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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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IV. Theil Anmerckungen
accurate, iedoch die ungefähre Grösse und Farbe, weil manches wegen
der ungemeinen Grösse eine Rarität, ausser dem aber kleine ist.
12) Einige wollen, man solle sich bey Kunst-Sachen nicht so lange auf-
halten, als bey Antiquitäten und exotischen Raritäten, und bey die-
sen nicht so lange wie bey Naturalibus. Jch bin aber der Meynung,
daß ie grösser die Rarität bey einem Dinge, es mag ein natürliches
oder Kunst-Stück seyn, desto länger habe man Ursach selbiges zu be-
trachten.
13) Uberhaupt aber ist es gut, daß man sich bey keinem Dinge allzu lange
aufhalte, sondern in allen vernünfftige Maß halte, und das Absehen
eines ieden Dinges considerire.
14) So muß man auch in der Verwunderung über ein und andre Sa-
che sich Vernunfft-mäßig zu moderiren wissen; und daher sich ohne
gewisse Raison solche so leicht nicht mercken lassen. Denn mancher Un-
wissender macht sich offtmals durch seine zur Unzeit angebrachte Ad-
miration
über ein Ding, daran eben nichts sonderlichs rares ist, gar
ridicul.
15) Dagegen ist mancher gar zu kaltsinnig und ehrbar, als wären es
Sachen, die ihm nichts neues seynd; solches prostituiret den Führer,
und macht ihn verdrießlich: Es bezeugen solche auch noch manchmal
dabey ihre Unwissenheit, wenn sie ein unansehnliches aber doch an sich
rares Stück nur schlecht obenhin sehen. Dabey man denn leicht ju-
dici
ren kan, daß ein solcher nach seiner grossen Imagination dennoch
sehr wenigen Begriff von Raritäten zu judiciren hat. Drum ist hie-
rinn auch die Mittelstrasse zu erwählen.
16) Die Vorsichtigkeit ist in Museis auch vonnöthen, damit man nicht
durch Unvorsichtigkeit etwas umstosse, oder fallen lasse und zerbreche,
weil solches disrenommirlich.
17) So will es sich auch nicht schicken, daß man selbst alles herunter lan-
ge, und besehe, sondern ein honetter Mensch lässet sichs von dem Füh-
rer selbst reichen, welches viel besser stehet.
18) Die erste unter diesen Reguln hat erinnert, daß man in Museis rein
gewaschene Hände haben soll: Hier aber will ich erinnern, daß sich ein
ieder ja vor klebenden Händen oder langen Fingern in Acht nehmen
wolle. Es hat zwar diese Erinnerung ein infames Ansehen, weil ih-
re Vollbringung aber sehr fameus, und ich dergleichen Exempel von
dem äusserlichen Ansehen nach reputirlichen Personen erlebt, so habe
ich dieses um so vielmehr als eine Haupt-Regul hieher setzen wollen,
weil
IV. Theil Anmerckungen
accurate, iedoch die ungefaͤhre Groͤſſe und Farbe, weil manches wegen
der ungemeinen Groͤſſe eine Raritaͤt, auſſer dem aber kleine iſt.
12) Einige wollen, man ſolle ſich bey Kunſt-Sachen nicht ſo lange auf-
halten, als bey Antiquitäten und exotiſchen Raritaͤten, und bey die-
ſen nicht ſo lange wie bey Naturalibus. Jch bin aber der Meynung,
daß ie groͤſſer die Raritaͤt bey einem Dinge, es mag ein natuͤrliches
oder Kunſt-Stuͤck ſeyn, deſto laͤnger habe man Urſach ſelbiges zu be-
trachten.
13) Uberhaupt aber iſt es gut, daß man ſich bey keinem Dinge allzu lange
aufhalte, ſondern in allen vernuͤnfftige Maß halte, und das Abſehen
eines ieden Dinges conſiderire.
14) So muß man auch in der Verwunderung uͤber ein und andre Sa-
che ſich Vernunfft-maͤßig zu moderiren wiſſen; und daher ſich ohne
gewiſſe Raiſon ſolche ſo leicht nicht mercken laſſen. Denn mancher Un-
wiſſender macht ſich offtmals durch ſeine zur Unzeit angebrachte Ad-
miration
uͤber ein Ding, daran eben nichts ſonderlichs rares iſt, gar
ridicul.
15) Dagegen iſt mancher gar zu kaltſinnig und ehrbar, als waͤren es
Sachen, die ihm nichts neues ſeynd; ſolches proſtituiret den Fuͤhrer,
und macht ihn verdrießlich: Es bezeugen ſolche auch noch manchmal
dabey ihre Unwiſſenheit, wenn ſie ein unanſehnliches aber doch an ſich
rares Stuͤck nur ſchlecht obenhin ſehen. Dabey man denn leicht ju-
dici
ren kan, daß ein ſolcher nach ſeiner groſſen Imagination dennoch
ſehr wenigen Begriff von Raritaͤten zu judiciren hat. Drum iſt hie-
rinn auch die Mittelſtraſſe zu erwaͤhlen.
