Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652.wäldchens erste Abtheilung. JCh hätte nimmermehr bey mir gedenkken können/ Was die getreue Lieb' in manches Menschen Sinnen Vor Schmertzen bringt zuweg' und was sie stifften kan Jm fall ichs nicht gesehn am Schäfer Kloriman. Es jammert seiner mich. Jch wils mit wenig Wörtern Auffs kürtzste wie ich kan/ dir teutsches Blut erörtern/ Nur thu mir diesen Dienst/ du redlichs Hertze du/ Verzeih der schlechten Red' und höre günstig zu: Umb eben jene Zeit/ wenn Föbus mit den Pferden Den Morgen führet ein der Mexikanschen Erden Und bey uns Abend macht/ gieng ich am Weisselfluß Umb was zu linderen den schwehren Uberdruß/ Spatziren auf und ab; in dem ich nun besinne Bey mir bald dieß bald das/ werd' ich von weitem inne/ Des Schäfer Klorimans/ der sonst mit freyem Muht Und edler Tapfferkeit verlachte diese Gluht/ Die Amor fechelt auf; der/ sag ich/ gieng und nagte/ Am Daumen wie verwirrt/ als einer welchen plagte So manche Hertzensangst; Er war schon wie halb tod; Er irrte hin und her; Es trieb' ihm seine Noht Viel tausend Seufftzer auß; Ein rohtvermischt Erblassen Schoß ihm auß dem Gesicht'; Er wuste nicht zu fassen/ Was einen trösten mag; Sein bittres Hertzeleid War Ursach daß sein Vieh lieff hie und da zerstreut. Jch sah' ihm welter zu/ es that mir weh im Hertzen/ Daß dieser arme Hürt' erlitte solche Schmertzen. Der müste ja ein Klotz und nicht ein Mensche seyn Der kein Mikleiden trüg' ob eines andern Pein. Drauf gieng er nach dem Pusch' und ließ die matten Glieder Da unter einem Baum' in dikkem Grase nieder; Stützt auf das Knie die Hand/ legt in die Hand den Kopff/ Und griltte mancherley der unglükselge Tropff. Er nam sein Seitenspiel so er stets bey sich führte/ Fieng es zu stimmen an und solches sanffte rührte/ Vermischte seine Stimm' in seiner Seiten Klang Mit wiederhohlten Ach/ und dieses Liedchen sang. Dieß waren Wort und Weis': Vio- J vj
waͤldchens erſte Abtheilung. JCh haͤtte nimmermehr bey mir gedenkken koͤnnen/ Was die getreue Lieb’ in manches Menſchen Sinnen Vor Schmertzen bringt zuweg’ und was ſie ſtifften kan Jm fall ichs nicht geſehn am Schaͤfer Kloriman. Es jammert ſeiner mich. Jch wils mit wenig Woͤrtern Auffs kuͤrtzſte wie ich kan/ dir teutſches Blut eroͤrtern/ Nur thu mir dieſen Dienſt/ du redlichs Hertze du/ Verzeih der ſchlechten Red’ und hoͤre guͤnſtig zu: Umb eben jene Zeit/ wenn Foͤbus mit den Pferden Den Morgen fuͤhret ein der Mexikanſchen Erden Und bey uns Abend macht/ gieng ich am Weiſſelfluß Umb was zu linderen den ſchwehren Uberdruß/ Spatziren auf und ab; in dem ich nun beſinne Bey mir bald dieß bald das/ werd’ ich von weitem inne/ Des Schaͤfer Klorimans/ der ſonſt mit freyem Muht Und edler Tapfferkeit verlachte dieſe Gluht/ Die Amor fechelt auf; der/ ſag ich/ gieng und nagte/ Am Daumen wie verwirrt/ als einer welchen plagte So manche Hertzensangſt; Er war ſchon wie halb tod; Er irrte hin und her; Es trieb’ ihm ſeine Noht Viel tauſend Seufftzer auß; Ein rohtvermiſcht Erblaſſen Schoß ihm auß dem Geſicht’; Er wuſte nicht zu faſſen/ Was einen troͤſten mag; Sein bittres Hertzeleid War Urſach daß ſein Vieh lieff hie und da zerſtreut. Jch ſah’ ihm welter zu/ es that mir weh im Hertzen/ Daß dieſer arme Huͤrt’ erlitte ſolche Schmertzen. Der muͤſte ja ein