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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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IV. Theil Anmerckungen
Ein Anatomisch Cabinet: Einige Doctores und vornehme Chirurgi,
welche in der Anatomie practiciren, pflegen insgemein ein Cabinet wenig-
stens zu haben, darinnen sie ihre künstliche Operationes zur Curiosität auf-
heben und darstellen.

Man hat auch Bücher-Cabinetter, worinnen ungemeine und allerley
Art rare Bücher, z. E. Herbaria viva, item Bücher, die das Regnum
Animale, Vegetabile
und Minerale mit lebendigen gemahlten Figuren
darstellen.

Endlich und zum Beschluß nennet man dasjenige ein Raritäten-Ca-
binet
überhaupt, worinnen von allerley Arten natürliche und durch die
Kunst gemachte Raritäten zusammen gebracht worden.

Dieses sey kürtzlich geredet von denen mancherley Namen derer Be-
hältnisse
allerley rarer Dinge. Jch finde aber hierbey noch ein und anders
hauptsächlich zu erinnern: Daß es nemlich eine grosse Verwirrung unter
der Benennung dergleichen Behältnisse giebet, und daher bisweilen die
Namen derselbigen sehr ungereimt angebracht werden. Man nennet z. E.
die Gottorfische Raritäten-Kammer insgemein eine Kunst-Kammer,
da doch ihr Vorrath an Naturalibus wol zehenmal grösser, als an Kunst-
Sachen
ist. Deßgleichen wird die Kayserliche zu Wien bloß die Kayserl.
Schatz-Kammer
genannt, obgleich die herrlichsten Naturalia und künst-
lichste Arbeit
in allerley kostbarer Materie den gemeinen Schatz darinn
weit übertreffen. Beyde könten demnach mit weit grösserem Fug ein Her-
tzogliches ein Kayserl. Museum, oder mit dem Universal-Namen eine Ra-
ritäten-Kammer
genannt werden. So ungereimt nun solche übel-an-
gebrachte Namen sind, so schön und wohlgereimt ist es im Gegentheil, wann
man hierinn mit guter Vernunfft verfähret, und die von so manchen vor-
trefflichen Männern mit Mühe ausersonnene Namen Vernunfft- und Ra-
ritäten-mäßig anzubringen weiß: Jch sage Raritäten-mäßig, und verstehe
dadurch solche Benennungen, welche mit denen gesammleten oder zusammen
gebrachten Raritäten überein kommen. Nachdem wir also von den Na-
men
der Raritäten-Behältnisse mit wenigen, so gut es sich hat wollen
thun lassen, gehandelt, so fragt sichs nicht unbillig:

III. Was man denn für Sachen in Raritäten-Kammern
zu sehen bekommt?

Hier wäre es wohl ein köstlich Ding, wann wir einen Universal-Ca-
talogum
könnten hieher setzen, und darauf alle Raritäten specificiren, wel-
che überhaupt in allen dergleichen Behältnissen in der gantzen Welt gefun-

den
IV. Theil Anmerckungen
Ein Anatomiſch Cabinet: Einige Doctores und vornehme Chirurgi,
welche in der Anatomie practiciren, pflegen insgemein ein Cabinet wenig-
ſtens zu haben, darinnen ſie ihre kuͤnſtliche Operationes zur Curioſität auf-
heben und darſtellen.

Man hat auch Buͤcher-Cabinetter, worinnen ungemeine und allerley
Art rare Buͤcher, z. E. Herbaria viva, item Buͤcher, die das Regnum
Animale, Vegetabile
und Minerale mit lebendigen gemahlten Figuren
darſtellen.

Endlich und zum Beſchluß nennet man dasjenige ein Raritaͤten-Ca-
binet
uͤberhaupt, worinnen von allerley Arten natuͤrliche und durch die
Kunſt gemachte Raritaͤten zuſammen gebracht worden.

