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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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IV. Theil Anmerckungen
Glantz derselben und alle andere Schönheiten, mit welchen eine iegliche Crea-
tur von GOtt begabet worden, erwecken bey einem solchen noch fast im Stand
der Unschuld lebenden Kinde eine dergleichen hertzliche Ergötzung. Selbst
unser Heiland JEsus Christus ermuntert uns auch zur angenehmen Be-
trachtung aller natürlichen Dinge, wenn er beym Matth. cap. 6. seine Jün-
ger und Zuhörer also anredet: Sehet die Vögel unter dem Himmel an!
und abermal: Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen!
Jch sage euch, daß auch Salomon in aller seiner Herrlichkeit nicht
bekleidet gewesen ist als derselben eine.
Der gottselige Herr Paul
Gerhard
hat diese Worte des liebreichen Heilandes in diesen gar angeneh-
men Versen verfasset, wenn er in seinem munteren Sommer-Liede also
singet:

Die Bäume stehen voller Laub,
Das Erdreich decket seinen Staub,
Mit einem grünen Kleide:
Narcissen und die Tulipan,
Die ziehen sich viel schöner an,
Als Salomonis Seide.
Die Lerche schwingt sich in die Lufft,
Das Täublein fleugt aus seiner Klufft,
Und macht sich in die Wälder.
Die hochbegabte Nachtigall
Ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Thal und Felder.

Was nun aber Lilien, Tulipanen und anderen schön anzusehenden
Blumen an äusserlicher Schönheit nicht gleich kommt, ist deßwegen nicht
zu verachten, weil vielleicht die Schönheiten seines innerlichen Nutzens desto
vortrefflicher ist. Wie verachtet und gering achten wir ein Gräselein, wir ge-
hen darüber mit Füssen her, und dennoch hat es der allweise Schöpffer nicht
ohne Ursach erschaffen, zumalen die davon zubereitete Artzeneyen wider die
verstopffte Leber, Miltz, Blutspeyen, Fieber, Durchbrüche, Entzündung der
Augen, schwürige Ohren, Zahnschmertzen, Podagrische Geschwulst, zur
Beförderung oder Treibung des Urins und andern Kranckheiten, in der
Medicin ihre besondre Nutzen haben, und die Wurtzel desselben unter die
5. radices aperientes minores gezählet wird. Ein gewisser Autor redet
davon also:

Wenn

IV. Theil Anmerckungen
Glantz derſelben und alle andere Schoͤnheiten, mit welchen eine iegliche Crea-
tur von GOtt begabet worden, erwecken bey einem ſolchen noch faſt im Stand
der Unſchuld lebenden Kinde eine dergleichen hertzliche Ergoͤtzung. Selbſt
unſer Heiland JEſus Chriſtus ermuntert uns auch zur angenehmen Be-
trachtung aller natuͤrlichen Dinge, wenn er beym Matth. cap. 6. ſeine Juͤn-
ger und Zuhoͤrer alſo anredet: Sehet die Voͤgel unter dem Himmel an!
und abermal: Schauet die Lilien auf dem Felde, wie ſie wachſen!
Jch ſage euch, daß auch Salomon in aller ſeiner Herrlichkeit nicht
bekleidet geweſen iſt als derſelben eine.
Der gottſelige Herr Paul
Gerhard
hat dieſe Worte des liebreichen Heilandes in dieſen gar angeneh-
men Verſen verfaſſet, wenn er in ſeinem munteren Sommer-Liede alſo
ſinget:

Die Baͤume ſtehen voller Laub,
Das Erdreich decket ſeinen Staub,
Mit einem gruͤnen Kleide:
Narciſſen und die Tulipan,
Die ziehen ſich viel ſchoͤner an,
Als Salomonis Seide.
Die Lerche ſchwingt ſich in die Lufft,
Das Taͤublein fleugt aus ſeiner Klufft,
Und macht ſich in die Waͤlder.
Die hochbegabte Nachtigall
Ergoͤtzt und fuͤllt mit ihrem Schall
Berg, Huͤgel, Thal und Felder.