Klotz und nicht ein Menſche ſeyn Der kein Mikleiden truͤg’ ob eines andern Pein. Drauf gieng er nach dem Puſch’ und ließ die mattẽ Glieder Da unter einem Baum’ in dikkem Graſe nieder; Stuͤtzt auf das Knie die Hand/ legt in die Hand den Kopff/ Und griltte mancherley der ungluͤkſelge Tropff. Er nam ſein Seitenſpiel ſo er ſtets bey ſich fuͤhrte/ Fieng es zu ſtimmen an und ſolches ſanffte ruͤhrte/ Vermiſchte ſeine Stimm’ in ſeiner Seiten Klang Mit wiederhohlten Ach/ und dieſes Liedchen ſang. Dieß waren Wort und Weiſ’: Vio- J vj
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0205" n="169[179]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">waͤldchens erſte Abtheilung.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">J</hi>Ch haͤtte nimmermehr bey mir gedenkken koͤnnen/</l><lb/> <l>Was die getreue Lieb’ in manches Menſchen Sinnen</l><lb/> <l>Vor Schmertzen bringt zuweg’ und was ſie ſtifften kan</l><lb/> <l>Jm fall ichs nicht geſehn am Schaͤfer Kloriman.</l><lb/> <l>Es jammert ſeiner mich. Jch wils mit wenig Woͤrtern</l><lb/> <l>Auffs kuͤrtzſte wie ich kan/ dir teutſches Blut eroͤrtern/</l><lb/> <l>Nur thu mir dieſen Dienſt/ du redlichs Hertze du/</l><lb/> <l>Verzeih der ſchlechten Red’ und hoͤre guͤnſtig zu:</l><lb/> <l>Umb eben jene Zeit/ wenn Foͤbus mit den Pferden</l><lb/> <l>Den Morgen fuͤhret ein der Mexikanſchen Erden</l><lb/> <l>Und bey uns Abend macht/ gieng ich am Weiſſelfluß</l><lb/> <l>Umb was zu linderen den ſchwehren Uberdruß/</l><lb/> <l>Spatziren auf und ab; in dem ich nun beſinne</l><lb/> <l>Bey mir bald dieß bald das/ werd’ ich von weitem inne/</l><lb/> <l>Des Schaͤfer Klorimans/ der ſonſt mit freyem Muht</l><lb/> <l>Und edler Tapfferkeit verlachte dieſe Gluht/</l><lb/> <l>Die Amor fechelt auf; der/ ſag ich/ gieng und nagte/</l><lb/> <l>Am Daumen wie verwirrt/ als einer welchen plagte</l><lb/> <l>So manche Hertzensangſt; Er war ſchon wie halb tod;</l><lb/> <l>Er irrte hin und her; Es trieb’ ihm ſeine Noht</l><lb/> <l>Viel tauſend Seufftzer auß; Ein rohtvermiſcht Erblaſſen</l><lb/> <l>Schoß ihm auß dem Geſicht’; Er wuſte nicht zu faſſen/</l><lb/> <l>Was einen troͤſten mag; Sein bittres Hertzeleid</l><lb/> <l>War Urſach daß ſein Vieh lieff hie und da zerſtreut.</l><lb/> <l>Jch ſah’ ihm welter zu/ es that mir weh im Hertzen/</l><lb/> <l>Daß dieſer arme Huͤrt’ erlitte ſolche Schmertzen.</l><lb/> <l>Der muͤſte ja ein Klotz und nicht ein Menſche ſeyn</l><lb/> <l>Der kein Mikleiden truͤg’ ob eines andern Pein.</l><lb/> <l>Drauf gieng er nach dem Puſch’ und ließ die mattẽ Glieder</l><lb/> <l>Da unter einem Baum’ in dikkem Graſe nieder;</l><lb/> <l>Stuͤtzt auf das Knie die Hand/ legt in die Hand den</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Kopff/</hi> </l><lb/> <l>Und griltte mancherley der ungluͤkſelge Tropff.</l><lb/> <l>Er nam ſein Seitenſpiel ſo er ſtets bey ſich fuͤhrte/</l><lb/> <l>Fieng es zu ſtimmen an und ſolches ſanffte ruͤhrte/</l><lb/> <l>Vermiſchte ſeine Stimm’ in ſeiner Seiten Klang</l><lb/> <l>Mit wiederhohlten Ach/ und dieſes Liedchen ſang.</l><lb/> <l>Dieß waren Wort und Weiſ’: </l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">J vj</fw> <fw place="bottom" type="catch">Vio-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169[179]/0205]
waͤldchens erſte Abtheilung.
