Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



Gelehrter, der der Welt nützliche Kenntniße mitzuthei-
len sucht, der Wahrheit und Weisheit befördern will.

Mag. Jhre Einbildungskraft, mein liebster
Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie sich her-
unter, und kommen Sie der Erde näher. Der grö-
ste Haufen der Schriftsteller von Profeßion, treibt
ein Gewerbe, so gut als die Tapetenmaler oder die
Kunstpfeifer, und sieht die wenigen wahren Gelehr-
ten, fast eben so, für zudringliche unzünftige Pfuscher
an, als jene Handwerker einen Mengs oder Bach.
Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde
das menschliche Geschlecht zu erleuchten, entsteht die
unsägliche Menge von Büchern die Sie so bewun-
dert haben; denn Leipzig ist freilich seit mehr als hun-
dert Jahren die Stapelstadt der Waaren, die diese
gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen.

Seb. Sie haben ein sonderbares Vergnügen da-
ran, Wörter zusammenzusetzen, deren Begriffe of-
fenbar miteinander zu streiten scheinen. Gelehr-
samkeit
ein Handwerk? Bücherschreiben ein Ge-
werbe?

Mag. Allerdings, und zwar ein solches Gewer-
be,
worin jeder den Nutzen so sehr auf seine Seite zu
ziehen sucht, als es nur möglich ist. Der Autor will
gern dem Verleger so wenig Bogen Manuscript als

möglich,



Gelehrter, der der Welt nuͤtzliche Kenntniße mitzuthei-
len ſucht, der Wahrheit und Weisheit befoͤrdern will.

Mag. Jhre Einbildungskraft, mein liebſter
Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie ſich her-
unter, und kommen Sie der Erde naͤher. Der groͤ-
ſte Haufen der Schriftſteller von Profeßion, treibt
ein Gewerbe, ſo gut als die Tapetenmaler oder die
Kunſtpfeifer, und ſieht die wenigen wahren Gelehr-
ten, faſt eben ſo, fuͤr zudringliche unzuͤnftige Pfuſcher
an, als jene Handwerker einen Mengs oder Bach.
Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde
das menſchliche Geſchlecht zu erleuchten, entſteht die
unſaͤgliche Menge von Buͤchern die Sie ſo bewun-
dert haben; denn Leipzig iſt freilich ſeit mehr als hun-
dert Jahren die Stapelſtadt der Waaren, die dieſe
gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen.

Seb. Sie haben ein ſonderbares Vergnuͤgen da-
ran, Woͤrter zuſammenzuſetzen, deren Begriffe of-
fenbar miteinander zu ſtreiten ſcheinen. Gelehr-
ſamkeit
ein Handwerk? Buͤcherſchreiben ein Ge-
werbe?

Mag. Allerdings, und zwar ein ſolches Gewer-
be,
worin jeder den Nutzen ſo ſehr auf ſeine Seite zu
ziehen ſucht, als es nur moͤglich iſt. Der Autor will
gern dem Verleger ſo wenig Bogen Manuſcript als

moͤglich,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="90"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Gelehrter, der der Welt nu&#x0364;tzliche Kenntniße mitzuthei-<lb/>
len &#x017F;ucht, der Wahrheit und Weisheit befo&#x0364;rdern will.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mag.</hi> Jhre Einbildungskraft, mein lieb&#x017F;ter<lb/>
Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie &#x017F;ich her-<lb/>
unter, und kommen Sie der Erde na&#x0364;her. Der gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te Haufen der Schrift&#x017F;teller von Profeßion, treibt<lb/>
ein Gewerbe, &#x017F;o gut als die Tapetenmaler oder die<lb/>
Kun&#x017F;tpfeifer, und &#x017F;ieht die wenigen wahren Gelehr-<lb/>
ten, fa&#x017F;t eben &#x017F;o, fu&#x0364;r zudringliche unzu&#x0364;nftige Pfu&#x017F;cher<lb/>
an, als jene Handwerker einen <hi rendition="#fr">Mengs</hi> oder <hi rendition="#fr">Bach.</hi><lb/>
Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde<lb/>
das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht zu erleuchten, ent&#x017F;teht die<lb/>
un&#x017F;a&#x0364;gliche Menge von Bu&#x0364;chern die Sie &#x017F;o bewun-<lb/>
dert haben; denn Leipzig i&#x017F;t freilich &#x017F;eit mehr als hun-<lb/>
dert Jahren die Stapel&#x017F;tadt der Waaren, die die&#x017F;e<lb/>
gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Seb.</hi> Sie haben ein &#x017F;onderbares Vergnu&#x0364;gen da-<lb/>
ran, Wo&#x0364;rter zu&#x017F;ammenzu&#x017F;etzen, deren Begriffe of-<lb/>
fenbar miteinander zu &#x017F;treiten &#x017F;cheinen. <hi rendition="#fr">Gelehr-<lb/>
&#x017F;amkeit</hi> ein <hi rendition="#fr">Handwerk? Bu&#x0364;cher&#x017F;chreiben</hi> ein <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
werbe?</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mag.</hi> Allerdings, und zwar ein &#x017F;olches <hi rendition="#fr">Gewer-<lb/>
be,</hi> worin jeder den Nutzen &#x017F;o &#x017F;ehr auf &#x017F;eine Seite zu<lb/>
ziehen &#x017F;ucht, als es nur mo&#x0364;glich i&#x017F;t. Der Autor will<lb/>
gern dem Verleger &#x017F;o wenig Bogen Manu&#x017F;cript als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;glich,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0114] Gelehrter, der der Welt nuͤtzliche Kenntniße mitzuthei- len ſucht, der Wahrheit und Weisheit befoͤrdern will. Mag. Jhre Einbildungskraft, mein liebſter Freund, fliegt noch ziemlich hoch, laßen Sie ſich her- unter, und kommen Sie der Erde naͤher. Der groͤ- ſte Haufen der Schriftſteller von Profeßion, treibt ein Gewerbe, ſo gut als die Tapetenmaler oder die Kunſtpfeifer, und ſieht die wenigen wahren Gelehr- ten, faſt eben ſo, fuͤr zudringliche unzuͤnftige Pfuſcher an, als jene Handwerker einen Mengs oder Bach. Durch dis Gewerbe, und nicht durch die Begierde das menſchliche Geſchlecht zu erleuchten, entſteht die unſaͤgliche Menge von Buͤchern die Sie ſo bewun- dert haben; denn Leipzig iſt freilich ſeit mehr als hun- dert Jahren die Stapelſtadt der Waaren, die dieſe gelehrten Handwerker zu jeder Meße verfertigen. Seb. Sie haben ein ſonderbares Vergnuͤgen da- ran, Woͤrter zuſammenzuſetzen, deren Begriffe of- fenbar miteinander zu ſtreiten ſcheinen. Gelehr- ſamkeit ein Handwerk? Buͤcherſchreiben ein Ge- werbe? Mag. Allerdings, und zwar ein ſolches Gewer- be, worin jeder den Nutzen ſo ſehr auf ſeine Seite zu ziehen ſucht, als es nur moͤglich iſt. Der Autor will gern dem Verleger ſo wenig Bogen Manuſcript als moͤglich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/114
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/114>, abgerufen am 04.12.2024.