Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

es gieng eine hohe See; und wie gerne ich
auch lieber geraden Weges auf Königsberg
gegangen wäre, so blieb hier doch nichts an-
ders zu thun, als in den Pillauer Hafen
einzusetzen. Allein auch dies blieb ein Wag-
stück, wozu Muth gehörte. Sobald jedoch
die nöthigen Vorbereitungen getroffen, die
Kajüten-Fenster vermacht und die Leute auf
ihrem Posten waren, ließ ich das Schiff
vor dem Winde laufen. Glücklich trafen
wir das Fahrwasser zwischen den Haaken;
zugleich aber überflutete uns in der Bran-
dung Eine Sturzwoge nach der Andern von
hinten her; das Schiff stieß auf den Grund;
hob sich jedoch mit der nächsten nachfahren-
den Welle wieder, und ich wäre mit dem
bloßen Schreck davon gekommen, hätte nicht
diese nemliche Welle uns das Steuerruder
aus den Angeln gehoben und davon geführt.
Noch aber verlor ich die Besinnung nicht,
steuerte mit den Segeln, so gut ich ver-
mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn-
weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.

Mein kühnes Beginnen hatte eine Menge
neugieriger Menschen am Bollwerk versamm-
let, und das nur um so mehr, als man
bald auch unser Schiff erkannte. Jch Mei-
nerseits bemerkte unter diesen Zuschauern,
mit wehmüthiger Empfindung, unsers ver-
unglückten Schiffers Frau, die ihre Kinder-

es gieng eine hohe See; und wie gerne ich
auch lieber geraden Weges auf Koͤnigsberg
gegangen waͤre, ſo blieb hier doch nichts an-
ders zu thun, als in den Pillauer Hafen
einzuſetzen. Allein auch dies blieb ein Wag-
ſtuͤck, wozu Muth gehoͤrte. Sobald jedoch
die noͤthigen Vorbereitungen getroffen, die
Kajuͤten-Fenſter vermacht und die Leute auf
ihrem Poſten waren, ließ ich das Schiff
vor dem Winde laufen. Gluͤcklich trafen
wir das Fahrwaſſer zwiſchen den Haaken;
zugleich aber uͤberflutete uns in der Bran-
dung Eine Sturzwoge nach der Andern von
hinten her; das Schiff ſtieß auf den Grund;
hob ſich jedoch mit der naͤchſten nachfahren-
den Welle wieder, und ich waͤre mit dem
bloßen Schreck davon gekommen, haͤtte nicht
dieſe nemliche Welle uns das Steuerruder
aus den Angeln gehoben und davon gefuͤhrt.
Noch aber verlor ich die Beſinnung nicht,
ſteuerte mit den Segeln, ſo gut ich ver-
mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn-
weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.

Mein kuͤhnes Beginnen hatte eine Menge
neugieriger Menſchen am Bollwerk verſamm-
let, und das nur um ſo mehr, als man
bald auch unſer Schiff erkannte. Jch Mei-
nerſeits bemerkte unter dieſen Zuſchauern,
mit wehmuͤthiger Empfindung, unſers ver-
ungluͤckten Schiffers Frau, die ihre Kinder-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="127"/>
es gieng eine hohe See; und wie gerne ich<lb/>
auch lieber geraden Weges auf Ko&#x0364;nigsberg<lb/>
gegangen wa&#x0364;re, &#x017F;o blieb hier doch nichts an-<lb/>
ders zu thun, als in den Pillauer Hafen<lb/>
einzu&#x017F;etzen. Allein auch dies blieb ein Wag-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ck, wozu Muth geho&#x0364;rte. Sobald jedoch<lb/>
die no&#x0364;thigen Vorbereitungen getroffen, die<lb/>
Kaju&#x0364;ten-Fen&#x017F;ter vermacht und die Leute auf<lb/>
ihrem Po&#x017F;ten waren, ließ ich das Schiff<lb/>
vor dem Winde laufen. Glu&#x0364;cklich trafen<lb/>
wir das Fahrwa&#x017F;&#x017F;er zwi&#x017F;chen den Haaken;<lb/>
zugleich aber u&#x0364;berflutete uns in der Bran-<lb/>
dung Eine Sturzwoge nach der Andern von<lb/>
hinten her; das Schiff &#x017F;tieß auf den Grund;<lb/>
hob &#x017F;ich jedoch mit der na&#x0364;ch&#x017F;ten nachfahren-<lb/>
den Welle wieder, und ich wa&#x0364;re mit dem<lb/>
bloßen Schreck davon gekommen, ha&#x0364;tte nicht<lb/>
die&#x017F;e nemliche Welle uns das Steuerruder<lb/>
aus den Angeln gehoben und davon gefu&#x0364;hrt.<lb/>
Noch aber verlor ich die Be&#x017F;innung nicht,<lb/>
&#x017F;teuerte mit den Segeln, &#x017F;o gut ich ver-<lb/>
mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn-<lb/>
weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker.</p><lb/>
        <p>Mein ku&#x0364;hnes Beginnen hatte eine Menge<lb/>
neugieriger Men&#x017F;chen am Bollwerk ver&#x017F;amm-<lb/>
let, und das nur um &#x017F;o mehr, als man<lb/>
bald auch un&#x017F;er Schiff erkannte. Jch Mei-<lb/>
ner&#x017F;eits bemerkte unter die&#x017F;en Zu&#x017F;chauern,<lb/>
mit wehmu&#x0364;thiger Empfindung, un&#x017F;ers ver-<lb/>
unglu&#x0364;ckten Schiffers Frau, die ihre Kinder-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0143] es gieng eine hohe See; und wie gerne ich auch lieber geraden Weges auf Koͤnigsberg gegangen waͤre, ſo blieb hier doch nichts an- ders zu thun, als in den Pillauer Hafen einzuſetzen. Allein auch dies blieb ein Wag- ſtuͤck, wozu Muth gehoͤrte. Sobald jedoch die noͤthigen Vorbereitungen getroffen, die Kajuͤten-Fenſter vermacht und die Leute auf ihrem Poſten waren, ließ ich das Schiff vor dem Winde laufen. Gluͤcklich trafen wir das Fahrwaſſer zwiſchen den Haaken; zugleich aber uͤberflutete uns in der Bran- dung Eine Sturzwoge nach der Andern von hinten her; das Schiff ſtieß auf den Grund; hob ſich jedoch mit der naͤchſten nachfahren- den Welle wieder, und ich waͤre mit dem bloßen Schreck davon gekommen, haͤtte nicht dieſe nemliche Welle uns das Steuerruder aus den Angeln gehoben und davon gefuͤhrt. Noch aber verlor ich die Beſinnung nicht, ſteuerte mit den Segeln, ſo gut ich ver- mochte, und kam endlich bei Pillau, ohn- weit des Bollwerks, wohlbehalten vor Anker. Mein kuͤhnes Beginnen hatte eine Menge neugieriger Menſchen am Bollwerk verſamm- let, und das nur um ſo mehr, als man bald auch unſer Schiff erkannte. Jch Mei- nerſeits bemerkte unter dieſen Zuſchauern, mit wehmuͤthiger Empfindung, unſers ver- ungluͤckten Schiffers Frau, die ihre Kinder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/143
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/143>, abgerufen am 21.11.2024.