Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Enthusiasten pflegen, in der Hitze ihres Eifers,
gewöhnlicher Weise einen Kothregen, und allenfalls
auch einige Faustschläge, nicht zu achten, wenn es ihnen
nur gelingt Aufmerksamkeit zu erregen: wenn sie aber
trockner Weise ausgelachet werden, und niemand bey
ihnen stehen bleibt, so kühlet sich ihr Eifer ab, und
sie begnügen sich allenfalls, zwischen den Zähnen mur-
melnd, die dem Worte ungehorsamen Weltkinder
dem Teufel zu übergeben.

So gieng es hier auch. Der Pietist schwieg mür-
risch still., und Sebaldus, da sie indessen ins Thor
traten, und unter den Linden fortgiengen, genoß die
Schönheit dieser Allee, sog den Duft der Lindenblüthe
ein, und freuete sich über die fröhlichen Gesichter, die
ihm allenthalben entgegen kamen.

Sie giengen einige Straßen stillschweigend fort,
bis sie an eine Kirche kamen, in welcher Gottesdienst
gehalten wurde. ,Siehe da! rief der Pietist aus,
"wie leer der Weg zum Gotteshause ist, und wie an-
"gesüllt der Weg zu den Häusern des Teufels war!
"O! wie ist doch alle Gottesfurcht, alle Liebe zum
"Heilande in dieser großen Stadt ganz ausgetilget!
"Wie wandelt doch jedermann im Pfade der Ruchlo-
"sigkeit, läuft dem Teufel gerade in den Rachen, und
"stürzt sich in das ewige Verderben!'

Sebal-
C


Die Enthuſiaſten pflegen, in der Hitze ihres Eifers,
gewoͤhnlicher Weiſe einen Kothregen, und allenfalls
auch einige Fauſtſchlaͤge, nicht zu achten, wenn es ihnen
nur gelingt Aufmerkſamkeit zu erregen: wenn ſie aber
trockner Weiſe ausgelachet werden, und niemand bey
ihnen ſtehen bleibt, ſo kuͤhlet ſich ihr Eifer ab, und
ſie begnuͤgen ſich allenfalls, zwiſchen den Zaͤhnen mur-
melnd, die dem Worte ungehorſamen Weltkinder
dem Teufel zu uͤbergeben.

So gieng es hier auch. Der Pietiſt ſchwieg muͤr-
riſch ſtill., und Sebaldus, da ſie indeſſen ins Thor
traten, und unter den Linden fortgiengen, genoß die
Schoͤnheit dieſer Allee, ſog den Duft der Lindenbluͤthe
ein, und freuete ſich uͤber die froͤhlichen Geſichter, die
ihm allenthalben entgegen kamen.

Sie giengen einige Straßen ſtillſchweigend fort,
bis ſie an eine Kirche kamen, in welcher Gottesdienſt
gehalten wurde. ‚Siehe da! rief der Pietiſt aus,
”wie leer der Weg zum Gotteshauſe iſt, und wie an-
”geſuͤllt der Weg zu den Haͤuſern des Teufels war!
”O! wie iſt doch alle Gottesfurcht, alle Liebe zum
”Heilande in dieſer großen Stadt ganz ausgetilget!
”Wie wandelt doch jedermann im Pfade der Ruchlo-
”ſigkeit, laͤuft dem Teufel gerade in den Rachen, und
”ſtuͤrzt ſich in das ewige Verderben!‛

