darauf unsre bisherige Zeche zur Sprache. Doch der gute Wirth, den unser trauriges Schicksal erbarmt hatte, war mit unserm Dank und einem herzlichen Gott lohn's! zu- frieden; wir aber wanderten ebenfalls in Gottes Namen wieder den Strand entlang, um unsre zurückgelassenen Unglücksgefährten aufzusuchen.
Noch waren wir indeß keine Meile ge- gangen, als unser Schiffskoch, Namens Ro- loff, uns aufstieß und uns berichtete: Die Oesterreichischen Strandwächter hätten unsre Preussische Flagge von dem zertrümmerten Schiffe am Ufer aufgefischt; die Mannschaft sey hierauf nochmals in ein scharfes Verhör genommen worden und habe sich endlich zu ihrer wahren Landsmannschaft bekennen müs- sen. Von Stund an habe man sie als Kriegsgefangene und mit Härte behandelt; habe sie genöthigt, die Trümmer des Schiffs und der Ladung mit angestrengter Arbeit an's Land bergen zu helfen, zugleich aber auch sie in so genauer Obacht gehalten, daß nicht Einer, ohne militairische Begleitung, sich nur bis zwischen die nächsten Sand-Dünen habe entfernen dürfen. Dennoch sey es ihm selbst in dieser letzten Nacht geglückt, seinen Auf- sehern zu entwischen; und er gedenke nun- mehr nach Dünkirchen zu gehen, wo er in
darauf unſre bisherige Zeche zur Sprache. Doch der gute Wirth, den unſer trauriges Schickſal erbarmt hatte, war mit unſerm Dank und einem herzlichen Gott lohn’s! zu- frieden; wir aber wanderten ebenfalls in Gottes Namen wieder den Strand entlang, um unſre zuruͤckgelaſſenen Ungluͤcksgefaͤhrten aufzuſuchen.
Noch waren wir indeß keine Meile ge- gangen, als unſer Schiffskoch, Namens Ro- loff, uns aufſtieß und uns berichtete: Die Oeſterreichiſchen Strandwaͤchter haͤtten unſre Preuſſiſche Flagge von dem zertruͤmmerten Schiffe am Ufer aufgefiſcht; die Mannſchaft ſey hierauf nochmals in ein ſcharfes Verhoͤr genommen worden und habe ſich endlich zu ihrer wahren Landsmannſchaft bekennen muͤſ- ſen. Von Stund an habe man ſie als Kriegsgefangene und mit Haͤrte behandelt; habe ſie genoͤthigt, die Truͤmmer des Schiffs und der Ladung mit angeſtrengter Arbeit an’s Land bergen zu helfen, zugleich aber auch ſie in ſo genauer Obacht gehalten, daß nicht Einer, ohne militairiſche Begleitung, ſich nur bis zwiſchen die naͤchſten Sand-Duͤnen habe entfernen duͤrfen. Dennoch ſey es ihm ſelbſt in dieſer letzten Nacht gegluͤckt, ſeinen Auf- ſehern zu entwiſchen; und er gedenke nun- mehr nach Duͤnkirchen zu gehen, wo er in
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darauf unſre bisherige Zeche zur Sprache.
Doch der gute Wirth, den unſer trauriges
Schickſal erbarmt hatte, war mit unſerm
Dank und einem herzlichen Gott lohn’s! zu-
frieden; wir aber wanderten ebenfalls in
Gottes Namen wieder den Strand entlang,
um unſre zuruͤckgelaſſenen Ungluͤcksgefaͤhrten
aufzuſuchen.
Noch waren wir indeß keine Meile ge-
gangen, als unſer Schiffskoch, Namens Ro-
loff, uns aufſtieß und uns berichtete: Die
Oeſterreichiſchen Strandwaͤchter haͤtten unſre
Preuſſiſche Flagge von dem zertruͤmmerten
Schiffe am Ufer aufgefiſcht; die Mannſchaft
ſey hierauf nochmals in ein ſcharfes Verhoͤr
genommen worden und habe ſich endlich zu
ihrer wahren Landsmannſchaft bekennen muͤſ-
ſen. Von Stund an habe man ſie als
Kriegsgefangene und mit Haͤrte behandelt;
habe ſie genoͤthigt, die Truͤmmer des Schiffs
und der Ladung mit angeſtrengter Arbeit an’s
Land bergen zu helfen, zugleich aber auch ſie
in ſo genauer Obacht gehalten, daß nicht
Einer, ohne militairiſche Begleitung, ſich nur
bis zwiſchen die naͤchſten Sand-Duͤnen habe
entfernen duͤrfen. Dennoch ſey es ihm ſelbſt
in dieſer letzten Nacht gegluͤckt, ſeinen Auf-
ſehern zu entwiſchen; und er gedenke nun-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/76>, abgerufen am 16.02.2025.
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