Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Theil Anmerckungen
weil eins nach oder aus dem andern nach gesunder Vernunfft fast von selb-
sten folgen würde. Es bedüncket mich eben dieses so leicht und schwer, als
vollkommene oder complete und eine unvollkommene oder mangelhaffte
Sache zu reguliren: Laß jene nun immerhin groß und weitläufftig seyn, so ist
sie doch vollkommen, und also desto eher in erforderliche Vollkom-
menheit zu bringen, dahingegen diese, ob sie gleich eben nicht sonders groß,
wegen ihrer Mangelhafftigkeit desto schwerer, ja wohl gar (wie zerbrochene
Scherben in Ordnung zu bringen,) unmöglich. Zwar wollen unsere
obangeregte Autores den Mangel derer noch nicht würcklich in einer Rari-
täten-Kammer vorhanden seyenden Dingen so lange mit an deren Stelle
gesetzten Abrissen oder kleinen Gemählden ersetzet wissen, welche so lange de-
ren Raum vertreten solten, bis das rechte Original dahin gelanget. Jch
möchte aber wohl fragen, ob iemand der Meynung ist, entweder NB. alle Sor-
ten der Raritäten in der gantzen Welt in seiner Raritäten-Kammer sich an-
zuschaffen, oder ob er es bey dem Vorrath, welchen er habhafft werden kan,
will bewenden lassen? Was den ersten betrifft, so glaube ich schwerlich,
daß ein Mensch von gesunder Vernunfft sich nur einmal die Vorstellung ma-
chen wird, eine complete Zahl aller Geschöpffe der Welt, weder durch seinen
eigenen, noch hundert seines gleichen Fleiß zusammen zu bringen; zumaln sol-
ches ein Wesen, welches die Göttliche Majestät nur allein für sich als eine Ei-
genschafft ihrer unmittelbaren Allmacht behält: Und da denn in Betrach-
tung des grossen Mangels, welcher sich zwischen dieser Vollkommenheit und
der allerzahlreichsten Raritäten-Kammer in der Welt, in Gegenhaltung ei-
nes neben das andere noch um ein weit merckliches betragen wird: Jch sage,
solte man nun zwischen solchen mangelhafften Raum ihre Copeyen setzen,
so würde meiner Vorstellung nach eine Naturalien-Kammer gar in ein Kuf-
ferstich- oder Schildereyen-Gemach verwandelt werden. Will man aber
nach der letzten Art bey einem ordentlichen oder solchen Vorrath es bewenden
lassen, der nach bestem Fleiß und Vermögen piano kan zusammen gebracht
werden; so finde ich desto minder Ursach, warum man dergleichen Abrisse
dieser oder jener Rarität zwischen andern würcklichen Originalien setzen wol-
te, indem es noch allemal Zeit genug, und ein besseres Ansehen giebet, wenn
ein in der Raritäten-Kammer bis dato ermangeltes Stück alsdann, wenn
es von dem Eigener und Besitzer entweder erkaufft, oder demselben verehret
worden, dahinein bringet, und also dieselbige vollkommener machet. Die
wenige Mühe in der Versetzung unter denen raren Dingen ist nicht von so
grosser Importanz, als sie vorgemeldte Autores erzwingen wollen.