16) Die Vorſichtigkeit iſt in Muſeis auch vonnoͤthen, damit man nicht
durch Unvorſichtigkeit etwas umſtoſſe, oder fallen laſſe und zerbreche,
weil ſolches disrenommirlich.
17) So will es ſich auch nicht ſchicken, daß man ſelbſt alles herunter lan-
ge, und beſehe, ſondern ein honetter Menſch laͤſſet ſichs von dem Fuͤh-
rer ſelbſt reichen, welches viel beſſer ſtehet.
18) Die erſte unter dieſen Reguln hat erinnert, daß man in Muſeis rein
gewaſchene Haͤnde haben ſoll: Hier aber will ich erinnern, daß ſich ein
ieder ja vor klebenden Haͤnden oder langen Fingern in Acht nehmen
wolle. Es hat zwar dieſe Erinnerung ein infames Anſehen, weil ih-
re Vollbringung aber ſehr fameus, und ich dergleichen Exempel von
dem aͤuſſerlichen Anſehen nach reputirlichen Perſonen erlebt, ſo habe
ich dieſes um ſo vielmehr als eine Haupt-Regul hieher ſetzen wollen,
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[456/0484] IV. Theil Anmerckungen accurate, iedoch die ungefaͤhre Groͤſſe und Farbe, weil manches wegen der ungemeinen Groͤſſe eine Raritaͤt, auſſer dem aber kleine iſt. 12) Einige wollen, man ſolle ſich bey Kunſt-Sachen nicht ſo lange auf- halten, als bey Antiquitäten und exotiſchen Raritaͤten, und bey die- ſen nicht ſo lange wie bey Naturalibus. Jch bin aber der Meynung, daß ie groͤſſer die Raritaͤt bey einem Dinge, es mag ein natuͤrliches oder Kunſt-Stuͤck ſeyn, deſto laͤnger habe man Urſach ſelbiges zu be- trachten. 13) Uberhaupt aber iſt es gut, daß man ſich bey keinem Dinge allzu lange aufhalte, ſondern in allen vernuͤnfftige Maß halte, und das Abſehen eines ieden Dinges conſiderire. 14) So muß man auch in der Verwunderung uͤber ein und andre Sa- che ſich Vernunfft-maͤßig zu moderiren wiſſen; und daher ſich ohne gewiſſe Raiſon ſolche ſo leicht nicht mercken laſſen. Denn mancher Un- wiſſender macht ſich offtmals durch ſeine zur Unzeit angebrachte Ad- miration uͤber ein Ding, daran eben nichts ſonderlichs rares iſt, gar ridicul. 15) Dagegen iſt mancher gar zu kaltſinnig und ehrbar, als waͤren es Sachen, die ihm nichts neues ſeynd; ſolches proſtituiret den Fuͤhrer, und macht ihn verdrießlich: Es bezeugen ſolche auch noch manchmal dabey ihre Unwiſſenheit, wenn ſie ein unanſehnliches aber doch an ſich rares Stuͤck nur ſchlecht obenhin ſehen. Dabey man denn leicht ju- diciren kan, daß ein ſolcher nach ſeiner groſſen Imagination dennoch ſehr wenigen Begriff von Raritaͤten zu judiciren hat. Drum iſt hie- rinn auch die Mittelſtraſſe zu erwaͤhlen. 16) Die Vorſichtigkeit iſt in Muſeis auch vonnoͤthen, damit man nicht durch Unvorſichtigkeit etwas umſtoſſe, oder fallen laſſe und zerbreche, weil ſolches disrenommirlich. 17) So will es ſich auch nicht ſchicken, daß man ſelbſt alles herunter lan- ge, und beſehe, ſondern ein honetter Menſch laͤſſet ſichs von dem Fuͤh- rer ſelbſt reichen, welches viel beſſer ſtehet. 18) Die erſte unter dieſen Reguln hat erinnert, daß man in Muſeis rein gewaſchene Haͤnde haben ſoll: Hier aber will ich erinnern, daß ſich ein ieder ja vor klebenden Haͤnden oder langen Fingern in Acht nehmen wolle. Es hat zwar dieſe Erinnerung ein infames Anſehen, weil ih- re Vollbringung aber ſehr fameus, und ich dergleichen Exempel von dem aͤuſſerlichen Anſehen nach reputirlichen Perſonen erlebt, ſo habe ich dieſes um ſo vielmehr als eine Haupt-Regul hieher ſetzen wollen, weil

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/484>, abgerufen am 22.11.2024.