digt haben: Sterbet freudig für das Vaterland, noch Wilhelmine ihn dazu würde haben ermuntern wollen.
Dritter Abschnitt.
Jndessen erscholl die Nachricht von Sebaldus Pre- digt und von ihren Folgen, bald bis in die fürstli- che Residenzstadt. Sebaldus hatte im Consistorium zwey sehr mächtige Feinde. Der eine war der Prä- sident, der als ein Ehrenmitglied verschiedener deut- schen und lateinischen Gesellschaften viele sehr fliessende deutsche Reime, und viele sehr deutliche lateinische Chronodistichen verfertigte. Alle am fürstlichen Hofe vorfallende Galatage, alle Landplagen, als Heu- schrecken, Hagel, feindliche Einfälle, alle Promo- tionen der ihm untergebenen Conrectoren, und Landpre- diger, besang seine Muse ungesäumt. Wilhelmine war eine viel zu feine Kennerin der schönen Wissen- schaften, als daß sie sich dem falschen Geschmacke, der in ihrem Vaterländchen beschützt ward, nicht hätte wider- setzen sollen. Sie sprach bey jeder Gelegenheit von den deutschen Versen des Präsidenten überaus verächtlich, und seine lateinische Chronodistichen, wenn sie sie auch
und
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digt haben: Sterbet freudig fuͤr das Vaterland, noch Wilhelmine ihn dazu wuͤrde haben ermuntern wollen.
Dritter Abſchnitt.
Jndeſſen erſcholl die Nachricht von Sebaldus Pre- digt und von ihren Folgen, bald bis in die fuͤrſtli- che Reſidenzſtadt. Sebaldus hatte im Conſiſtorium zwey ſehr maͤchtige Feinde. Der eine war der Praͤ- ſident, der als ein Ehrenmitglied verſchiedener deut- ſchen und lateiniſchen Geſellſchaften viele ſehr flieſſende deutſche Reime, und viele ſehr deutliche lateiniſche Chronodiſtichen verfertigte. Alle am fuͤrſtlichen Hofe vorfallende Galatage, alle Landplagen, als Heu- ſchrecken, Hagel, feindliche Einfaͤlle, alle Promo- tionen der ihm untergebenen Conrectoren, und Landpre- diger, beſang ſeine Muſe ungeſaͤumt. Wilhelmine war eine viel zu feine Kennerin der ſchoͤnen Wiſſen- ſchaften, als daß ſie ſich dem falſchen Geſchmacke, der in ihrem Vaterlaͤndchen beſchuͤtzt ward, nicht haͤtte wider- ſetzen ſollen. Sie ſprach bey jeder Gelegenheit von den deutſchen Verſen des Praͤſidenten uͤberaus veraͤchtlich, und ſeine lateiniſche Chronodiſtichen, wenn ſie ſie auch
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digt haben: Sterbet freudig fuͤr das Vaterland,
noch Wilhelmine ihn dazu wuͤrde haben ermuntern
wollen.
Dritter Abſchnitt.
Jndeſſen erſcholl die Nachricht von Sebaldus Pre-
digt und von ihren Folgen, bald bis in die fuͤrſtli-
che Reſidenzſtadt. Sebaldus hatte im Conſiſtorium
zwey ſehr maͤchtige Feinde. Der eine war der Praͤ-
ſident, der als ein Ehrenmitglied verſchiedener deut-
ſchen und lateiniſchen Geſellſchaften viele ſehr flieſſende
deutſche Reime, und viele ſehr deutliche lateiniſche
Chronodiſtichen verfertigte. Alle am fuͤrſtlichen Hofe
vorfallende Galatage, alle Landplagen, als Heu-
ſchrecken, Hagel, feindliche Einfaͤlle, alle Promo-
tionen der ihm untergebenen Conrectoren, und Landpre-
diger, beſang ſeine Muſe ungeſaͤumt. Wilhelmine
war eine viel zu feine Kennerin der ſchoͤnen Wiſſen-
ſchaften, als daß ſie ſich dem falſchen Geſchmacke, der
in ihrem Vaterlaͤndchen beſchuͤtzt ward, nicht haͤtte wider-
ſetzen ſollen. Sie ſprach bey jeder Gelegenheit von den
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und ſeine lateiniſche Chronodiſtichen, wenn ſie ſie auch
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/55>, abgerufen am 16.02.2025.
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