Unsere Autores verlangen ferner zur ordentlichen physicalischen Di-

sposition

IV. Theil Anmerckungen
weil eins nach oder aus dem andern nach geſunder Vernunfft faſt von ſelb-
ſten folgen wuͤrde. Es beduͤncket mich eben dieſes ſo leicht und ſchwer, als
vollkommene oder complete und eine unvollkommene oder mangelhaffte
Sache zu reguliren: Laß jene nun immerhin groß und weitlaͤufftig ſeyn, ſo iſt
ſie doch vollkommen, und alſo deſto eher in erforderliche Vollkom-
menheit zu bringen, dahingegen dieſe, ob ſie gleich eben nicht ſonders groß,
wegen ihrer Mangelhafftigkeit deſto ſchwerer, ja wohl gar (wie zerbrochene
Scherben in Ordnung zu bringen,) unmoͤglich. Zwar wollen unſere
obangeregte Autores den Mangel derer noch nicht wuͤrcklich in einer Rari-
taͤten-Kammer vorhanden ſeyenden Dingen ſo lange mit an deren Stelle
geſetzten Abriſſen oder kleinen Gemaͤhlden erſetzet wiſſen, welche ſo lange de-
ren Raum vertreten ſolten, bis das rechte Original dahin gelanget. Jch
moͤchte aber wohl fragen, ob iemand der Meynung iſt, entweder NB. alle Sor-
ten der Raritaͤten in der gantzen Welt in ſeiner Raritaͤten-Kammer ſich an-
zuſchaffen, oder ob er es bey dem Vorrath, welchen er habhafft werden kan,
will bewenden laſſen? Was den erſten betrifft, ſo glaube ich ſchwerlich,
daß ein Menſch von geſunder Vernunfft ſich nur einmal die Vorſtellung ma-
chen wird, eine complete Zahl aller Geſchoͤpffe der Welt, weder durch ſeinen
eigenen, noch hundert ſeines gleichen Fleiß zuſammen zu bringen; zumaln ſol-
ches ein Weſen, welches die Goͤttliche Majeſtaͤt nur allein fuͤr ſich als eine Ei-
genſchafft ihrer unmittelbaren Allmacht behaͤlt: Und da denn in Betrach-
tung des groſſen Mangels, welcher ſich zwiſchen dieſer Vollkommenheit und
der allerzahlreichſten Raritaͤten-Kammer in der Welt, in Gegenhaltung ei-
nes neben das andere noch um ein weit merckliches betragen wird: Jch ſage,
ſolte man nun zwiſchen ſolchen mangelhafften Raum ihre Copeyen ſetzen,
ſo wuͤrde meiner Vorſtellung nach eine Naturalien-Kammer gar in ein Kuf-
ferſtich- oder Schildereyen-Gemach verwandelt werden. Will man aber
nach der letzten Art bey einem ordentlichen oder ſolchen Vorrath es bewenden
laſſen, der nach beſtem Fleiß und Vermoͤgen piano kan zuſammen gebracht
werden; ſo finde ich deſto minder Urſach, warum man dergleichen Abriſſe
dieſer oder jener Raritaͤt zwiſchen andern wuͤrcklichen Originalien ſetzen wol-
te, indem es noch allemal Zeit genug, und ein beſſeres Anſehen giebet, wenn
ein in der Raritaͤten-Kammer bis dato ermangeltes Stuͤck alsdann, wenn
es von dem Eigener und Beſitzer entweder erkaufft, oder demſelben verehret
worden, dahinein bringet, und alſo dieſelbige vollkommener machet. Die
wenige Muͤhe in der Verſetzung unter denen raren Dingen iſt nicht von ſo
groſſer Importanz, als ſie vorgemeldte Autores erzwingen wollen.

Unſere Autores verlangen ferner zur ordentlichen phyſicaliſchen Di-

ſpoſition
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0448" n="420"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Theil Anmerckungen</hi></fw><lb/>
weil eins nach oder aus dem andern nach ge&#x017F;under Vernunfft fa&#x017F;t von &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ten folgen wu&#x0364;rde. Es bedu&#x0364;ncket mich eben die&#x017F;es &#x017F;o leicht und &#x017F;chwer, als<lb/>
vollkommene oder <hi rendition="#aq">complet</hi>e und eine unvollkommene oder mangelhaffte<lb/>
