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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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II. Theil.
Von denen Museis, so in vorigen Zeiten be-
kandt gewesen, itzo aber meist unbekandt und viel-
leicht gar nicht mehr vorhanden.

ES hat ein curieuser Leser im vorhergehenden Theile schon eine
ziemliche Anzahl solcher Oerter besehen, woselbst edle Gemüther
ihr Vergnügen in Besuchung curieuser Raritäten-Behältnisse
ein sattsames Genügen haben können. Doch man darff nicht
gedencken, daß diese darinn angeführte die gantze Summa derselben sey, son-
dern es ist mir wohl bewust, daß noch hie und da viele rückständig geblieben.
Denn zum Theil ist es eine Unmöglichkeit von allen Kunst-Kammern oder
Cabinetten bey Privat-Personen in allen und ieden Städten Kundschafft
und behörliche Nachricht einziehen zu können, es wäre denn, daß einer ent-
weder perfönlich die gantze Welt durchreisen, oder wenigstens eine Corre-
spondenz
in Süd, Nord, Osten und Westen deßwegen anstellen, und auf
eine solche Weise alle dergleichen curieuse Behältnisse zusammen tragen
wolte: Da aber hie Mühe und Kosten gleiche Wage halten würden, so will
ich lieber den Ruhm eines solchen weitläufftigen Wercks andern überlassen.
Zudem so lässet es sich dennoch von Privat-Cabinetten mit keiner sichern
Gewißheit an diesem oder jenem Orte schreiben, weil solche innerhalb kurtzer
Frist und Zeit bald in ihrem guten Stand seyn, bald an andere Orte trans-
muti
ret, ja bald gar distrahiret, oder an die meistbietenden verkaufft wer-
den; dergleichen Gewohnheiten aber billig zu tadeln sind, wenn der mühsa-
me Fleiß und die unverdrossene Arbeit manches vortrefflichen Mannes von
den nachbleibenden Erben so wenig aestimiret wird, daß solche bisweilen
um nur eines geringen Gewinstes willen, und nur einen Thaler Geld daraus
zu lösen, an allen und ieden Orten ausgeboten wird, in deren Colligirung
doch mancher, der solches vorhero im Besitz gehabt, sich wol die gantze Zeit
seines Lebens Mühe gegeben hat. Jch will nicht sagen, daß die Wittwe oder
hinterlassene Kinder oder Erben eines solchen Mannes eben verpflichtet seyn
sollen, den gesammleten curieusen Vorrath, nach Ableben des Besitzers,
absolute zu behalten; denn solches würde, und um so viel mehr, da die Hinter-
lassene selber keinen Nutzen davon haben könten, nur eine Thorheit seyn:

Da-
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II. Theil.
Von denen Muſeis, ſo in vorigen Zeiten be-
kandt geweſen, itzo aber meiſt unbekandt und viel-
leicht gar nicht mehr vorhanden.

ES hat ein curieuſer Leſer im vorhergehenden Theile ſchon eine
ziemliche Anzahl ſolcher Oerter beſehen, woſelbſt edle Gemuͤther
ihr Vergnuͤgen in Beſuchung curieuſer Raritaͤten-Behaͤltniſſe
ein ſattſames Genuͤgen haben koͤnnen. Doch man darff nicht
gedencken, daß dieſe darinn angefuͤhrte die gantze Summa derſelben ſey, ſon-
dern es iſt mir wohl bewuſt, daß noch hie und da viele ruͤckſtaͤndig geblieben.
Denn zum Theil iſt es eine Unmoͤglichkeit von allen Kunſt-Kammern oder
Cabinetten bey Privat-Perſonen in allen und ieden Staͤdten Kundſchafft
und behoͤrliche Nachricht einziehen zu koͤnnen, es waͤre denn, daß einer ent-
weder perfoͤnlich die gantze Welt durchreiſen, oder wenigſtens eine Corre-
ſpondenz
in Suͤd, Nord, Oſten und Weſten deßwegen anſtellen, und auf
eine ſolche Weiſe alle dergleichen curieuſe Behaͤltniſſe zuſammen tragen
wolte: Da aber hie Muͤhe und Koſten gleiche Wage halten wuͤrden, ſo will
ich lieber den Ruhm eines ſolchen weitlaͤufftigen Wercks andern uͤberlaſſen.
Zudem ſo laͤſſet es ſich dennoch von Privat-Cabinetten mit keiner ſichern
Gewißheit an dieſem oder jenem Orte ſchreiben, weil ſolche innerhalb kurtzer
Friſt und Zeit bald in ihrem guten Stand ſeyn, bald an andere Orte trans-
muti
ret, ja bald gar diſtrahiret, oder an die meiſtbietenden verkaufft wer-
den; dergleichen Gewohnheiten aber billig zu tadeln ſind, wenn der muͤhſa-
me Fleiß und die unverdroſſene Arbeit manches vortrefflichen Mannes von
den nachbleibenden Erben ſo wenig æſtimiret wird, daß ſolche bisweilen
um nur eines geringen Gewinſtes willen, und nur einen Thaler Geld daraus
zu loͤſen, an allen und ieden Orten ausgeboten wird, in deren Colligirung
doch mancher, der ſolches vorhero im Beſitz gehabt, ſich wol die gantze Zeit
ſeines Lebens Muͤhe gegeben hat. Jch will nicht ſagen, daß die Wittwe oder
hinterlaſſene Kinder oder Erben eines ſolchen Mannes eben verpflichtet ſeyn
ſollen, den geſammleten curieuſen Vorrath, nach Ableben des Beſitzers,
abſolute zu behalten; denn ſolches wuͤrde, und um ſo viel mehr, da die Hinter-
laſſene ſelber keinen Nutzen davon haben koͤnten, nur eine Thorheit ſeyn:

