten Sinne zu entscheiden, bis dann und dann, und vor versammelter Gemeinde feierlich Zeugnis davon abzulegen.
Es ist darum nicht meine Meinung, dass die religiösen Begriffe in absichtlicher Kälte und Gleichgültigkeit gegen den Gefühlsgehalt, der sich unter ihnen birgt, sollten dargelegt werden. Da vielmehr die ganze Bedeutung der Religion im Gefühl liegt, da auch die religiösen Begriffe nur aus diesem Quell ihre Nahrung ziehen, so muss man im Gegenteil wünschen, dass sie nur auf der Grundlage eines starken religiösen Em- pfindens zu erwachsen scheinen, d. h. wir wünschen als Re- ligionslehrer Menschen, denen Religion Herzenssache ist, die für ihren Gefühlsgehalt zum wenigsten nicht empfindungslos sind. Dass Menschen zur Religion kommen, und gerade zu dieser, wird nur verständlich aus dem seelischen Konflikt, von dem eigentlich das religiöse Pathos sich nährt: ist Gott und gilt für den Menschen sein heiliges Gebot, so vermag er doch als Mensch nicht es zu erfüllen, er ist also gegen Gott in ewiger Schuld; wer erlöst ihn von dieser Schuld? Nur Gott selbst, eben indem wir ihn in unsre Seele aufnehmen und ganz in ihm leben. Dies, und so der ganze Gedankengang der Er- lösungslehre, lässt sich nach seiner Gefühlsbedeutung auch dem verständlich machen, der diese Lehre als Dogma sich nicht anzueignen vermag, dem der zu Grunde liegende wahre Kon- flikt sich einmal anders, oder auch gar nicht, lösen wird. Auch er kann das verstehen, als ein ungeheures Drama, an die Seele greifend wie kein andres, weil es den Menschen, jeden besonders und das Geschlecht im ganzen, so unmittelbar im Innersten trifft wie kein andres. In solchem Sinn vor die Frage der Religion gestellt zu werden, kann, auch in sitt- licher Absicht, dem heranreifenden Menschen sicherlich nicht schädlich sein; ausser wenn, wie freilich jetzt, die Forde- rung der Entscheidung und zwar in einem ausschliesslichen
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mit sich hat kämpfen müssen, wird zwar vielleicht die erlebte
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wegwünschen, aber die Erinnerung daran wird ihm zeitlebens
peinlich bleiben, dass ihm zugemutet wurde, bei seiner Seelen
Seligkeit für dies und ein andres Leben sich in einem be-
stimmten Sinne zu entscheiden, bis dann und dann, und vor
versammelter Gemeinde feierlich Zeugnis davon abzulegen.
Es ist darum nicht meine Meinung, dass die religiösen
Begriffe in absichtlicher Kälte und Gleichgültigkeit gegen den
Gefühlsgehalt, der sich unter ihnen birgt, sollten dargelegt
werden. Da vielmehr die ganze Bedeutung der Religion im
Gefühl liegt, da auch die religiösen Begriffe nur aus diesem
Quell ihre Nahrung ziehen, so muss man im Gegenteil wünschen,
dass sie nur auf der Grundlage eines starken religiösen Em-
pfindens zu erwachsen scheinen, d. h. wir wünschen als Re-
ligionslehrer Menschen, denen Religion Herzenssache ist, die
für ihren Gefühlsgehalt zum wenigsten nicht empfindungslos
sind. Dass Menschen zur Religion kommen, und gerade zu
dieser, wird nur verständlich aus dem seelischen Konflikt, von
dem eigentlich das religiöse Pathos sich nährt: ist Gott und
gilt für den Menschen sein heiliges Gebot, so vermag er doch
als Mensch nicht es zu erfüllen, er ist also gegen Gott in
ewiger Schuld; wer erlöst ihn von dieser Schuld? Nur Gott
selbst, eben indem wir ihn in unsre Seele aufnehmen und ganz
in ihm leben. Dies, und so der ganze Gedankengang der Er-
lösungslehre, lässt sich nach seiner Gefühlsbedeutung auch dem
verständlich machen, der diese Lehre als Dogma sich nicht
anzueignen vermag, dem der zu Grunde liegende wahre Kon-
flikt sich einmal anders, oder auch gar nicht, lösen wird. Auch
er kann das verstehen, als ein ungeheures Drama, an die
Seele greifend wie kein andres, weil es den Menschen, jeden
besonders und das Geschlecht im ganzen, so unmittelbar im
Innersten trifft wie kein andres. In solchem Sinn vor die
Frage der Religion gestellt zu werden, kann, auch in sitt-
licher Absicht, dem heranreifenden Menschen sicherlich nicht
schädlich sein; ausser wenn, wie freilich jetzt, die Forde-
rung der Entscheidung und zwar in einem ausschliesslichen
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/363>, abgerufen am 30.11.2024.
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