Sache zu <hi rendition="#aq">reguli</hi>ren: Laß jene nun immerhin groß und weitla&#x0364;ufftig &#x017F;eyn, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie doch vollkommen, und al&#x017F;o de&#x017F;to eher in erforderliche Vollkom-<lb/>
menheit zu bringen, dahingegen die&#x017F;e, ob &#x017F;ie gleich eben nicht &#x017F;onders groß,<lb/>
wegen ihrer Mangelhafftigkeit de&#x017F;to &#x017F;chwerer, ja wohl gar (wie zerbrochene<lb/>
Scherben in Ordnung zu bringen,) unmo&#x0364;glich. Zwar wollen un&#x017F;ere<lb/>
obangeregte <hi rendition="#aq">Autores</hi> den Mangel derer noch nicht wu&#x0364;rcklich in einer Rari-<lb/>
ta&#x0364;ten-Kammer vorhanden &#x017F;eyenden Dingen &#x017F;o lange mit an deren Stelle<lb/>
ge&#x017F;etzten Abri&#x017F;&#x017F;en oder kleinen Gema&#x0364;hlden er&#x017F;etzet wi&#x017F;&#x017F;en, welche &#x017F;o lange de-<lb/>
ren Raum vertreten &#x017F;olten, bis das rechte <hi rendition="#aq">Original</hi> dahin gelanget. Jch<lb/>
mo&#x0364;chte aber wohl fragen, ob iemand der Meynung i&#x017F;t, entweder <hi rendition="#aq">NB.</hi> alle Sor-<lb/>
ten der Rarita&#x0364;ten in der gantzen Welt in &#x017F;einer Rarita&#x0364;ten-Kammer &#x017F;ich an-<lb/>
zu&#x017F;chaffen, oder ob er es bey dem Vorrath, welchen er habhafft werden kan,<lb/>
will bewenden la&#x017F;&#x017F;en? Was den er&#x017F;ten betrifft, &#x017F;o glaube ich &#x017F;chwerlich,<lb/>
daß ein Men&#x017F;ch von ge&#x017F;under Vernunfft &#x017F;ich nur einmal die Vor&#x017F;tellung ma-<lb/>
chen wird, eine <hi rendition="#aq">complet</hi>e Zahl aller Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe der Welt, weder durch &#x017F;einen<lb/>
eigenen, noch hundert &#x017F;eines gleichen Fleiß zu&#x017F;ammen zu bringen; zumaln &#x017F;ol-<lb/>
ches ein We&#x017F;en, welches die Go&#x0364;ttliche Maje&#x017F;ta&#x0364;t nur allein fu&#x0364;r &#x017F;ich als eine Ei-<lb/>
gen&#x017F;chafft ihrer unmittelbaren Allmacht beha&#x0364;lt: Und da denn in Betrach-<lb/>
tung des gro&#x017F;&#x017F;en Mangels, welcher &#x017F;ich zwi&#x017F;chen die&#x017F;er Vollkommenheit und<lb/>
der allerzahlreich&#x017F;ten Rarita&#x0364;ten-Kammer in der Welt, in Gegenhaltung ei-<lb/>
nes neben das andere noch um ein weit merckliches betragen wird: Jch &#x017F;age,<lb/>
&#x017F;olte man nun zwi&#x017F;chen &#x017F;olchen mangelhafften Raum ihre Copeyen &#x017F;etzen,<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde meiner Vor&#x017F;tellung nach eine Naturalien-Kammer gar in ein Kuf-<lb/>
fer&#x017F;tich- oder Schildereyen-Gemach verwandelt werden. Will man aber<lb/>
nach der letzten Art bey einem ordentlichen oder &#x017F;olchen Vorrath es bewenden<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, der nach be&#x017F;tem Fleiß und Vermo&#x0364;gen <hi rendition="#aq">piano</hi> kan zu&#x017F;ammen gebracht<lb/>
werden; &#x017F;o finde ich de&#x017F;to minder Ur&#x017F;ach, warum man dergleichen Abri&#x017F;&#x017F;e<lb/>
die&#x017F;er oder jener Rarita&#x0364;t zwi&#x017F;chen andern wu&#x0364;rcklichen <hi rendition="#aq">Originali</hi>en &#x017F;etzen wol-<lb/>
te, indem es noch allemal Zeit genug, und ein be&#x017F;&#x017F;eres An&#x017F;ehen giebet, wenn<lb/>
ein in der Rarita&#x0364;ten-Kammer bis <hi rendition="#aq">dato</hi> ermangeltes Stu&#x0364;ck alsdann, wenn<lb/>
es von dem Eigener und Be&#x017F;itzer entweder erkaufft, oder dem&#x017F;elben verehret<lb/>
worden, dahinein bringet, und al&#x017F;o die&#x017F;elbige vollkommener machet. Die<lb/>