Da-
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[179/0207] II. Theil. Von denen Muſeis, ſo in vorigen Zeiten be- kandt geweſen, itzo aber meiſt unbekandt und viel- leicht gar nicht mehr vorhanden. ES hat ein curieuſer Leſer im vorhergehenden Theile ſchon eine ziemliche Anzahl ſolcher Oerter beſehen, woſelbſt edle Gemuͤther ihr Vergnuͤgen in Beſuchung curieuſer Raritaͤten-Behaͤltniſſe ein ſattſames Genuͤgen haben koͤnnen. Doch man darff nicht gedencken, daß dieſe darinn angefuͤhrte die gantze Summa derſelben ſey, ſon- dern es iſt mir wohl bewuſt, daß noch hie und da viele ruͤckſtaͤndig geblieben. Denn zum Theil iſt es eine Unmoͤglichkeit von allen Kunſt-Kammern oder Cabinetten bey Privat-Perſonen in allen und ieden Staͤdten Kundſchafft und behoͤrliche Nachricht einziehen zu koͤnnen, es waͤre denn, daß einer ent- weder perfoͤnlich die gantze Welt durchreiſen, oder wenigſtens eine Corre- ſpondenz in Suͤd, Nord, Oſten und Weſten deßwegen anſtellen, und auf eine ſolche Weiſe alle dergleichen curieuſe Behaͤltniſſe zuſammen tragen wolte: Da aber hie Muͤhe und Koſten gleiche Wage halten wuͤrden, ſo will ich lieber den Ruhm eines ſolchen weitlaͤufftigen Wercks andern uͤberlaſſen. Zudem ſo laͤſſet es ſich dennoch von Privat-Cabinetten mit keiner ſichern Gewißheit an dieſem oder jenem Orte ſchreiben, weil ſolche innerhalb kurtzer Friſt und Zeit bald in ihrem guten Stand ſeyn, bald an andere Orte trans- mutiret, ja bald gar diſtrahiret, oder an die meiſtbietenden verkaufft wer- den; dergleichen Gewohnheiten aber billig zu tadeln ſind, wenn der muͤhſa- me Fleiß und die unverdroſſene Arbeit manches vortrefflichen Mannes von den nachbleibenden Erben ſo wenig æſtimiret wird, daß ſolche bisweilen um nur eines geringen Gewinſtes willen, und nur einen Thaler Geld daraus zu loͤſen, an allen und ieden Orten ausgeboten wird, in deren Colligirung doch mancher, der ſolches vorhero im Beſitz gehabt, ſich wol die gantze Zeit ſeines Lebens Muͤhe gegeben hat. Jch will nicht ſagen, daß die Wittwe oder hinterlaſſene Kinder oder Erben eines ſolchen Mannes eben verpflichtet ſeyn ſollen, den geſammleten curieuſen Vorrath, nach Ableben des Beſitzers, abſolute zu behalten; denn ſolches wuͤrde, und um ſo viel mehr, da die Hinter- laſſene ſelber keinen Nutzen davon haben koͤnten, nur eine Thorheit ſeyn: Da- Z 2

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/207>, abgerufen am 13.05.2024.