Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

möchte. -- Da lag ich nun die ganze Nacht
schlaflos, und überdachte, was ich sagen und
verschweigen wollte.

Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch,
fand sich der Lootse ein; der Anker ward
aufgewunden und man machte sich segelfer-
tig; wobei ich treuherzig und nach Kräften
mit Hand anlegte. Unter diesen Beschäfti-
gungen kam endlich auch der Kapitain heran.
Jch ward ihm vorgestellt; und auch seine
erste und natürlichste Frage war: Was ich
auf seinem Schiffe wollte? -- Jch fühlte
mich nun schon ein wenig gefaßter, und gab
ihm über mein Wie und Woher so ziemlich
ehrlichen Bescheid; nur setzte ich hinzu (Und
diese Lüge hat mir nachmals oft bitter leid
gethan: denn mein Oheim war gegen mich
die Gütigkeit selbst, als ob ich sein eigen
Kind wäre Dieser habe mich auf der Reise
oftmals unschuldig geschlagen; wie das denn
auch nur noch gestern geschehen sey. Jch
könne dies nicht länger ertragen; und so
sey ich heimlich weggegangen, und bäte
flehentlich, der Kapitain möchte die Güte
haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne
gut thun.

Nun ich einmal so weit gegangen war,
durft' ich auch die richtige Antwort auf die
weitere Frage nach meines Oheims Namen

moͤchte. — Da lag ich nun die ganze Nacht
ſchlaflos, und uͤberdachte, was ich ſagen und
verſchweigen wollte.

Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch,
fand ſich der Lootſe ein; der Anker ward
aufgewunden und man machte ſich ſegelfer-
tig; wobei ich treuherzig und nach Kraͤften
mit Hand anlegte. Unter dieſen Beſchaͤfti-
gungen kam endlich auch der Kapitain heran.
Jch ward ihm vorgeſtellt; und auch ſeine
erſte und natuͤrlichſte Frage war: Was ich
auf ſeinem Schiffe wollte? — Jch fuͤhlte
mich nun ſchon ein wenig gefaßter, und gab
ihm uͤber mein Wie und Woher ſo ziemlich
ehrlichen Beſcheid; nur ſetzte ich hinzu (Und
dieſe Luͤge hat mir nachmals oft bitter leid
gethan: denn mein Oheim war gegen mich
die Guͤtigkeit ſelbſt, als ob ich ſein eigen
Kind waͤre Dieſer habe mich auf der Reiſe
oftmals unſchuldig geſchlagen; wie das denn
auch nur noch geſtern geſchehen ſey. Jch
koͤnne dies nicht laͤnger ertragen; und ſo
ſey ich heimlich weggegangen, und baͤte
flehentlich, der Kapitain moͤchte die Guͤte
haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne
gut thun.

Nun ich einmal ſo weit gegangen war,
durft’ ich auch die richtige Antwort auf die
weitere Frage nach meines Oheims Namen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="22"/>
mo&#x0364;chte. &#x2014; Da lag ich nun die ganze Nacht<lb/>
&#x017F;chlaflos, und u&#x0364;berdachte, was ich &#x017F;agen und<lb/>
ver&#x017F;chweigen wollte.</p><lb/>
        <p>Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch,<lb/>
fand &#x017F;ich der Loot&#x017F;e ein; der Anker ward<lb/>
aufgewunden und man machte &#x017F;ich &#x017F;egelfer-<lb/>
tig; wobei ich treuherzig und nach Kra&#x0364;ften<lb/>
mit Hand anlegte. Unter die&#x017F;en Be&#x017F;cha&#x0364;fti-<lb/>
gungen kam endlich auch der Kapitain heran.<lb/>
Jch ward ihm vorge&#x017F;tellt; und auch &#x017F;eine<lb/>
er&#x017F;te und natu&#x0364;rlich&#x017F;te Frage war: Was ich<lb/>
auf &#x017F;einem Schiffe wollte? &#x2014; Jch fu&#x0364;hlte<lb/>
mich nun &#x017F;chon ein wenig gefaßter, und gab<lb/>
ihm u&#x0364;ber mein Wie und Woher &#x017F;o ziemlich<lb/>
ehrlichen Be&#x017F;cheid; nur &#x017F;etzte ich hinzu (Und<lb/>
die&#x017F;e Lu&#x0364;ge hat mir nachmals oft bitter leid<lb/>
gethan: denn mein Oheim war gegen mich<lb/>
die Gu&#x0364;tigkeit &#x017F;elb&#x017F;t, als ob ich &#x017F;ein eigen<lb/>
Kind wa&#x0364;re Die&#x017F;er habe mich auf der Rei&#x017F;e<lb/>
oftmals un&#x017F;chuldig ge&#x017F;chlagen; wie das denn<lb/>
auch nur noch ge&#x017F;tern ge&#x017F;chehen &#x017F;ey. Jch<lb/>
ko&#x0364;nne dies nicht la&#x0364;nger ertragen; und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ey ich heimlich weggegangen, und ba&#x0364;te<lb/>
flehentlich, der Kapitain mo&#x0364;chte die Gu&#x0364;te<lb/>
haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne<lb/>
gut thun.</p><lb/>
        <p>Nun ich einmal &#x017F;o weit gegangen war,<lb/>
durft&#x2019; ich auch die richtige Antwort auf die<lb/>
weitere Frage nach meines Oheims Namen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0038] moͤchte. — Da lag ich nun die ganze Nacht ſchlaflos, und uͤberdachte, was ich ſagen und verſchweigen wollte. Am andern Morgen, mit Tages-Anbruch, fand ſich der Lootſe ein; der Anker ward aufgewunden und man machte ſich ſegelfer- tig; wobei ich treuherzig und nach Kraͤften mit Hand anlegte. Unter dieſen Beſchaͤfti- gungen kam endlich auch der Kapitain heran. Jch ward ihm vorgeſtellt; und auch ſeine erſte und natuͤrlichſte Frage war: Was ich auf ſeinem Schiffe wollte? — Jch fuͤhlte mich nun ſchon ein wenig gefaßter, und gab ihm uͤber mein Wie und Woher ſo ziemlich ehrlichen Beſcheid; nur ſetzte ich hinzu (Und dieſe Luͤge hat mir nachmals oft bitter leid gethan: denn mein Oheim war gegen mich die Guͤtigkeit ſelbſt, als ob ich ſein eigen Kind waͤre Dieſer habe mich auf der Reiſe oftmals unſchuldig geſchlagen; wie das denn auch nur noch geſtern geſchehen ſey. Jch koͤnne dies nicht laͤnger ertragen; und ſo ſey ich heimlich weggegangen, und baͤte flehentlich, der Kapitain moͤchte die Guͤte haben, mich anzunehmen. Jch wollte gerne gut thun. Nun ich einmal ſo weit gegangen war, durft’ ich auch die richtige Antwort auf die weitere Frage nach meines Oheims Namen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/38
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/38>, abgerufen am 21.11.2024.