Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."ten, und ihnen nicht dankbar genug sich be- "weisen. Sie sind überzeugt, in allen Stücken "alles besser zu wissen, als die jungen Eheleute, "und wollen alles im Hause anordnen. Nichts "kann man ihnen recht thun. Hiezu kömmt "noch, daß das Alter sie ohnehin mürrisch und "verdrießlich, und mit sich selbst und der gan- "zen Welt unzufrieden macht. Haben nun die "Eheleute einen kleinen Zwist untereinander, so tritt "der Schwiegervater oder die Schwiegermutter auf "die eine oder andere Seite, und vergrössert den "Streit, statt daß diese Alten ihn schlichten, und "die streitenden Parteyen versöhnen sollten.' Läßt es sich wohl nur denken, daß der sittsame aber
”ten, und ihnen nicht dankbar genug ſich be- ”weiſen. Sie ſind uͤberzeugt, in allen Stuͤcken ”alles beſſer zu wiſſen, als die jungen Eheleute, ”und wollen alles im Hauſe anordnen. Nichts ”kann man ihnen recht thun. Hiezu koͤmmt ”noch, daß das Alter ſie ohnehin muͤrriſch und ”verdrießlich, und mit ſich ſelbſt und der gan- ”zen Welt unzufrieden macht. Haben nun die ”Eheleute einen kleinen Zwiſt untereinander, ſo tritt ”der Schwiegervater oder die Schwiegermutter auf ”die eine oder andere Seite, und vergroͤſſert den ”Streit, ſtatt daß dieſe Alten ihn ſchlichten, und ”die ſtreitenden Parteyen verſoͤhnen ſollten.‛ Laͤßt es ſich wohl nur denken, daß der ſittſame aber
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”ten, und ihnen nicht dankbar genug ſich be-
”weiſen. Sie ſind uͤberzeugt, in allen Stuͤcken
”alles beſſer zu wiſſen, als die jungen Eheleute,
”und wollen alles im Hauſe anordnen. Nichts
”kann man ihnen recht thun. Hiezu koͤmmt
”noch, daß das Alter ſie ohnehin muͤrriſch und
”verdrießlich, und mit ſich ſelbſt und der gan-
”zen Welt unzufrieden macht. Haben nun die
”Eheleute einen kleinen Zwiſt untereinander, ſo tritt
”der Schwiegervater oder die Schwiegermutter auf
”die eine oder andere Seite, und vergroͤſſert den
”Streit, ſtatt daß dieſe Alten ihn ſchlichten, und
”die ſtreitenden Parteyen verſoͤhnen ſollten.‛
Laͤßt es ſich wohl nur denken, daß der ſittſame
Sebaldus, auf eine ſo plumpe Art, alle Schwie-
geraͤltern, die bey ihren Kindern wohnen, habe oͤf-
fentlich, von der Kanzel herab, beſchimpfen wollen?
daß er dieſes vor Bauern habe thun wollen, welche
ihre Schwiegeraͤltern gewiß nur bloß, wenn dieſe
aus Armuth, oder aus Alter und Schwachheit, ihren
eigenen Acker nicht bauen koͤnnen, bey ſich haben
werden? Zwar wird, S. 12. den Zuhoͤrern empfoh-
len, daß ſie ihre Schwiegeraͤltern in Ehren halten,
ihrem guten Rath folgen, und ſie pflegen ſollen;
aber
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