auch mein schönes liebes Schiff, sammt Allem, was ich um und an mir hatte, soweit es langte, losschlagen. Das unschuldige Opfer eines schändlichen Betruges, stand ich da, und konnte kaum das Hemde mein nennen, das ich auf dem Leibe trug! Meine einzige letzte Hoffnung beruhte auf dem Ausgange meines in Holland geführten Processes; und selbst auch hier schwand mir mein anfäng- licher Muth je mehr und mehr, je tiefere Blicke ich in das Gewebe rechtlicher Chikane that, das hier von meinen Gegnern angezet- telt wurde, um, wo möglich, Weiß in Schwarz zu verdrehen.
Dieser unselige Rechtshandel bedrohte aber nicht bloß mein geringes Vermögen, sondern griff zugleich tief in meinen ganzen Lebensgang ein und legte meinem aufstre- benden Geiste Hemmketten an, die ihm je län- ger je unerträglicher fielen. Nach der Ein- buße meines eignen Schiffes hätt' ich we- nigstens als Schiffer für fremde Rechnung fahren und meinen mäßigen Erwerb suchen können: allein all augenblicklich gab es, des Processes wegen, in Königsberg gerichtliche Termine, wo ich zur Stelle seyn und Rede und Antwort geben sollte. Gleichwohl woll- ten Frau und Kinder (denn auch der Ehe- seegen hatte sich nach und nach bei mir ein- gestellt) auf eine ehrliche Weise ernährt seyn.
auch mein ſchoͤnes liebes Schiff, ſammt Allem, was ich um und an mir hatte, ſoweit es langte, losſchlagen. Das unſchuldige Opfer eines ſchaͤndlichen Betruges, ſtand ich da, und konnte kaum das Hemde mein nennen, das ich auf dem Leibe trug! Meine einzige letzte Hoffnung beruhte auf dem Ausgange meines in Holland gefuͤhrten Proceſſes; und ſelbſt auch hier ſchwand mir mein anfaͤng- licher Muth je mehr und mehr, je tiefere Blicke ich in das Gewebe rechtlicher Chikane that, das hier von meinen Gegnern angezet- telt wurde, um, wo moͤglich, Weiß in Schwarz zu verdrehen.
Dieſer unſelige Rechtshandel bedrohte aber nicht bloß mein geringes Vermoͤgen, ſondern griff zugleich tief in meinen ganzen Lebensgang ein und legte meinem aufſtre- benden Geiſte Hemmketten an, die ihm je laͤn- ger je unertraͤglicher fielen. Nach der Ein- buße meines eignen Schiffes haͤtt’ ich we- nigſtens als Schiffer fuͤr fremde Rechnung fahren und meinen maͤßigen Erwerb ſuchen koͤnnen: allein all augenblicklich gab es, des Proceſſes wegen, in Koͤnigsberg gerichtliche Termine, wo ich zur Stelle ſeyn und Rede und Antwort geben ſollte. Gleichwohl woll- ten Frau und Kinder (denn auch der Ehe- ſeegen hatte ſich nach und nach bei mir ein- geſtellt) auf eine ehrliche Weiſe ernaͤhrt ſeyn.
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auch mein ſchoͤnes liebes Schiff, ſammt Allem,
was ich um und an mir hatte, ſoweit es
langte, losſchlagen. Das unſchuldige Opfer
eines ſchaͤndlichen Betruges, ſtand ich da,
und konnte kaum das Hemde mein nennen,
das ich auf dem Leibe trug! Meine einzige
letzte Hoffnung beruhte auf dem Ausgange
meines in Holland gefuͤhrten Proceſſes; und
ſelbſt auch hier ſchwand mir mein anfaͤng-
licher Muth je mehr und mehr, je tiefere
Blicke ich in das Gewebe rechtlicher Chikane
that, das hier von meinen Gegnern angezet-
telt wurde, um, wo moͤglich, Weiß in Schwarz
zu verdrehen.
Dieſer unſelige Rechtshandel bedrohte
aber nicht bloß mein geringes Vermoͤgen,
ſondern griff zugleich tief in meinen ganzen
Lebensgang ein und legte meinem aufſtre-
benden Geiſte Hemmketten an, die ihm je laͤn-
ger je unertraͤglicher fielen. Nach der Ein-
buße meines eignen Schiffes haͤtt’ ich we-
nigſtens als Schiffer fuͤr fremde Rechnung
fahren und meinen maͤßigen Erwerb ſuchen
koͤnnen: allein all augenblicklich gab es, des
Proceſſes wegen, in Koͤnigsberg gerichtliche
Termine, wo ich zur Stelle ſeyn und Rede
und Antwort geben ſollte. Gleichwohl woll-
ten Frau und Kinder (denn auch der Ehe-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/252>, abgerufen am 24.11.2024.
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