Was nun aber Lilien, Tulipanen und anderen ſchoͤn anzuſehenden
Blumen an aͤuſſerlicher Schoͤnheit nicht gleich kommt, iſt deßwegen nicht
zu verachten, weil vielleicht die Schoͤnheiten ſeines innerlichen Nutzens deſto
vortrefflicher iſt. Wie verachtet und gering achten wir ein Graͤſelein, wir ge-
hen daruͤber mit Fuͤſſen her, und dennoch hat es der allweiſe Schoͤpffer nicht
ohne Urſach erſchaffen, zumalen die davon zubereitete Artzeneyen wider die
verſtopffte Leber, Miltz, Blutſpeyen, Fieber, Durchbruͤche, Entzuͤndung der
Augen, ſchwuͤrige Ohren, Zahnſchmertzen, Podagriſche Geſchwulſt, zur
Befoͤrderung oder Treibung des Urins und andern Kranckheiten, in der
Medicin ihre beſondre Nutzen haben, und die Wurtzel deſſelben unter die
5. radices aperientes minores gezaͤhlet wird. Ein gewiſſer Autor redet
davon alſo:

Wenn
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[440/0468] IV. Theil Anmerckungen Glantz derſelben und alle andere Schoͤnheiten, mit welchen eine iegliche Crea- tur von GOtt begabet worden, erwecken bey einem ſolchen noch faſt im Stand der Unſchuld lebenden Kinde eine dergleichen hertzliche Ergoͤtzung. Selbſt unſer Heiland JEſus Chriſtus ermuntert uns auch zur angenehmen Be- trachtung aller natuͤrlichen Dinge, wenn er beym Matth. cap. 6. ſeine Juͤn- ger und Zuhoͤrer alſo anredet: Sehet die Voͤgel unter dem Himmel an! und abermal: Schauet die Lilien auf dem Felde, wie ſie wachſen! Jch ſage euch, daß auch Salomon in aller ſeiner Herrlichkeit nicht bekleidet geweſen iſt als derſelben eine. Der gottſelige Herr Paul Gerhard hat dieſe Worte des liebreichen Heilandes in dieſen gar angeneh- men Verſen verfaſſet, wenn er in ſeinem munteren Sommer-Liede alſo ſinget: Die Baͤume ſtehen voller Laub, Das Erdreich decket ſeinen Staub, Mit einem gruͤnen Kleide: Narciſſen und die Tulipan, Die ziehen ſich viel ſchoͤner an, Als Salomonis Seide. Die Lerche ſchwingt ſich in die Lufft, Das Taͤublein fleugt aus ſeiner Klufft, Und macht ſich in die Waͤlder. Die hochbegabte Nachtigall Ergoͤtzt und fuͤllt mit ihrem Schall Berg, Huͤgel, Thal und Felder. Was nun aber Lilien, Tulipanen und anderen ſchoͤn anzuſehenden Blumen an aͤuſſerlicher Schoͤnheit nicht gleich kommt, iſt deßwegen nicht zu verachten, weil vielleicht die Schoͤnheiten ſeines innerlichen Nutzens deſto vortrefflicher iſt. Wie verachtet und gering achten wir ein Graͤſelein, wir ge- hen daruͤber mit Fuͤſſen her, und dennoch hat es der allweiſe Schoͤpffer nicht ohne Urſach erſchaffen, zumalen die davon zubereitete Artzeneyen wider die verſtopffte Leber, Miltz, Blutſpeyen, Fieber, Durchbruͤche, Entzuͤndung der Augen, ſchwuͤrige Ohren, Zahnſchmertzen, Podagriſche Geſchwulſt, zur Befoͤrderung oder Treibung des Urins und andern Kranckheiten, in der Medicin ihre beſondre Nutzen haben, und die Wurtzel deſſelben unter die 5. radices aperientes minores gezaͤhlet wird. Ein gewiſſer Autor redet davon alſo: Wenn

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/468>, abgerufen am 22.11.2024.