Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.,stichelte mit solchen Worten zugleich auf den Um- "gang, den ich mit einem jungen Officier angefan- "gen hatte, einem Jünglinge, der gute Gaben und "gute Gesinnungen hatte, der, ob er gleich ein wacke- "rer Soldat war, gleichwohl die Wissenschaften liebte, "und sich, gleich mir, gern mit philosophischen und "moralischen Untersuchungen beschäfftigte. Dieser Um- "gang hatte auf keine Weise den Beyfall des Super- "intendenten; denn weil er von der Würde des geist- "lichen Standes einen sehr hohen Begriff hatte, so "wollte er, daß ein Geistlicher nur mit Personen sei- "nes eignen Staudes, oder mit andern alten ernst- "hasten angesehenen Männern umgehen sollte. Er "verlangte, jeder Schritt sollte verrathen, daß er zu "den Lehrern des menschlichen Geschlechts gehöre; er "verlangte, daß er, mehr als alles, vermeiden solte, "sich auf irgend eine Art zu kompromittiren; daß er "sich beständig bedächtig anstellen, und sogar auf der "Straße langsamer gehen solte, als die Layen. Jch war "freylich anderer Meinung. Jch bildete mir ein, es "wäre sehr nützlich, wenn ein Geistlicher sich im Um- "gange nicht auf Personen seines Standes einschränk- "te, sondern auch öfters mit Weltleuten umgienge; "ich glaubte, er würde dadurch ein gewisses steifes "Wesen ablegen, das man von der Universität, und "aus
‚ſtichelte mit ſolchen Worten zugleich auf den Um- ”gang, den ich mit einem jungen Officier angefan- ”gen hatte, einem Juͤnglinge, der gute Gaben und ”gute Geſinnungen hatte, der, ob er gleich ein wacke- ”rer Soldat war, gleichwohl die Wiſſenſchaften liebte, ”und ſich, gleich mir, gern mit philoſophiſchen und ”moraliſchen Unterſuchungen beſchaͤfftigte. Dieſer Um- ”gang hatte auf keine Weiſe den Beyfall des Super- ”intendenten; denn weil er von der Wuͤrde des geiſt- ”lichen Standes einen ſehr hohen Begriff hatte, ſo ”wollte er, daß ein Geiſtlicher nur mit Perſonen ſei- ”nes eignen Staudes, oder mit andern alten ernſt- ”haſten angeſehenen Maͤnnern umgehen ſollte. Er ”verlangte, jeder Schritt ſollte verrathen, daß er zu ”den Lehrern des menſchlichen Geſchlechts gehoͤre; er ”verlangte, daß er, mehr als alles, vermeiden ſolte, ”ſich auf irgend eine Art zu kompromittiren; daß er ”ſich beſtaͤndig bedaͤchtig anſtellen, und ſogar auf der ”Straße langſamer gehen ſolte, als die Layen. Jch war ”freylich anderer Meinung. Jch bildete mir ein, es ”waͤre ſehr nuͤtzlich, wenn ein Geiſtlicher ſich im Um- ”gange nicht auf Perſonen ſeines Standes einſchraͤnk- ”te, ſondern auch oͤfters mit Weltleuten umgienge; ”ich glaubte, er wuͤrde dadurch ein gewiſſes ſteifes ”Weſen ablegen, das man von der Univerſitaͤt, und ”aus
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‚ſtichelte mit ſolchen Worten zugleich auf den Um-
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”gen hatte, einem Juͤnglinge, der gute Gaben und
”gute Geſinnungen hatte, der, ob er gleich ein wacke-
”rer Soldat war, gleichwohl die Wiſſenſchaften liebte,
”und ſich, gleich mir, gern mit philoſophiſchen und
”moraliſchen Unterſuchungen beſchaͤfftigte. Dieſer Um-
”gang hatte auf keine Weiſe den Beyfall des Super-
”intendenten; denn weil er von der Wuͤrde des geiſt-
”lichen Standes einen ſehr hohen Begriff hatte, ſo
”wollte er, daß ein Geiſtlicher nur mit Perſonen ſei-
”nes eignen Staudes, oder mit andern alten ernſt-
”haſten angeſehenen Maͤnnern umgehen ſollte. Er
”verlangte, jeder Schritt ſollte verrathen, daß er zu
”den Lehrern des menſchlichen Geſchlechts gehoͤre; er
”verlangte, daß er, mehr als alles, vermeiden ſolte,
”ſich auf irgend eine Art zu kompromittiren; daß er
”ſich beſtaͤndig bedaͤchtig anſtellen, und ſogar auf der
”Straße langſamer gehen ſolte, als die Layen. Jch war
”freylich anderer Meinung. Jch bildete mir ein, es
”waͤre ſehr nuͤtzlich, wenn ein Geiſtlicher ſich im Um-
”gange nicht auf Perſonen ſeines Standes einſchraͤnk-
”te, ſondern auch oͤfters mit Weltleuten umgienge;
”ich glaubte, er wuͤrde dadurch ein gewiſſes ſteifes
”Weſen ablegen, das man von der Univerſitaͤt, und
”aus
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