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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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und lehrreiche Gespräche seinem Geiste die Thätigkeit
wieder gab, die das Elend zu vernichten pflegt. Er
kam, zwar als es schon dunkel ward, doch beyzeiten,
nach seinem Keller zurück, weil der Thorgroschen ein
Capital war, das er zu sparen nöthig hatte. Er war
schon in den finstern Gang hineingetreten, der zu sei-
ner Schlafstäte führte, als er in einiger Entfernung
sich etwas regen sahe, und bey näherer Untersuchung
einen Menschen in einem Winkel sitzend fand. Se-
baldus
hielt ihn für einen Dieb, und ob er sich gleich
etwas entsetzte, so sagte er doch ganz kalt: "Freund
"wenn du etwas zu stehlen suchst, so bist du hier an
"den unrechten Ort gekommen." "Ach mein lieber
"Herr," antwortete eine unbekannte Stimme," ich bin
"kein Räuber, verrathen Sie einen Unglücklichen
"nicht." "Nein Freund, sagte Sebaldus, ein Mensch
"der selbst elend ist, ist nicht grausam," und hiemit
ging er in die schon geöfnete Kellerstube, schlug
Licht an, (denn sein Wirth, der Markthelfer, war noch
nicht zu Hause,) und erblickte einen jungen Menschen
wohlgestalret, aber todtenblaß. Sebaldus bot ihm
die Hand, führte ihn hinein, hieß ihn gutes Muthes seyn,
und fragte wie er hieher käme. "Jch habe, sagte der
"Jüngling, studiert, aber ich habe mich, bey einer unglück-
"lichen Schwärmerey auf einem Dorfe, welche die Ju-

"gend



und lehrreiche Geſpraͤche ſeinem Geiſte die Thaͤtigkeit
wieder gab, die das Elend zu vernichten pflegt. Er
kam, zwar als es ſchon dunkel ward, doch beyzeiten,
nach ſeinem Keller zuruͤck, weil der Thorgroſchen ein
Capital war, das er zu ſparen noͤthig hatte. Er war
ſchon in den finſtern Gang hineingetreten, der zu ſei-
ner Schlafſtaͤte fuͤhrte, als er in einiger Entfernung
ſich etwas regen ſahe, und bey naͤherer Unterſuchung
einen Menſchen in einem Winkel ſitzend fand. Se-
baldus
hielt ihn fuͤr einen Dieb, und ob er ſich gleich
etwas entſetzte, ſo ſagte er doch ganz kalt: „Freund
„wenn du etwas zu ſtehlen ſuchſt, ſo biſt du hier an
„den unrechten Ort gekommen.‟ „Ach mein lieber
„Herr,‟ antwortete eine unbekannte Stimme,„ ich bin
„kein Raͤuber, verrathen Sie einen Ungluͤcklichen
„nicht.‟ „Nein Freund, ſagte Sebaldus, ein Menſch
„der ſelbſt elend iſt, iſt nicht grauſam,‟ und hiemit
ging er in die ſchon geoͤfnete Kellerſtube, ſchlug
Licht an, (denn ſein Wirth, der Markthelfer, war noch
nicht zu Hauſe,) und erblickte einen jungen Menſchen
wohlgeſtalret, aber todtenblaß. Sebaldus bot ihm
die Hand, fuͤhrte ihn hinein, hieß ihn gutes Muthes ſeyn,
und fragte wie er hieher kaͤme. „Jch habe, ſagte der
„Juͤngling, ſtudiert, aber ich habe mich, bey einer ungluͤck-
„lichen Schwaͤrmerey auf einem Dorfe, welche die Ju-

„gend
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[138/0162] und lehrreiche Geſpraͤche ſeinem Geiſte die Thaͤtigkeit wieder gab, die das Elend zu vernichten pflegt. Er kam, zwar als es ſchon dunkel ward, doch beyzeiten, nach ſeinem Keller zuruͤck, weil der Thorgroſchen ein Capital war, das er zu ſparen noͤthig hatte. Er war ſchon in den finſtern Gang hineingetreten, der zu ſei- ner Schlafſtaͤte fuͤhrte, als er in einiger Entfernung ſich etwas regen ſahe, und bey naͤherer Unterſuchung einen Menſchen in einem Winkel ſitzend fand. Se- baldus hielt ihn fuͤr einen Dieb, und ob er ſich gleich etwas entſetzte, ſo ſagte er doch ganz kalt: „Freund „wenn du etwas zu ſtehlen ſuchſt, ſo biſt du hier an „den unrechten Ort gekommen.‟ „Ach mein lieber „Herr,‟ antwortete eine unbekannte Stimme,„ ich bin „kein Raͤuber, verrathen Sie einen Ungluͤcklichen „nicht.‟ „Nein Freund, ſagte Sebaldus, ein Menſch „der ſelbſt elend iſt, iſt nicht grauſam,‟ und hiemit ging er in die ſchon geoͤfnete Kellerſtube, ſchlug Licht an, (denn ſein Wirth, der Markthelfer, war noch nicht zu Hauſe,) und erblickte einen jungen Menſchen wohlgeſtalret, aber todtenblaß. Sebaldus bot ihm die Hand, fuͤhrte ihn hinein, hieß ihn gutes Muthes ſeyn, und fragte wie er hieher kaͤme. „Jch habe, ſagte der „Juͤngling, ſtudiert, aber ich habe mich, bey einer ungluͤck- „lichen Schwaͤrmerey auf einem Dorfe, welche die Ju- „gend

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/162>, abgerufen am 27.11.2024.