Ungeduld bei ihm voraussetzte. Seine ge- hoffte Antwort blieb mir bald gar zu lange aus; und dies erweckte in mir die Sorge, daß er wohl gar in meinen Rechnungen ei- nigen Anstoß gefunden und deshalb erst noch mit Andern conferiren möchte. Alles, was mir früher von seiner unverträglichen Ge- müthsart gesagt worden, stieg mir wieder zu Kopfe; und da ich noch verschiedene Post- tage wieder vergeblich geharrt hatte, konnt' ich mich länger nicht entbrechen, ihm schrift- lich mein Befremden zu äussern, daß er mich in dieser peinigenden Ungewißheit lasse. Er- regten ihm meine Rechnungen einiges Miß- trauen, und zweifle er an meiner Redlichkeit, so möge er hier in Hamburg einen andern Schiffer bestellen, damit ich mich in Stettin persönlich ausweisen, jeden Zweifelsknoten lösen und meine Ehre sicher stellen könne.
Kaum war dies Document meines Un- muths auf den Weg gegeben, als mit näch- ster Post ein Schreiben von Hrn. Groß ein- lief, das mich in der innersten Seele be- schämte. Er äusserte sich darinn: "Mein lieber Sohn, ich bin mit Jhnen, wie mit Jhren Rech- nungen und Handlungen, herzlich zufrieden. Für Jhre treuen und ehrlichen Dienste übersende ich Jhnen hierneben, als Geschenk, einen Wech- sel von 1000 Mark Hamb. Banco, den Sie sogleich ziehen mögen, damit Sie Geld für
Ungeduld bei ihm vorausſetzte. Seine ge- hoffte Antwort blieb mir bald gar zu lange aus; und dies erweckte in mir die Sorge, daß er wohl gar in meinen Rechnungen ei- nigen Anſtoß gefunden und deshalb erſt noch mit Andern conferiren moͤchte. Alles, was mir fruͤher von ſeiner unvertraͤglichen Ge- muͤthsart geſagt worden, ſtieg mir wieder zu Kopfe; und da ich noch verſchiedene Poſt- tage wieder vergeblich geharrt hatte, konnt’ ich mich laͤnger nicht entbrechen, ihm ſchrift- lich mein Befremden zu aͤuſſern, daß er mich in dieſer peinigenden Ungewißheit laſſe. Er- regten ihm meine Rechnungen einiges Miß- trauen, und zweifle er an meiner Redlichkeit, ſo moͤge er hier in Hamburg einen andern Schiffer beſtellen, damit ich mich in Stettin perſoͤnlich ausweiſen, jeden Zweifelsknoten loͤſen und meine Ehre ſicher ſtellen koͤnne.
Kaum war dies Document meines Un- muths auf den Weg gegeben, als mit naͤch- ſter Poſt ein Schreiben von Hrn. Groß ein- lief, das mich in der innerſten Seele be- ſchaͤmte. Er aͤuſſerte ſich darinn: „Mein lieber Sohn, ich bin mit Jhnen, wie mit Jhren Rech- nungen und Handlungen, herzlich zufrieden. Fuͤr Jhre treuen und ehrlichen Dienſte uͤberſende ich Jhnen hierneben, als Geſchenk, einen Wech- ſel von 1000 Mark Hamb. Banco, den Sie ſogleich ziehen moͤgen, damit Sie Geld fuͤr
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Ungeduld bei ihm vorausſetzte. Seine ge-
hoffte Antwort blieb mir bald gar zu lange
aus; und dies erweckte in mir die Sorge,
daß er wohl gar in meinen Rechnungen ei-
nigen Anſtoß gefunden und deshalb erſt noch
mit Andern conferiren moͤchte. Alles, was
mir fruͤher von ſeiner unvertraͤglichen Ge-
muͤthsart geſagt worden, ſtieg mir wieder
zu Kopfe; und da ich noch verſchiedene Poſt-
tage wieder vergeblich geharrt hatte, konnt’
ich mich laͤnger nicht entbrechen, ihm ſchrift-
lich mein Befremden zu aͤuſſern, daß er mich
in dieſer peinigenden Ungewißheit laſſe. Er-
regten ihm meine Rechnungen einiges Miß-
trauen, und zweifle er an meiner Redlichkeit,
ſo moͤge er hier in Hamburg einen andern
Schiffer beſtellen, damit ich mich in Stettin
perſoͤnlich ausweiſen, jeden Zweifelsknoten
loͤſen und meine Ehre ſicher ſtellen koͤnne.
Kaum war dies Document meines Un-
muths auf den Weg gegeben, als mit naͤch-
ſter Poſt ein Schreiben von Hrn. Groß ein-
lief, das mich in der innerſten Seele be-
ſchaͤmte. Er aͤuſſerte ſich darinn: „Mein lieber
Sohn, ich bin mit Jhnen, wie mit Jhren Rech-
nungen und Handlungen, herzlich zufrieden. Fuͤr
Jhre treuen und ehrlichen Dienſte uͤberſende
ich Jhnen hierneben, als Geſchenk, einen Wech-
ſel von 1000 Mark Hamb. Banco, den Sie
ſogleich ziehen moͤgen, damit Sie Geld fuͤr
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/216>, abgerufen am 02.05.2024.
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