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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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und diese in Lissabon abzusetzen gedächte, die
dort, meiner Erfahrung nach, mit Vortheil
abzusetzen seyn würde. Als Rückfracht liesse
sich, im schlimmsten Falle, wiederum eine La-
dung Seesalz einnehmen und nach Riga ver-
führen.

Herr Groß stand nicht an, diese Vor-
schläge zu genehmigen. Jch nahm, da ich
meine Leute schon im Winter entlassen, neues
Hamburger Schiffsvolk an und trat, in der
Mitte Augusts, die Reise nach Memel an.
Als wir zur Elbe hinaus und gegen Helgo-
land kamen, gieng der Wind in Westnord-
west, und es ward regnichtes und stürmi-
sches Wetter. Mein Steuermann hatte, wie
ich mit Leidwesen bemerkte, etwas zu tief in
die Flasche gesehen. Jch wollte dem Dinge
abhelfen; ließ einen Theekessel mit Wasser
und Wein aufsetzen, und reichte ihm davon
einige Tassen zur Ernüchterung: allein das
schien ihn fast noch mehr zu benebeln. Um
8 Uhr Abends theilte ich die Wachen ein;
demzufolge der Steuermann und das halbe
Volk die Erste bis Mitternacht übernehmen
sollten, und wobei ich den Erstern anwies,
auf keinen Fall östlicher, als Nordost, zu
steuern, um nicht auf Land zu gerathen; bei
dem allermindesten Vorfall aber, der sich er-
eignen könnte, mich sofort zu wecken.

und dieſe in Liſſabon abzuſetzen gedaͤchte, die
dort, meiner Erfahrung nach, mit Vortheil
abzuſetzen ſeyn wuͤrde. Als Ruͤckfracht lieſſe
ſich, im ſchlimmſten Falle, wiederum eine La-
dung Seeſalz einnehmen und nach Riga ver-
fuͤhren.

Herr Groß ſtand nicht an, dieſe Vor-
ſchlaͤge zu genehmigen. Jch nahm, da ich
meine Leute ſchon im Winter entlaſſen, neues
Hamburger Schiffsvolk an und trat, in der
Mitte Auguſts, die Reiſe nach Memel an.
Als wir zur Elbe hinaus und gegen Helgo-
land kamen, gieng der Wind in Weſtnord-
weſt, und es ward regnichtes und ſtuͤrmi-
ſches Wetter. Mein Steuermann hatte, wie
ich mit Leidweſen bemerkte, etwas zu tief in
die Flaſche geſehen. Jch wollte dem Dinge
abhelfen; ließ einen Theekeſſel mit Waſſer
und Wein aufſetzen, und reichte ihm davon
einige Taſſen zur Ernuͤchterung: allein das
ſchien ihn faſt noch mehr zu benebeln. Um
8 Uhr Abends theilte ich die Wachen ein;
demzufolge der Steuermann und das halbe
Volk die Erſte bis Mitternacht uͤbernehmen
ſollten, und wobei ich den Erſtern anwies,
auf keinen Fall oͤſtlicher, als Nordoſt, zu
ſteuern, um nicht auf Land zu gerathen; bei
dem allermindeſten Vorfall aber, der ſich er-
eignen koͤnnte, mich ſofort zu wecken.

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[214/0218] und dieſe in Liſſabon abzuſetzen gedaͤchte, die dort, meiner Erfahrung nach, mit Vortheil abzuſetzen ſeyn wuͤrde. Als Ruͤckfracht lieſſe ſich, im ſchlimmſten Falle, wiederum eine La- dung Seeſalz einnehmen und nach Riga ver- fuͤhren. Herr Groß ſtand nicht an, dieſe Vor- ſchlaͤge zu genehmigen. Jch nahm, da ich meine Leute ſchon im Winter entlaſſen, neues Hamburger Schiffsvolk an und trat, in der Mitte Auguſts, die Reiſe nach Memel an. Als wir zur Elbe hinaus und gegen Helgo- land kamen, gieng der Wind in Weſtnord- weſt, und es ward regnichtes und ſtuͤrmi- ſches Wetter. Mein Steuermann hatte, wie ich mit Leidweſen bemerkte, etwas zu tief in die Flaſche geſehen. Jch wollte dem Dinge abhelfen; ließ einen Theekeſſel mit Waſſer und Wein aufſetzen, und reichte ihm davon einige Taſſen zur Ernuͤchterung: allein das ſchien ihn faſt noch mehr zu benebeln. Um 8 Uhr Abends theilte ich die Wachen ein; demzufolge der Steuermann und das halbe Volk die Erſte bis Mitternacht uͤbernehmen ſollten, und wobei ich den Erſtern anwies, auf keinen Fall oͤſtlicher, als Nordoſt, zu ſteuern, um nicht auf Land zu gerathen; bei dem allermindeſten Vorfall aber, der ſich er- eignen koͤnnte, mich ſofort zu wecken.

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/218>, abgerufen am 27.11.2024.