Abweisen des Irrigen; die bei dem allen leitende Richtung auf Einheit und Uebereinstimmung der Vorstellungen, auf Gesetzeserkenntnis, und wiederum auf die möglichst bestimmte Erfassung, "Feststellung" des Einzelnen, Konkreten -- nichts von alledem geschieht ohne das, was wir Tendenz nannten. Zwar das Ziel der theoretischen Erkenntnis ist die möglichst tendenzfreie Darstellung dessen was "ist"; aber grade die Aus- schliessung jedes Einflusses anderweitiger Tendenzen, zu Gunsten der einen, auf reine Herausarbeitung der Objektivität, fordert strenge geistige Zusammennehmung, die deutlichst den Charakter einer energischen Anspannung der Aktivität des Bewusstseins trägt.
Aus unsrer Ableitung (§ 6) ergiebt sich, dass diesem so weitreichenden Momente der Tendenz nichts andres als jene dem praktischen Bewusstsein ursprünglich eigene Rich- tung auf einen letzten, im Unendlichen liegenden Ziel- oder Vereinigungspunkt alles Mannigfaltigen der Erfahrung schliess- lich zu Grunde liegt, und darin zum erst dämmernden, dann klareren und klareren Bewusstsein sich erhebt. Nur daraus versteht sich das Eigentümliche des praktischen Bewusstseins überhaupt: Richtung auf etwas als Seinsollendes.
Der Empirismus freilich muss eine solche Erklärung grund- sätzlich ablehnen; er gerät dadurch aber in die Verlegenheit, Tendenz als irgendwie ursprüngliches Bewusstseinsmoment eigentlich leugnen zu müssen *), nämlich das sogenannte Be- gehren oder Streben bezw. Widerstreben rein aufzulösen in ein Vorausvorstellen des Erstrebten oder Abgelehnten, und ein mit diesem Vorstellen sich verknüpfendes Lust- oder Un- lustgefühl. Dazu kommt dann zwar in der Willenshandlung selbst noch die Auslösung eines Bewegungsimpulses, die aber nun ganz im Gebiete des Physischen zu verbleiben scheint, oder sich im Bewusstsein wenigstens nicht anders reflektieren soll als wiederum in Vorstellung und Gefühl (Lust--Unlust).
*) Charakteristisch dafür ist v. Ehrenfels' Psychologie des Begehrens (Werttheorie, 1. Band) -- die eigentlich darauf hinauskommt, dass es kein Begehren giebt.
Abweisen des Irrigen; die bei dem allen leitende Richtung auf Einheit und Uebereinstimmung der Vorstellungen, auf Gesetzeserkenntnis, und wiederum auf die möglichst bestimmte Erfassung, „Feststellung“ des Einzelnen, Konkreten — nichts von alledem geschieht ohne das, was wir Tendenz nannten. Zwar das Ziel der theoretischen Erkenntnis ist die möglichst tendenzfreie Darstellung dessen was „ist“; aber grade die Aus- schliessung jedes Einflusses anderweitiger Tendenzen, zu Gunsten der einen, auf reine Herausarbeitung der Objektivität, fordert strenge geistige Zusammennehmung, die deutlichst den Charakter einer energischen Anspannung der Aktivität des Bewusstseins trägt.
Aus unsrer Ableitung (§ 6) ergiebt sich, dass diesem so weitreichenden Momente der Tendenz nichts andres als jene dem praktischen Bewusstsein ursprünglich eigene Rich- tung auf einen letzten, im Unendlichen liegenden Ziel- oder Vereinigungspunkt alles Mannigfaltigen der Erfahrung schliess- lich zu Grunde liegt, und darin zum erst dämmernden, dann klareren und klareren Bewusstsein sich erhebt. Nur daraus versteht sich das Eigentümliche des praktischen Bewusstseins überhaupt: Richtung auf etwas als Seinsollendes.
Der Empirismus freilich muss eine solche Erklärung grund- sätzlich ablehnen; er gerät dadurch aber in die Verlegenheit, Tendenz als irgendwie ursprüngliches Bewusstseinsmoment eigentlich leugnen zu müssen *), nämlich das sogenannte Be- gehren oder Streben bezw. Widerstreben rein aufzulösen in ein Vorausvorstellen des Erstrebten oder Abgelehnten, und ein mit diesem Vorstellen sich verknüpfendes Lust- oder Un- lustgefühl. Dazu kommt dann zwar in der Willenshandlung selbst noch die Auslösung eines Bewegungsimpulses, die aber nun ganz im Gebiete des Physischen zu verbleiben scheint, oder sich im Bewusstsein wenigstens nicht anders reflektieren soll als wiederum in Vorstellung und Gefühl (Lust—Unlust).
*) Charakteristisch dafür ist v. Ehrenfels’ Psychologie des Begehrens (Werttheorie, 1. Band) — die eigentlich darauf hinauskommt, dass es kein Begehren giebt.
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Abweisen des Irrigen; die bei dem allen leitende Richtung
auf Einheit und Uebereinstimmung der Vorstellungen, auf
Gesetzeserkenntnis, und wiederum auf die möglichst bestimmte
Erfassung, „Feststellung“ des Einzelnen, Konkreten — nichts
von alledem geschieht ohne das, was wir Tendenz nannten.
Zwar das Ziel der theoretischen Erkenntnis ist die möglichst
tendenzfreie Darstellung dessen was „ist“; aber grade die Aus-
schliessung jedes Einflusses anderweitiger Tendenzen, zu
Gunsten der einen, auf reine Herausarbeitung der Objektivität,
fordert strenge geistige Zusammennehmung, die deutlichst den
Charakter einer energischen Anspannung der Aktivität des
Bewusstseins trägt.
Aus unsrer Ableitung (§ 6) ergiebt sich, dass diesem so
weitreichenden Momente der Tendenz nichts andres als jene
dem praktischen Bewusstsein ursprünglich eigene Rich-
tung auf einen letzten, im Unendlichen liegenden Ziel- oder
Vereinigungspunkt alles Mannigfaltigen der Erfahrung schliess-
lich zu Grunde liegt, und darin zum erst dämmernden, dann
klareren und klareren Bewusstsein sich erhebt. Nur daraus
versteht sich das Eigentümliche des praktischen Bewusstseins
überhaupt: Richtung auf etwas als Seinsollendes.
Der Empirismus freilich muss eine solche Erklärung grund-
sätzlich ablehnen; er gerät dadurch aber in die Verlegenheit,
Tendenz als irgendwie ursprüngliches Bewusstseinsmoment
eigentlich leugnen zu müssen *), nämlich das sogenannte Be-
gehren oder Streben bezw. Widerstreben rein aufzulösen in
ein Vorausvorstellen des Erstrebten oder Abgelehnten, und
ein mit diesem Vorstellen sich verknüpfendes Lust- oder Un-
lustgefühl. Dazu kommt dann zwar in der Willenshandlung
selbst noch die Auslösung eines Bewegungsimpulses, die aber
nun ganz im Gebiete des Physischen zu verbleiben scheint,
oder sich im Bewusstsein wenigstens nicht anders reflektieren
soll als wiederum in Vorstellung und Gefühl (Lust—Unlust).
*) Charakteristisch dafür ist v. Ehrenfels’ Psychologie des Begehrens
(Werttheorie, 1. Band) — die eigentlich darauf hinauskommt, dass es kein
Begehren giebt.
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/66>, abgerufen am 16.07.2024.
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