Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.IV. Theil Anmerckungen wiß, daß ein Mensch ohne einige Wissenschafften in der Welt lebendig todtist. Jch will nicht sagen, daß alle Menschen sollen auf Universitäten ziehen, und allda grosse Studia absolviren; gar nicht, sondern ein ieder vernünfftiger Haus-Vater kan bey denen müßigen Stunden, welche ihm seine Handlungs- und Nahrungs-Geschäffte geben, genugsame Gelegenheiten erwählen, da- bey er sich nebst der Versammlung seiner Angehörigen in nützlichen und am meisten erforderlichen Wissenschafften erbauen kan. Unter allen ist nun wol keine in der Welt nützlicher, zum Begriff des Christenthums erbauli- cher, und dahero am allermeisten nothwendiger, als die Wissenschafft in der Betrachtung der Natur und aller natürlicher Dinge, massen da- durch unsre Gemüther aufgemuntert werden, und unser Verstand mehr und mehr Lichts bekommt, die Geschöpffe und Wunder des Allerhöch- sten genauer zu untersuchen, und folglich unser Mund desto mehr zu sei- nem Lob und Preis beweget wird. Hierzu kan er sich auf mancher- ley Weise eine Gelegenheit machen, entweder zur Abends-Zeit, da er nach vollbrachten Geschäfften, es sey in Handlung oder diesem und jenem Handwerck, ein Buch zur Hand nimmt, von dergleichen Materia, deren wir g. L. heutiges Tages in allerley Sprachen unterschiedliche haben, und darinn entweder den Seinigen selbst, oder sich von seiner Eh-Frau oder ei- nem seiner Kinder, etwa eine Stunde, oder so lange man daran Vergnügen findet, daraus vorlesen liesse. Darzu könten einige nützliche Reise-Be- schreibungen dienen, zum Exempel des Monconys, Walther Schultzens, Neit- schitz, Olearii, Salomon Schvveigers, Radzevils, Thevenots, Sandys und viele mehr, welche nebst noch vielen andern schönen Büchern, unter welchen auch vornemlich die curiöse Relationes des Hrn. Happelii, mit grossem Nutzen und Erbauung, sowol in der Natur-als andern guten Wissenschafften zu lesen sind. Noch einer andern Gelegenheit kan sich ein Christlicher Haus- Vater darbey gebrauchen, wann er nemlich und zwar zur angenehmen Früh- lings- und Sommer-Zeit, entweder auf den Wällen der Stadt, oder auch nachdem es eines ieden Gelegenheit giebet, etwa ausser dem Thor oder in ei- nem Garten mit den Seinigen offtermals einen erbaulichen Spatziergang vornimmt, dabey er ihnen alsdann die so vielfältig vor Augen stehende Wun- der des Höchsten erkläret, was nemlich der wol für ein wunderbarer GOtt und unbegreiffliches Wesen müsse seyn, der alle solche schöne Geschöpffe her- vor bringet, und durch seine Macht unterhält, deßgleichen wie groß die Gött- liche Liebe zu uns Menschen seyn müsse, indem alle solche Schönheiten, so wir vor uns sehen, einig und allein zu unserm Gefallen, Lust und Nutz, von ihm, dem mächtigen und allwaltenden Schöpffer Himmels und der Erden, gemacht und geschaffen worden, oder was sonsten einem ieden für zufällige erbau-
IV. Theil Anmerckungen wiß, daß ein Menſch ohne einige Wiſſenſchafften in der Welt lebendig todtiſt. Jch will nicht ſagen, daß alle Menſchen ſollen auf Univerſitäten ziehen, und allda groſſe Studia abſolviren; gar nicht, ſondern ein ieder vernuͤnfftiger Haus-Vater kan bey denen muͤßigen Stunden, welche ihm ſeine Handlungs- und Nahrungs-Geſchaͤffte geben, genugſame Gelegenheiten erwaͤhlen, da- bey er ſich nebſt der Verſammlung ſeiner Angehoͤrigen in nuͤtzlichen und am meiſten erforderlichen Wiſſenſchafften erbauen kan. Unter allen iſt nun wol keine in der Welt nuͤtzlicher, zum Begriff des Chriſtenthums erbauli- cher, und dahero am allermeiſten nothwendiger, als die Wiſſenſchafft in der Betrachtung der Natur und aller natuͤrlicher Dinge, maſſen da- durch unſre Gemuͤther aufgemuntert werden, und unſer Verſtand mehr und mehr Lichts bekommt, die Geſchoͤpffe und Wunder des Allerhoͤch- ſten genauer zu unterſuchen, und folglich unſer Mund deſto mehr zu ſei- nem Lob und Preis beweget wird. Hierzu kan er ſich auf mancher- ley Weiſe eine Gelegenheit machen, entweder zur Abends-Zeit, da er nach vollbrachten Geſchaͤfften, es ſey in Handlung oder dieſem und jenem Handwerck, ein Buch zur Hand nimmt, von dergleichen Materia, deren wir g. L. heutiges Tages in allerley Sprachen unterſchiedliche haben, und darinn entweder den Seinigen ſelbſt, oder ſich von ſeiner Eh-Frau oder ei- nem ſeiner Kinder, etwa eine Stunde, oder ſo lange man daran Vergnuͤgen findet, daraus