Meinen Zweck verfolgend, setzte ich nun- mehr, mit Hülfe meines Matrosen und des Jungen, die Jölle aus und ließ mich von ihnen an den jenseitigen Bord hinüber ru- dern. Als Vorwand meines Besuchs sollte mir ein mitgenommenes lediges Wasserfaß und die kleine Nothlüge dienen, daß uns un- ser Trinkwasser ausgegangen. Wir kamen dem Schiffe auch glücklich zur Seite, wo wir mit Verwunderung Alles zum Ge- fechte in Bereitschaft fanden; während sie selbst, beim nähern Anblick von uns drei Köpfen, über ihre ausgestandene Furcht lachen mußten.
Meine Bitte um frisches Wasser schien unverdächtig und fand willigen Eingang. Unter der Zeit aber, daß es gezapft und in mein Faß übergefüllt wurde, nahm ich der Gelegenheit wahr, ganz unbefangen nach dem Namen dieses und jenes Landes, das uns eben im Gesichte lag, zu fragen. So erfuhr ich, daß dort hinaus Cap Cantrie, hierwärts aber die Jnsel Lamlach gelegen sey. Jch war nun, zu meiner großen Be- ruhigung, wieder orientirt, ohne mir die arge Blöße gegeben zu haben, meine Unwis- senheit einzugestehen: eben so wenig aber mocht' ich mir auch die Schande anthun, mich hier für einen Steuermann halten zu
Meinen Zweck verfolgend, ſetzte ich nun- mehr, mit Huͤlfe meines Matroſen und des Jungen, die Joͤlle aus und ließ mich von ihnen an den jenſeitigen Bord hinuͤber ru- dern. Als Vorwand meines Beſuchs ſollte mir ein mitgenommenes lediges Waſſerfaß und die kleine Nothluͤge dienen, daß uns un- ſer Trinkwaſſer ausgegangen. Wir kamen dem Schiffe auch gluͤcklich zur Seite, wo wir mit Verwunderung Alles zum Ge- fechte in Bereitſchaft fanden; waͤhrend ſie ſelbſt, beim naͤhern Anblick von uns drei Koͤpfen, uͤber ihre ausgeſtandene Furcht lachen mußten.
Meine Bitte um friſches Waſſer ſchien unverdaͤchtig und fand willigen Eingang. Unter der Zeit aber, daß es gezapft und in mein Faß uͤbergefuͤllt wurde, nahm ich der Gelegenheit wahr, ganz unbefangen nach dem Namen dieſes und jenes Landes, das uns eben im Geſichte lag, zu fragen. So erfuhr ich, daß dort hinaus Cap Cantrie, hierwaͤrts aber die Jnſel Lamlach gelegen ſey. Jch war nun, zu meiner großen Be- ruhigung, wieder orientirt, ohne mir die arge Bloͤße gegeben zu haben, meine Unwiſ- ſenheit einzugeſtehen: eben ſo wenig aber mocht’ ich mir auch die Schande anthun, mich hier fuͤr einen Steuermann halten zu
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Meinen Zweck verfolgend, ſetzte ich nun-
mehr, mit Huͤlfe meines Matroſen und des
Jungen, die Joͤlle aus und ließ mich von
ihnen an den jenſeitigen Bord hinuͤber ru-
dern. Als Vorwand meines Beſuchs ſollte
mir ein mitgenommenes lediges Waſſerfaß
und die kleine Nothluͤge dienen, daß uns un-
ſer Trinkwaſſer ausgegangen. Wir kamen
dem Schiffe auch gluͤcklich zur Seite, wo
wir mit Verwunderung Alles zum Ge-
fechte in Bereitſchaft fanden; waͤhrend ſie
ſelbſt, beim naͤhern Anblick von uns drei
Koͤpfen, uͤber ihre ausgeſtandene Furcht lachen
mußten.
Meine Bitte um friſches Waſſer ſchien
unverdaͤchtig und fand willigen Eingang.
Unter der Zeit aber, daß es gezapft und in
mein Faß uͤbergefuͤllt wurde, nahm ich der
Gelegenheit wahr, ganz unbefangen nach
dem Namen dieſes und jenes Landes, das
uns eben im Geſichte lag, zu fragen. So
erfuhr ich, daß dort hinaus Cap Cantrie,
hierwaͤrts aber die Jnſel Lamlach gelegen
ſey. Jch war nun, zu meiner großen Be-
ruhigung, wieder orientirt, ohne mir die
arge Bloͤße gegeben zu haben, meine Unwiſ-
ſenheit einzugeſtehen: eben ſo wenig aber
mocht’ ich mir auch die Schande anthun,
mich hier fuͤr einen Steuermann halten zu
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/115>, abgerufen am 24.11.2024.
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