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Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

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VI.
Kleobulus ein Rhodiser
aus der Stadt Lyndus.

KLEOBULUS ein Lyndier aus der
Jnsel Rhodus/ Evagorens des Königs
aus Cypern Sohn/ war ein starker und
von Leibe sehr schöner Mensch. Die mei-
ken halten dafür/ daß er aus dem Geblüte des
Hercules entsprossen. Man sagt/ er sey die Welt-
veißheit zu erlernen in AEgypten verreiset. Hat
[d]ie gelehrte Jungfer Kleobulina die berühmte
Rätzelpoetin zu einer Tochter gehabt. Den bau-
älligen Minerve-Tempel/ welchen Danaus er-
[b]auet/ hat er wieder angerichtet.

Unter seinen scharfsinnigen Reden ist diese die
[v]ornehmste mit: Wie du in einem grossen und mit
[v]ielem Golde schwer belastetem Schiffe zu fah-
[r]en/ und damit unter zugehen/ nicht begehrest; Al-
[s]o solstu auch/ in einem grossen und prächtigem
Hause zu wohnen/ und also deinen Untergang
[s]elbst zu suchen/ nicht begehren. Er ist im 70sten
Jahre seines Alters zu Linden gestorben.

Folgende Lehrsprüche werden vor die beste ge-
[h]alten:



II.
Dare veniam peccatis, virtuti nocet.
Billich soll ein Obrigkeit alles übersehen mei-
den/

Bleibt das Laster ungestrafft/ muß die Tugend
Schaden leiden.
III. Hae-
VI.
Kleobulus ein Rhodiſer
aus der Stadt Lyndus.

KLEOBULUS ein Lyndier aus der
Jnſel Rhodus/ Evagorens des Koͤnigs
aus Cypern Sohn/ war ein ſtarker und
von Leibe ſehr ſchoͤner Menſch. Die mei-
ken halten dafuͤr/ daß er aus dem Gebluͤte des
Hercules entſproſſen. Man ſagt/ er ſey die Welt-
veißheit zu erlernen in Ægypten verreiſet. Hat
[d]ie gelehrte Jungfer Kleobulina die beruͤhmte
Raͤtzelpoetin zu einer Tochter gehabt. Den bau-
aͤlligen Minerve-Tempel/ welchen Danaus er-
[b]auet/ hat er wieder angerichtet.

Unter ſeinen ſcharfſinnigen Reden iſt dieſe die
[v]ornehmſte mit: Wie du in einem groſſen und mit
[v]ielem Golde ſchwer belaſtetem Schiffe zu fah-
[r]en/ und damit unter zugehen/ nicht begehreſt; Al-
[ſ]o ſolſtu auch/ in einem groſſen und praͤchtigem
Hauſe zu wohnen/ und alſo deinen Untergang
[ſ]elbſt zu ſuchen/ nicht begehren. Er iſt im 70ſten
Jahre ſeines Alters zu Linden geſtorben.

Folgende Lehrſpruͤche werden vor die beſte ge-
[h]alten:



II.
Dare veniam peccatis, virtuti nocet.
Billich ſoll ein Obrigkeit alles uͤberſehen mei-
den/

Bleibt das Laſter ungeſtrafft/ muß die Tugend
Schaden leiden.
III. Hæ-
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[359/0449] VI. Kleobulus ein Rhodiſer aus der Stadt Lyndus. KLEOBULUS ein Lyndier aus der Jnſel Rhodus/ Evagorens des Koͤnigs aus Cypern Sohn/ war ein ſtarker und von Leibe ſehr ſchoͤner Menſch. Die mei- ken halten dafuͤr/ daß er aus dem Gebluͤte des Hercules entſproſſen. Man ſagt/ er ſey die Welt- veißheit zu erlernen in Ægypten verreiſet. Hat die gelehrte Jungfer Kleobulina die beruͤhmte Raͤtzelpoetin zu einer Tochter gehabt. Den bau- aͤlligen Minerve-Tempel/ welchen Danaus er- bauet/ hat er wieder angerichtet. Unter ſeinen ſcharfſinnigen Reden iſt dieſe die vornehmſte mit: Wie du in einem groſſen und mit vielem Golde ſchwer belaſtetem Schiffe zu fah- ren/ und damit unter zugehen/ nicht begehreſt; Al- ſo ſolſtu auch/ in einem groſſen und praͤchtigem Hauſe zu wohnen/ und alſo deinen Untergang ſelbſt zu ſuchen/ nicht begehren. Er iſt im 70ſten Jahre ſeines Alters zu Linden geſtorben. Folgende Lehrſpruͤche werden vor die beſte ge- halten: II. Dare veniam peccatis, virtuti nocet. Billich ſoll ein Obrigkeit alles uͤberſehen mei- den/ Bleibt das Laſter ungeſtrafft/ muß die Tugend Schaden leiden. III. Hæ-

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/449>, abgerufen am 27.07.2024.