JCh haͤtte nimmermehr bey mir gedenkken koͤnnen/
Was die getreue Lieb’ in manches Menſchen Sinnen
Vor Schmertzen bringt zuweg’ und was ſie ſtifften kan
Jm fall ichs nicht geſehn am Schaͤfer Kloriman.
Es jammert ſeiner mich. Jch wils mit wenig Woͤrtern
Auffs kuͤrtzſte wie ich kan/ dir teutſches Blut eroͤrtern/
Nur thu mir dieſen Dienſt/ du redlichs Hertze du/
Verzeih der ſchlechten Red’ und hoͤre guͤnſtig zu:
Umb eben jene Zeit/ wenn Foͤbus mit den Pferden
Den Morgen fuͤhret ein der Mexikanſchen Erden
Und bey uns Abend macht/ gieng ich am Weiſſelfluß
Umb was zu linderen den ſchwehren Uberdruß/
Spatziren auf und ab; in dem ich nun beſinne
Bey mir bald dieß bald das/ werd’ ich von weitem inne/
Des Schaͤfer Klorimans/ der ſonſt mit freyem Muht
Und edler Tapfferkeit verlachte dieſe Gluht/
Die Amor fechelt auf; der/ ſag ich/ gieng und nagte/
Am Daumen wie verwirrt/ als einer welchen plagte
So manche Hertzensangſt; Er war ſchon wie halb tod;
Er irrte hin und her; Es trieb’ ihm ſeine Noht
Viel tauſend Seufftzer auß; Ein rohtvermiſcht Erblaſſen
Schoß ihm auß dem Geſicht’; Er wuſte nicht zu faſſen/
Was einen troͤſten mag; Sein bittres Hertzeleid
War Urſach daß ſein Vieh lieff hie und da zerſtreut.
Jch ſah’ ihm welter zu/ es that mir weh im Hertzen/
Daß dieſer arme Huͤrt’ erlitte ſolche Schmertzen.
Der muͤſte ja ein Klotz und nicht ein Menſche ſeyn
Der kein Mikleiden truͤg’ ob eines andern Pein.
Drauf gieng er nach dem Puſch’ und ließ die mattẽ Glieder
Da unter einem Baum’ in dikkem Graſe nieder;
Stuͤtzt auf das Knie die Hand/ legt in die Hand den
Kopff/
Und griltte mancherley der ungluͤkſelge Tropff.
Er nam ſein Seitenſpiel ſo er ſtets bey ſich fuͤhrte/
Fieng es zu ſtimmen an und ſolches ſanffte ruͤhrte/
Vermiſchte ſeine Stimm’ in ſeiner Seiten Klang
Mit wiederhohlten Ach/ und dieſes Liedchen ſang.
Dieß waren Wort und Weiſ’:
Vio-
J vj
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652/205 |
Zitationshilfe: | Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652, S. 169[179]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652/205>, abgerufen am 16.02.2025. |