Dieſes ſey kuͤrtzlich geredet von denen mancherley Namen derer Be-
haͤltniſſe
allerley rarer Dinge. Jch finde aber hierbey noch ein und anders
hauptſaͤchlich zu erinnern: Daß es nemlich eine groſſe Verwirrung unter
der Benennung dergleichen Behaͤltniſſe giebet, und daher bisweilen die
Namen derſelbigen ſehr ungereimt angebracht werden. Man nennet z. E.
die Gottorfiſche Raritaͤten-Kam̃er insgemein eine Kunſt-Kammer,
da doch ihr Vorrath an Naturalibus wol zehenmal groͤſſer, als an Kunſt-
Sachen
iſt. Deßgleichen wird die Kayſerliche zu Wien bloß die Kayſerl.
Schatz-Kammer
genannt, obgleich die herrlichſten Naturalia und kuͤnſt-
lichſte Arbeit
in allerley koſtbarer Materie den gemeinen Schatz darinn
weit uͤbertreffen. Beyde koͤnten demnach mit weit groͤſſerem Fug ein Her-
tzogliches ein Kayſerl. Muſeum, oder mit dem Univerſal-Namen eine Ra-
ritaͤten-Kammer
genannt werden. So ungereimt nun ſolche uͤbel-an-
gebrachte Namen ſind, ſo ſchoͤn und wohlgereimt iſt es im Gegentheil, wann
man hierinn mit guter Vernunfft verfaͤhret, und die von ſo manchen vor-
trefflichen Maͤnnern mit Muͤhe auserſonnene Namen Vernunfft- und Ra-
ritaͤten-maͤßig anzubringen weiß: Jch ſage Raritaͤten-maͤßig, und verſtehe
dadurch ſolche Benennungen, welche mit denen geſammleten oder zuſammen
gebrachten Raritaͤten uͤberein kommen. Nachdem wir alſo von den Na-
men
der Raritaͤten-Behaͤltniſſe mit wenigen, ſo gut es ſich hat wollen
thun laſſen, gehandelt, ſo fragt ſichs nicht unbillig:

III. Was man denn fuͤr Sachen in Raritaͤten-Kammern
zu ſehen bekommt?

Hier waͤre es wohl ein koͤſtlich Ding, wann wir einen Univerſal-Ca-
talogum
koͤnnten hieher ſetzen, und darauf alle Raritaͤten ſpecificiren, wel-
che uͤberhaupt in allen dergleichen Behaͤltniſſen in der gantzen Welt gefun-

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[412/0440] IV. Theil Anmerckungen Ein Anatomiſch Cabinet: Einige Doctores und vornehme Chirurgi, welche in der Anatomie practiciren, pflegen insgemein ein Cabinet wenig- ſtens zu haben, darinnen ſie ihre kuͤnſtliche Operationes zur Curioſität auf- heben und darſtellen. Man hat auch Buͤcher-Cabinetter, worinnen ungemeine und allerley Art rare Buͤcher, z. E. Herbaria viva, item Buͤcher, die das Regnum Animale, Vegetabile und Minerale mit lebendigen gemahlten Figuren darſtellen. Endlich und zum Beſchluß nennet man dasjenige ein Raritaͤten-Ca- binet uͤberhaupt, worinnen von allerley Arten natuͤrliche und durch die Kunſt gemachte Raritaͤten zuſammen gebracht worden. Dieſes ſey kuͤrtzlich geredet von denen mancherley Namen derer Be- haͤltniſſe allerley rarer Dinge. Jch finde aber hierbey noch ein und anders hauptſaͤchlich zu erinnern: Daß es nemlich eine groſſe Verwirrung unter der Benennung dergleichen Behaͤltniſſe giebet, und daher bisweilen die Namen derſelbigen ſehr ungereimt angebracht werden. Man nennet z. E. die Gottorfiſche Raritaͤten-Kam̃er insgemein eine Kunſt-Kammer, da doch ihr Vorrath an Naturalibus wol zehenmal groͤſſer, als an Kunſt- Sachen iſt. Deßgleichen wird die Kayſerliche zu Wien bloß die Kayſerl. Schatz-Kammer genannt, obgleich die herrlichſten Naturalia und kuͤnſt- lichſte Arbeit in allerley koſtbarer Materie den gemeinen Schatz darinn weit uͤbertreffen. Beyde koͤnten demnach mit weit groͤſſerem Fug ein Her- tzogliches ein Kayſerl. Muſeum, oder mit dem Univerſal-Namen eine Ra- ritaͤten-Kammer genannt werden. So ungereimt nun ſolche uͤbel-an- gebrachte Namen ſind, ſo ſchoͤn und wohlgereimt iſt es im Gegentheil, wann man hierinn mit guter Vernunfft verfaͤhret, und die von ſo manchen vor- trefflichen Maͤnnern mit Muͤhe auserſonnene Namen Vernunfft- und Ra- ritaͤten-maͤßig anzubringen weiß: Jch ſage Raritaͤten-maͤßig, und verſtehe dadurch ſolche Benennungen, welche mit denen geſammleten oder zuſammen gebrachten Raritaͤten uͤberein kommen. Nachdem wir alſo von den Na- men der Raritaͤten-Behaͤltniſſe mit wenigen, ſo gut es ſich hat wollen thun laſſen, gehandelt, ſo fragt ſichs nicht unbillig: III. Was man denn fuͤr Sachen in Raritaͤten-Kammern zu ſehen bekommt? Hier waͤre es wohl ein koͤſtlich Ding, wann wir einen Univerſal-Ca- talogum koͤnnten hieher ſetzen, und darauf alle Raritaͤten ſpecificiren, wel- che uͤberhaupt in allen dergleichen Behaͤltniſſen in der gantzen Welt gefun- den

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/440>, abgerufen am 22.11.2024.