Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.Beile, und einer unzählichen Menge unbrauchbares Hausgeräthes, woraus mit Verwunderung zu erse- hen seyn sollte, daß die Leute vor tausend Jahren Messer, Schnallen und Schlüssel gehabt hätten, beynahe eben so, wie wir. Von da traten sie ins Al- lerheiligste, wo die Gemmen und Münzen aufbe- halten wurden. Mitten im Zimmer stand des be- rühmten Lipperts Sammlung von Abgüssen auf einem zierlichen Gestelle. Der Kammerjunker machte ein Paar Schubladen davon nachläßig auf, und sagte: ,Sie sind ganz artig, aber doch nur Abdrücke, "ich halte auf Originale.' Er besaß wirklich eine große Menge von plumpen und verzerrten Gesichtern, sehr stumpf in allerhand Steine geschnitten, denen er einen großen Werth beylegte. Er zeigte auch seine Münzen, auf deren vielen er dem Sebaldus den edlen Rost bemerken ließ. Sie waren alle unver- fälscht antik, und zu mehrerer Bequemlichkeit in sehr dicke Pappen gefaßt, so daß man Seite und Rück- seite, nicht aber die Ränder sehen konnte. Er versi- cherte, daß diese Einrichtung sehr niedlich wäre, und daß ihm die ganze Sammlung von einem gelehrten Antiquare, so gefaßt, sey verkauft worden. Was er aber mehr, als alles zu schätzen schien, war eine Sammlung von Belagerungsmünzen und Noth-
Beile, und einer unzaͤhlichen Menge unbrauchbares Hausgeraͤthes, woraus mit Verwunderung zu erſe- hen ſeyn ſollte, daß die Leute vor tauſend Jahren Meſſer, Schnallen und Schluͤſſel gehabt haͤtten, beynahe eben ſo, wie wir. Von da traten ſie ins Al- lerheiligſte, wo die Gemmen und Muͤnzen aufbe- halten wurden. Mitten im Zimmer ſtand des be- ruͤhmten Lipperts Sammlung von Abguͤſſen auf einem zierlichen Geſtelle. Der Kammerjunker machte ein Paar Schubladen davon nachlaͤßig auf, und ſagte: ‚Sie ſind ganz artig, aber doch nur Abdruͤcke, ”ich halte auf Originale.‛ Er beſaß wirklich eine große Menge von plumpen und verzerrten Geſichtern, ſehr ſtumpf in allerhand Steine geſchnitten, denen er einen großen Werth beylegte. Er zeigte auch ſeine Muͤnzen, auf deren vielen er dem Sebaldus den edlen Roſt bemerken ließ. Sie waren alle unver- faͤlſcht antik, und zu mehrerer Bequemlichkeit in ſehr dicke Pappen gefaßt, ſo daß man Seite und Ruͤck- ſeite, nicht aber die Raͤnder ſehen konnte. Er verſi- cherte, daß dieſe Einrichtung ſehr niedlich waͤre, und daß ihm die ganze Sammlung von einem gelehrten Antiquare, ſo gefaßt, ſey verkauft worden. Was er aber mehr, als alles zu ſchaͤtzen ſchien, war eine Sammlung von Belagerungsmuͤnzen und Noth-
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Hausgeraͤthes, woraus mit Verwunderung zu erſe-
hen ſeyn ſollte, daß die Leute vor tauſend Jahren
Meſſer, Schnallen und Schluͤſſel gehabt haͤtten,
beynahe eben ſo, wie wir. Von da traten ſie ins Al-
lerheiligſte, wo die Gemmen und Muͤnzen aufbe-
halten wurden. Mitten im Zimmer ſtand des be-
ruͤhmten Lipperts Sammlung von Abguͤſſen auf
einem zierlichen Geſtelle. Der Kammerjunker machte
ein Paar Schubladen davon nachlaͤßig auf, und
ſagte: ‚Sie ſind ganz artig, aber doch nur Abdruͤcke,
”ich halte auf Originale.‛ Er beſaß wirklich eine
große Menge von plumpen und verzerrten Geſichtern,
ſehr ſtumpf in allerhand Steine geſchnitten, denen er
einen großen Werth beylegte. Er zeigte auch ſeine
Muͤnzen, auf deren vielen er dem Sebaldus den
edlen Roſt bemerken ließ. Sie waren alle unver-
faͤlſcht antik, und zu mehrerer Bequemlichkeit in ſehr
dicke Pappen gefaßt, ſo daß man Seite und Ruͤck-
ſeite, nicht aber die Raͤnder ſehen konnte. Er verſi-
cherte, daß dieſe Einrichtung ſehr niedlich waͤre, und
daß ihm die ganze Sammlung von einem gelehrten
Antiquare, ſo gefaßt, ſey verkauft worden. Was er
aber mehr, als alles zu ſchaͤtzen ſchien, war eine
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