Sebal-
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0035" n="29"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die Enthu&#x017F;ia&#x017F;ten pflegen, in der Hitze ihres Eifers,<lb/>
gewo&#x0364;hnlicher Wei&#x017F;e einen Kothregen, und allenfalls<lb/>
auch einige Fau&#x017F;t&#x017F;chla&#x0364;ge, nicht zu achten, wenn es ihnen<lb/>
nur gelingt Aufmerk&#x017F;amkeit zu erregen: wenn &#x017F;ie aber<lb/>
trockner Wei&#x017F;e ausgelachet werden, und niemand bey<lb/>
ihnen &#x017F;tehen bleibt, &#x017F;o ku&#x0364;hlet &#x017F;ich ihr Eifer ab, und<lb/>
&#x017F;ie begnu&#x0364;gen &#x017F;ich allenfalls, zwi&#x017F;chen den Za&#x0364;hnen mur-<lb/>
melnd, die dem Worte ungehor&#x017F;amen Weltkinder<lb/>
dem Teufel zu u&#x0364;bergeben.</p><lb/>
          <p>So gieng es hier auch. Der Pieti&#x017F;t &#x017F;chwieg mu&#x0364;r-<lb/>
ri&#x017F;ch &#x017F;till., und <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> da &#x017F;ie inde&#x017F;&#x017F;en ins Thor<lb/>
traten, und unter den Linden fortgiengen, genoß die<lb/>
Scho&#x0364;nheit die&#x017F;er Allee, &#x017F;og den Duft der Lindenblu&#x0364;the<lb/>
ein, und freuete &#x017F;ich u&#x0364;ber die fro&#x0364;hlichen Ge&#x017F;ichter, die<lb/>
ihm allenthalben entgegen kamen.</p><lb/>
          <p>Sie giengen einige Straßen &#x017F;till&#x017F;chweigend fort,<lb/>
bis &#x017F;ie an eine Kirche kamen, in welcher Gottesdien&#x017F;t<lb/>
gehalten wurde. &#x201A;Siehe da! rief der Pieti&#x017F;t aus,<lb/>
&#x201D;wie leer der Weg zum Gotteshau&#x017F;e i&#x017F;t, und wie an-<lb/>
&#x201D;ge&#x017F;u&#x0364;llt der Weg zu den Ha&#x0364;u&#x017F;ern des Teufels war!<lb/>
&#x201D;O! wie i&#x017F;t doch alle Gottesfurcht, alle Liebe zum<lb/>
&#x201D;Heilande in die&#x017F;er großen Stadt ganz ausgetilget!<lb/>
&#x201D;Wie wandelt doch jedermann im Pfade der Ruchlo-<lb/>
&#x201D;&#x017F;igkeit, la&#x0364;uft dem Teufel gerade in den Rachen, und<lb/>
&#x201D;&#x017F;tu&#x0364;rzt &#x017F;ich in das ewige Verderben!&#x201B;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Sebal-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0035] Die Enthuſiaſten pflegen, in der Hitze ihres Eifers, gewoͤhnlicher Weiſe einen Kothregen, und allenfalls auch einige Fauſtſchlaͤge, nicht zu achten, wenn es ihnen nur gelingt Aufmerkſamkeit zu erregen: wenn ſie aber trockner Weiſe ausgelachet werden, und niemand bey ihnen ſtehen bleibt, ſo kuͤhlet ſich ihr Eifer ab, und ſie begnuͤgen ſich allenfalls, zwiſchen den Zaͤhnen mur- melnd, die dem Worte ungehorſamen Weltkinder dem Teufel zu uͤbergeben. So gieng es hier auch. Der Pietiſt ſchwieg muͤr- riſch ſtill., und Sebaldus, da ſie indeſſen ins Thor traten, und unter den Linden fortgiengen, genoß die Schoͤnheit dieſer Allee, ſog den Duft der Lindenbluͤthe ein, und freuete ſich uͤber die froͤhlichen Geſichter, die ihm allenthalben entgegen kamen. Sie giengen einige Straßen ſtillſchweigend fort, bis ſie an eine Kirche kamen, in welcher Gottesdienſt gehalten wurde. ‚Siehe da! rief der Pietiſt aus, ”wie leer der Weg zum Gotteshauſe iſt, und wie an- ”geſuͤllt der Weg zu den Haͤuſern des Teufels war! ”O! wie iſt doch alle Gottesfurcht, alle Liebe zum ”Heilande in dieſer großen Stadt ganz ausgetilget! ”Wie wandelt doch jedermann im Pfade der Ruchlo- ”ſigkeit, laͤuft dem Teufel gerade in den Rachen, und ”ſtuͤrzt ſich in das ewige Verderben!‛ Sebal- C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/35
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/35>, abgerufen am 23.11.2024.