wenige Mu&#x0364;he in der Ver&#x017F;etzung unter denen raren Dingen i&#x017F;t nicht von &#x017F;o<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Importanz,</hi> als &#x017F;ie vorgemeldte <hi rendition="#aq">Autores</hi> erzwingen wollen.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;ere <hi rendition="#aq">Autores</hi> verlangen ferner zur ordentlichen <hi rendition="#aq">phy&#x017F;icali</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Di-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">&#x017F;po&#x017F;ition</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0448] IV. Theil Anmerckungen weil eins nach oder aus dem andern nach geſunder Vernunfft faſt von ſelb- ſten folgen wuͤrde. Es beduͤncket mich eben dieſes ſo leicht und ſchwer, als vollkommene oder complete und eine unvollkommene oder mangelhaffte Sache zu reguliren: Laß jene nun immerhin groß und weitlaͤufftig ſeyn, ſo iſt ſie doch vollkommen, und alſo deſto eher in erforderliche Vollkom- menheit zu bringen, dahingegen dieſe, ob ſie gleich eben nicht ſonders groß, wegen ihrer Mangelhafftigkeit deſto ſchwerer, ja wohl gar (wie zerbrochene Scherben in Ordnung zu bringen,) unmoͤglich. Zwar wollen unſere obangeregte Autores den Mangel derer noch nicht wuͤrcklich in einer Rari- taͤten-Kammer vorhanden ſeyenden Dingen ſo lange mit an deren Stelle geſetzten Abriſſen oder kleinen Gemaͤhlden erſetzet wiſſen, welche ſo lange de- ren Raum vertreten ſolten, bis das rechte Original dahin gelanget. Jch moͤchte aber wohl fragen, ob iemand der Meynung iſt, entweder NB. alle Sor- ten der Raritaͤten in der gantzen Welt in ſeiner Raritaͤten-Kammer ſich an- zuſchaffen, oder ob er es bey dem Vorrath, welchen er habhafft werden kan, will bewenden laſſen? Was den erſten betrifft, ſo glaube ich ſchwerlich, daß ein Menſch von geſunder Vernunfft ſich nur einmal die Vorſtellung ma- chen wird, eine complete Zahl aller Geſchoͤpffe der Welt, weder durch ſeinen eigenen, noch hundert ſeines gleichen Fleiß zuſammen zu bringen; zumaln ſol- ches ein Weſen, welches die Goͤttliche Majeſtaͤt nur allein fuͤr ſich als eine Ei- genſchafft ihrer unmittelbaren Allmacht behaͤlt: Und da denn in Betrach- tung des groſſen Mangels, welcher ſich zwiſchen dieſer Vollkommenheit und der allerzahlreichſten Raritaͤten-Kammer in der Welt, in Gegenhaltung ei- nes neben das andere noch um ein weit merckliches betragen wird: Jch ſage, ſolte man nun zwiſchen ſolchen mangelhafften Raum ihre Copeyen ſetzen, ſo wuͤrde meiner Vorſtellung nach eine Naturalien-Kammer gar in ein Kuf- ferſtich- oder Schildereyen-Gemach verwandelt werden. Will man aber nach der letzten Art bey einem ordentlichen oder ſolchen Vorrath es bewenden laſſen, der nach beſtem Fleiß und Vermoͤgen piano kan zuſammen gebracht werden; ſo finde ich deſto minder Urſach, warum man dergleichen Abriſſe dieſer oder jener Raritaͤt zwiſchen andern wuͤrcklichen Originalien ſetzen wol- te, indem es noch allemal Zeit genug, und ein beſſeres Anſehen giebet, wenn ein in der Raritaͤten-Kammer bis dato ermangeltes Stuͤck alsdann, wenn es von dem Eigener und Beſitzer entweder erkaufft, oder demſelben verehret worden, dahinein bringet, und alſo dieſelbige vollkommener machet. Die wenige Muͤhe in der Verſetzung unter denen raren Dingen iſt nicht von ſo groſſer Importanz, als ſie vorgemeldte Autores erzwingen wollen. Unſere Autores verlangen ferner zur ordentlichen phyſicaliſchen Di- ſpoſition

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/448
Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/448>, abgerufen am 22.11.2024.