vorleſen lieſſe. Darzu koͤnten einige nuͤtzliche Reiſe-Be- ſchreibungen dienen, zum Exempel des Monconys, Walther Schultzens, Neit- ſchitz, Olearii, Salomon Schvveigers, Radzevils, Thevenots, Sandys und viele mehr, welche nebſt noch vielen andern ſchoͤnen Buͤchern, unter welchen auch vornemlich die curiöſe Relationes des Hrn. Happelii, mit groſſem Nutzen und Erbauung, ſowol in der Natur-als andern guten Wiſſenſchafften zu leſen ſind. Noch einer andern Gelegenheit kan ſich ein Chriſtlicher Haus- Vater darbey gebrauchen, wann er nemlich und zwar zur angenehmen Fruͤh- lings- und Sommer-Zeit, entweder auf den Waͤllen der Stadt, oder auch nachdem es eines ieden Gelegenheit giebet, etwa auſſer dem Thor oder in ei- nem Garten mit den Seinigen offtermals einen erbaulichen Spatziergang vornimmt, dabey er ihnen alsdann die ſo vielfaͤltig vor Augen ſtehende Wun- der des Hoͤchſten erklaͤret, was nemlich der wol fuͤr ein wunderbarer GOtt und unbegreiffliches Weſen muͤſſe ſeyn, der alle ſolche ſchoͤne Geſchoͤpffe her- vor bringet, und durch ſeine Macht unterhaͤlt, deßgleichen wie groß die Goͤtt- liche Liebe zu uns Menſchen ſeyn muͤſſe, indem alle ſolche Schoͤnheiten, ſo wir vor uns ſehen, einig und allein zu unſerm Gefallen, Luſt und Nutz, von ihm, dem maͤchtigen und allwaltenden Schoͤpffer Himmels und der Erden, gemacht und geſchaffen worden, oder was ſonſten einem ieden fuͤr zufaͤllige erbau-
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wiß, daß ein Menſch ohne einige Wiſſenſchafften in der Welt lebendig todt
iſt. Jch will nicht ſagen, daß alle Menſchen ſollen auf Univerſitäten ziehen,
und allda groſſe Studia abſolviren; gar nicht, ſondern ein ieder vernuͤnfftiger
Haus-Vater kan bey denen muͤßigen Stunden, welche ihm ſeine Handlungs-
und Nahrungs-Geſchaͤffte geben, genugſame Gelegenheiten erwaͤhlen, da-
bey er ſich nebſt der Verſammlung ſeiner Angehoͤrigen in nuͤtzlichen und am
meiſten erforderlichen Wiſſenſchafften erbauen kan. Unter allen iſt nun
wol keine in der Welt nuͤtzlicher, zum Begriff des Chriſtenthums erbauli-
cher, und dahero am allermeiſten nothwendiger, als die Wiſſenſchafft in
der Betrachtung der Natur und aller natuͤrlicher Dinge, maſſen da-
durch unſre Gemuͤther aufgemuntert werden, und unſer Verſtand mehr
und mehr Lichts bekommt, die Geſchoͤpffe und Wunder des Allerhoͤch-
ſten genauer zu unterſuchen, und folglich unſer Mund deſto mehr zu ſei-
nem Lob und Preis beweget wird. Hierzu kan er ſich auf mancher-
ley Weiſe eine Gelegenheit machen, entweder zur Abends-Zeit, da er
nach vollbrachten Geſchaͤfften, es ſey in Handlung oder dieſem und jenem
Handwerck, ein Buch zur Hand nimmt, von dergleichen Materia, deren
wir g. L. heutiges Tages in allerley Sprachen unterſchiedliche haben, und
darinn entweder den Seinigen ſelbſt, oder ſich von ſeiner Eh-Frau oder ei-
nem ſeiner Kinder, etwa eine Stunde, oder ſo lange man daran Vergnuͤgen
findet, daraus vorleſen lieſſe. Darzu koͤnten einige nuͤtzliche Reiſe-Be-
ſchreibungen dienen, zum Exempel des Monconys, Walther Schultzens, Neit-
ſchitz, Olearii, Salomon Schvveigers, Radzevils, Thevenots, Sandys und viele
mehr, welche nebſt noch vielen andern ſchoͤnen Buͤchern, unter welchen auch
vornemlich die curiöſe Relationes des Hrn. Happelii, mit groſſem Nutzen und
Erbauung, ſowol in der Natur-als andern guten Wiſſenſchafften zu
leſen ſind. Noch einer andern Gelegenheit kan ſich ein Chriſtlicher Haus-
Vater darbey gebrauchen, wann er nemlich und zwar zur angenehmen Fruͤh-
lings- und Sommer-Zeit, entweder auf den Waͤllen der Stadt, oder auch
nachdem es eines ieden Gelegenheit giebet, etwa auſſer dem Thor oder in ei-
nem Garten mit den Seinigen offtermals einen erbaulichen Spatziergang
vornimmt, dabey er ihnen alsdann die ſo vielfaͤltig vor Augen ſtehende Wun-
der des Hoͤchſten erklaͤret, was nemlich der wol fuͤr ein wunderbarer GOtt
und unbegreiffliches Weſen muͤſſe ſeyn, der alle ſolche ſchoͤne Geſchoͤpffe her-
vor bringet, und durch ſeine Macht unterhaͤlt, deßgleichen wie groß die Goͤtt-
liche Liebe zu uns Menſchen ſeyn muͤſſe, indem alle ſolche Schoͤnheiten, ſo
wir vor uns ſehen, einig und allein zu unſerm Gefallen, Luſt und Nutz, von
ihm, dem maͤchtigen und allwaltenden Schoͤpffer Himmels und der Erden,
gemacht und geſchaffen worden, oder was ſonſten einem ieden fuͤr zufaͤllige
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