so daß Jener vor Schrecken neben mir nie- derstürzte und wie ohne Leben und Besin- nung schien. Jn der That glaubte ich auch nichts gewisser, als daß er von dem Blitz- strahl getroffen worden, bis mein Rütteln und Schütteln ihn endlich doch wieder auf die Beine brachte. "Wo hat es eingeschla- gen?" fragte er, immer noch hochbestürzt. -- "Jch hoffe, nirgends;" war meine Ge- genrede -- "oder mindestens doch nicht ge- zündet, da Regen, Schnee und Hagel die Luft erfüllen und alle Dächer triefen."
Allein im nemlichen Augenblick auch stürzte der Kaufmann, Hr. Steffen, welcher schräg gegenüber wohnte, aus seinem Hause hervor; schlug die Hände über'm Kopfe zusammen; schrie aus Leibeskräften, und richtete dabei den Blick immer nach dem Kirchthurme empor, den er jenseits wahrnehmen konnte. Jch ahndete Unheil; lief also stracks hin- über; mußte aber lange auf ihn einreden, bevor ich's von ihm herauskriegte: "Mein Gott! Unsre arme Stadt! -- Sehn Sie denn nicht? Der Thurm brennt ja lichter- loh!" -- So war es denn auch wirklich. Die helle Flamme sprützte bei der Wetter- stange, gleich einem feurigen Springbrun- nen, empor; aus den Schalllöchern sprüh- ten die Funken umher, wie Schneeflocken,
ſo daß Jener vor Schrecken neben mir nie- derſtuͤrzte und wie ohne Leben und Beſin- nung ſchien. Jn der That glaubte ich auch nichts gewiſſer, als daß er von dem Blitz- ſtrahl getroffen worden, bis mein Ruͤtteln und Schuͤtteln ihn endlich doch wieder auf die Beine brachte. „Wo hat es eingeſchla- gen?‟ fragte er, immer noch hochbeſtuͤrzt. — „Jch hoffe, nirgends;‟ war meine Ge- genrede — „oder mindeſtens doch nicht ge- zuͤndet, da Regen, Schnee und Hagel die Luft erfuͤllen und alle Daͤcher triefen.‟
Allein im nemlichen Augenblick auch ſtuͤrzte der Kaufmann, Hr. Steffen, welcher ſchraͤg gegenuͤber wohnte, aus ſeinem Hauſe hervor; ſchlug die Haͤnde uͤber’m Kopfe zuſammen; ſchrie aus Leibeskraͤften, und richtete dabei den Blick immer nach dem Kirchthurme empor, den er jenſeits wahrnehmen konnte. Jch ahndete Unheil; lief alſo ſtracks hin- uͤber; mußte aber lange auf ihn einreden, bevor ich’s von ihm herauskriegte: „Mein Gott! Unſre arme Stadt! — Sehn Sie denn nicht? Der Thurm brennt ja lichter- loh!‟ — So war es denn auch wirklich. Die helle Flamme ſpruͤtzte bei der Wetter- ſtange, gleich einem feurigen Springbrun- nen, empor; aus den Schallloͤchern ſpruͤh- ten die Funken umher, wie Schneeflocken,
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ſo daß Jener vor Schrecken neben mir nie-
derſtuͤrzte und wie ohne Leben und Beſin-
nung ſchien. Jn der That glaubte ich auch
nichts gewiſſer, als daß er von dem Blitz-
ſtrahl getroffen worden, bis mein Ruͤtteln
und Schuͤtteln ihn endlich doch wieder auf
die Beine brachte. „Wo hat es eingeſchla-
gen?‟ fragte er, immer noch hochbeſtuͤrzt.
— „Jch hoffe, nirgends;‟ war meine Ge-
genrede — „oder mindeſtens doch nicht ge-
zuͤndet, da Regen, Schnee und Hagel die
Luft erfuͤllen und alle Daͤcher triefen.‟
Allein im nemlichen Augenblick auch ſtuͤrzte
der Kaufmann, Hr. Steffen, welcher ſchraͤg
gegenuͤber wohnte, aus ſeinem Hauſe hervor;
ſchlug die Haͤnde uͤber’m Kopfe zuſammen;
ſchrie aus Leibeskraͤften, und richtete dabei
den Blick immer nach dem Kirchthurme
empor, den er jenſeits wahrnehmen konnte.
Jch ahndete Unheil; lief alſo ſtracks hin-
uͤber; mußte aber lange auf ihn einreden,
bevor ich’s von ihm herauskriegte: „Mein
Gott! Unſre arme Stadt! — Sehn Sie
denn nicht? Der Thurm brennt ja lichter-
loh!‟ — So war es denn auch wirklich.
Die helle Flamme ſpruͤtzte bei der Wetter-
ſtange, gleich einem feurigen Springbrun-
nen, empor; aus den Schallloͤchern ſpruͤh-
ten die Funken umher, wie Schneeflocken,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/131>, abgerufen am 18.07.2024.
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