Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.Als einst die Frau von Ehrenkolb Mittagsruhe Säugling, nicht wenig beschämt und bestürzt, ver- Gr. O ja! ich liebe sie ungemein. Aber Sie S.
Als einſt die Frau von Ehrenkolb Mittagsruhe Saͤugling, nicht wenig beſchaͤmt und beſtuͤrzt, ver- Gr. O ja! ich liebe ſie ungemein. Aber Sie S.
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Als einſt die Frau von Ehrenkolb Mittagsruhe
hielt, und die uͤbrige Geſellſchaft im Garten ſpazie-
ren gieng, ergriff die Graͤfinn Saͤuglings Arm,
fuͤhrte ihn in einen Gang beſonders, und nach-
dem ſie das Geſpraͤch auf Lektur gebracht, ſagte ſie
ihm gerade heraus: ‚ Gedichte waͤren nicht die Lek-
”tur, die ſie am meiſten liebte.‛
Saͤugling, nicht wenig beſchaͤmt und beſtuͤrzt, ver-
ſetzte mit ſtammlender Stimme: ‚Ew. Gnaden ſcher-
”zen vielleicht. Es ſchien mir doch ſonſt, als ob Sie
”die ſchoͤnen Wiſſenſchaften liebten.‛
Gr. O ja! ich liebe ſie ungemein. Aber Sie
wiſſen, die ſchoͤnen Wiſſenſchaften haben einen wei-
ten Umfang, und die Dichtkunſt iſt nur ein Theil
davon. Dieſen zu haſſen, bin ich weit entfernt. Jch
liebe vielmehr Gedichte herzlich, wenn ſie ganz vor-
trefflich ſind, ſie wirken mit unbeſchreiblichem Reize
auf mich, ſie bleiben meiner Seele tief eingepraͤgt.
Aber ſie wiſſen, der ganz vortrefflichen Gedichte ſind
nur ſehr wenige. Was die uͤbrigen anbetrifft, ſo ſind
ſie ganz gute Dingerchen, die man wohl einmal
anhoͤren, aber auch entbehren kann; und mich duͤnkt
immer, die Augenbraunen ſind einem leichter, wenn
man ſie entbehrt.
S.
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