Sebaldus, Wilhelmine und Mariane hatten sich immer blos auf ihre gute Sache verlaßen, und sa- hen nunmehr zu spät ein, daß so gut eine Sache auch ist, dennoch eine mächtige Protection zu einem vor- theilhaften Ausschlage, nie überflüssig seyn werde. Wilhelmine erinnerte sich des Hofmarschalls und des Grafen von Nimmer, sie glaubte, daß diese mäch- tige Patronen sie gewiß nicht würden verlaßen haben, wenn man sie um Hülfe ersucht hätte. Da sie bey der Schwachheit ihres Körpers nichts von der Leb- haftigkeit ihres Geistes verlohren hatte, so fing sie an, muthige Hofnung zu hegen, daß durch mächtige Vor- worte vielleicht ihr Schicksal noch könnte geändert werden. Sie wendete alle Kräfte an, ihren Mann zu bereden, daß er nach der Stadt gehen und bei sei- nen Gönnern Hülfe suchen sollte, welches Sebaldus endlich versprach. Es ward ferner verabredet, daß man die Pfarrwohnung nicht freiwillig räumen wollte, und Wilhelmine wuste viele zureichende Gründe an- zuführen, warum Gewalt weder gebraucht werden könnte noch würde. So lange man nur im Besitz wäre, glaubte sie, könnte noch wohl die Absetzung widerru- fen werden. Mit diesen Ueberlegungen beschäftigten sie sich bis auf den Abend, da sie sich etwas beruhigt niederlegten. Eben dis that auch Tuffelius, nach-
dem
Sebaldus, Wilhelmine und Mariane hatten ſich immer blos auf ihre gute Sache verlaßen, und ſa- hen nunmehr zu ſpaͤt ein, daß ſo gut eine Sache auch iſt, dennoch eine maͤchtige Protection zu einem vor- theilhaften Ausſchlage, nie uͤberfluͤſſig ſeyn werde. Wilhelmine erinnerte ſich des Hofmarſchalls und des Grafen von Nimmer, ſie glaubte, daß dieſe maͤch- tige Patronen ſie gewiß nicht wuͤrden verlaßen haben, wenn man ſie um Huͤlfe erſucht haͤtte. Da ſie bey der Schwachheit ihres Koͤrpers nichts von der Leb- haftigkeit ihres Geiſtes verlohren hatte, ſo fing ſie an, muthige Hofnung zu hegen, daß durch maͤchtige Vor- worte vielleicht ihr Schickſal noch koͤnnte geaͤndert werden. Sie wendete alle Kraͤfte an, ihren Mann zu bereden, daß er nach der Stadt gehen und bei ſei- nen Goͤnnern Huͤlfe ſuchen ſollte, welches Sebaldus endlich verſprach. Es ward ferner verabredet, daß man die Pfarrwohnung nicht freiwillig raͤumen wollte, und Wilhelmine wuſte viele zureichende Gruͤnde an- zufuͤhren, warum Gewalt weder gebraucht werden koͤnnte noch wuͤrde. So lange man nur im Beſitz waͤre, glaubte ſie, koͤnnte noch wohl die Abſetzung widerru- fen werden. Mit dieſen Ueberlegungen beſchaͤftigten ſie ſich bis auf den Abend, da ſie ſich etwas beruhigt niederlegten. Eben dis that auch Tuffelius, nach-
dem
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Sebaldus, Wilhelmine und Mariane hatten
ſich immer blos auf ihre gute Sache verlaßen, und ſa-
hen nunmehr zu ſpaͤt ein, daß ſo gut eine Sache auch
iſt, dennoch eine maͤchtige Protection zu einem vor-
theilhaften Ausſchlage, nie uͤberfluͤſſig ſeyn werde.
Wilhelmine erinnerte ſich des Hofmarſchalls und
des Grafen von Nimmer, ſie glaubte, daß dieſe maͤch-
tige Patronen ſie gewiß nicht wuͤrden verlaßen haben,
wenn man ſie um Huͤlfe erſucht haͤtte. Da ſie bey
der Schwachheit ihres Koͤrpers nichts von der Leb-
haftigkeit ihres Geiſtes verlohren hatte, ſo fing ſie an,
muthige Hofnung zu hegen, daß durch maͤchtige Vor-
worte vielleicht ihr Schickſal noch koͤnnte geaͤndert
werden. Sie wendete alle Kraͤfte an, ihren Mann
zu bereden, daß er nach der Stadt gehen und bei ſei-
nen Goͤnnern Huͤlfe ſuchen ſollte, welches Sebaldus
endlich verſprach. Es ward ferner verabredet, daß
man die Pfarrwohnung nicht freiwillig raͤumen wollte,
und Wilhelmine wuſte viele zureichende Gruͤnde an-
zufuͤhren, warum Gewalt weder gebraucht werden
koͤnnte noch wuͤrde. So lange man nur im Beſitz waͤre,
glaubte ſie, koͤnnte noch wohl die Abſetzung widerru-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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