die Stücken davon, unter unsern Füßen, Eins nach dem Andern davontreiben. So wie aber die Ebbe sich immer weiter zurückzog, ließ auch die zertrümmernde Gewalt des Wogen- drangs nach, die uns sonst unausbleiblich in den Abgrund mit fortgerissen hätte; das Ver- deck ward von Wasser frei, und wir konnten wieder einen Gedanken an Rettung fassen.
Es war Mondenschein; und am Lande erblickten wir eine Menge von Menschen, die uns aber, bei unserer noch beträchtlichen Entfernung vom Ufer, nicht helfen konnten. Zwar banden wir ledige Wasserfässer an Taue, und warfen sie über Bord, in der Meynung, daß sie dorthinwärts treiben soll- ten: allein die Strömungen der Ebbe rissen sie vielmehr in der entgegengesetzten Richtung mit sich fort. Jetzt fiel uns ein, daß wir einen Pudel auf dem Schiffe hatten, der wohl an Land schwimmen und die ersehnte Gemeinschaft mit jenen Helfern bewirken könnte, wenn wir ihm ein Tau um den Leib bänden und dieses nach und nach fahren liessen. Es geschah: doch das arme Thier wollte dem Schiff nicht von der Seite; und wenn auch eine Sturzwelle es eine Strecke mit sich fortschleuderte, so kam es doch also- bald wieder zurückgeschwommen und winselte, an Bord aufgenommen zu werden. Verge- bens schlugen wir nach ihm mit Stangen
die Stuͤcken davon, unter unſern Fuͤßen, Eins nach dem Andern davontreiben. So wie aber die Ebbe ſich immer weiter zuruͤckzog, ließ auch die zertruͤmmernde Gewalt des Wogen- drangs nach, die uns ſonſt unausbleiblich in den Abgrund mit fortgeriſſen haͤtte; das Ver- deck ward von Waſſer frei, und wir konnten wieder einen Gedanken an Rettung faſſen.
Es war Mondenſchein; und am Lande erblickten wir eine Menge von Menſchen, die uns aber, bei unſerer noch betraͤchtlichen Entfernung vom Ufer, nicht helfen konnten. Zwar banden wir ledige Waſſerfaͤſſer an Taue, und warfen ſie uͤber Bord, in der Meynung, daß ſie dorthinwaͤrts treiben ſoll- ten: allein die Stroͤmungen der Ebbe riſſen ſie vielmehr in der entgegengeſetzten Richtung mit ſich fort. Jetzt fiel uns ein, daß wir einen Pudel auf dem Schiffe hatten, der wohl an Land ſchwimmen und die erſehnte Gemeinſchaft mit jenen Helfern bewirken koͤnnte, wenn wir ihm ein Tau um den Leib baͤnden und dieſes nach und nach fahren lieſſen. Es geſchah: doch das arme Thier wollte dem Schiff nicht von der Seite; und wenn auch eine Sturzwelle es eine Strecke mit ſich fortſchleuderte, ſo kam es doch alſo- bald wieder zuruͤckgeſchwommen und winſelte, an Bord aufgenommen zu werden. Verge- bens ſchlugen wir nach ihm mit Stangen
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die Stuͤcken davon, unter unſern Fuͤßen, Eins
nach dem Andern davontreiben. So wie aber
die Ebbe ſich immer weiter zuruͤckzog, ließ
auch die zertruͤmmernde Gewalt des Wogen-
drangs nach, die uns ſonſt unausbleiblich in
den Abgrund mit fortgeriſſen haͤtte; das Ver-
deck ward von Waſſer frei, und wir konnten
wieder einen Gedanken an Rettung faſſen.
Es war Mondenſchein; und am Lande
erblickten wir eine Menge von Menſchen,
die uns aber, bei unſerer noch betraͤchtlichen
Entfernung vom Ufer, nicht helfen konnten.
Zwar banden wir ledige Waſſerfaͤſſer an
Taue, und warfen ſie uͤber Bord, in der
Meynung, daß ſie dorthinwaͤrts treiben ſoll-
ten: allein die Stroͤmungen der Ebbe riſſen
ſie vielmehr in der entgegengeſetzten Richtung
mit ſich fort. Jetzt fiel uns ein, daß wir
einen Pudel auf dem Schiffe hatten, der
wohl an Land ſchwimmen und die erſehnte
Gemeinſchaft mit jenen Helfern bewirken
koͤnnte, wenn wir ihm ein Tau um den Leib
baͤnden und dieſes nach und nach fahren
lieſſen. Es geſchah: doch das arme Thier
wollte dem Schiff nicht von der Seite; und
wenn auch eine Sturzwelle es eine Strecke
mit ſich fortſchleuderte, ſo kam es doch alſo-
bald wieder zuruͤckgeſchwommen und winſelte,
an Bord aufgenommen zu werden. Verge-
bens ſchlugen wir nach ihm mit Stangen
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/62>, abgerufen am 16.02.2025.
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