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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Als es geendigt war, grüßten sich die beiden Wan-
derer, und Sebaldus fragte den Fremden: ,Wo-
"hin der Weg führe, auf dem sie giengen?'

,Nach Wustermark, sagte der Fremde, wo ich
"Nachtlager zu halteen, und den andern Morgen
"nach Berlin zu gehen gesonnen bin.'

Sebaldus freuete sich, daß er auf dem rechten
Wege war, denn ob er gleich, nachdem er seine Re-
cecommendationsbriefe verlohren hatte, nicht wußte,
was er in Berlin machen sollte, so wußte er doch eben
so wenig, was er an irgend einem andern Orte in
der Welt hätte machen sollen.

Er bat also den Fremden um Erlaubniß in seiner
Gesellschaft zu gehen, und erzählte ihm den Unfall,
deu er auf den Postwagen gehabt hätte.

Der Fremde kreuzte und segnete sich über diese
Begebenheit, und lobte seine eigene Vorsicht, daß
er, da die Wege, nach dem Frieden, unsicher wä-
ren, lieber zu Fuße gegangen sey.

,Nicht eben, setzte er hinzu, als ob ich viel Geld
"bey mir hätte. Jch bin zufrieden, wenn ich reich
"bin im Heilande. Aber der Herr hat doch meine
"Vorsichtigkeit gesegnet.'

Sebaldus versetzte: ,Jch bin so vorsichtig nicht
"gewesen. Jch hatte noch keinen Begrif davon, daß

"ein


Als es geendigt war, gruͤßten ſich die beiden Wan-
derer, und Sebaldus fragte den Fremden: ‚Wo-
”hin der Weg fuͤhre, auf dem ſie giengen?‛

‚Nach Wuſtermark, ſagte der Fremde, wo ich
”Nachtlager zu halteen, und den andern Morgen
”nach Berlin zu gehen geſonnen bin.‛

Sebaldus freuete ſich, daß er auf dem rechten
Wege war, denn ob er gleich, nachdem er ſeine Re-
cecommendationsbriefe verlohren hatte, nicht wußte,
was er in Berlin machen ſollte, ſo wußte er doch eben
ſo wenig, was er an irgend einem andern Orte in
der Welt haͤtte machen ſollen.

Er bat alſo den Fremden um Erlaubniß in ſeiner
Geſellſchaft zu gehen, und erzaͤhlte ihm den Unfall,
deu er auf den Poſtwagen gehabt haͤtte.

Der Fremde kreuzte und ſegnete ſich uͤber dieſe
Begebenheit, und lobte ſeine eigene Vorſicht, daß
er, da die Wege, nach dem Frieden, unſicher waͤ-
ren, lieber zu Fuße gegangen ſey.

‚Nicht eben, ſetzte er hinzu, als ob ich viel Geld
”bey mir haͤtte. Jch bin zufrieden, wenn ich reich
”bin im Heilande. Aber der Herr hat doch meine
”Vorſichtigkeit geſegnet.‛

Sebaldus verſetzte: ‚Jch bin ſo vorſichtig nicht
”geweſen. Jch hatte noch keinen Begrif davon, daß

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[4/0008] Als es geendigt war, gruͤßten ſich die beiden Wan- derer, und Sebaldus fragte den Fremden: ‚Wo- ”hin der Weg fuͤhre, auf dem ſie giengen?‛ ‚Nach Wuſtermark, ſagte der Fremde, wo ich ”Nachtlager zu halteen, und den andern Morgen ”nach Berlin zu gehen geſonnen bin.‛ Sebaldus freuete ſich, daß er auf dem rechten Wege war, denn ob er gleich, nachdem er ſeine Re- cecommendationsbriefe verlohren hatte, nicht wußte, was er in Berlin machen ſollte, ſo wußte er doch eben ſo wenig, was er an irgend einem andern Orte in der Welt haͤtte machen ſollen. Er bat alſo den Fremden um Erlaubniß in ſeiner Geſellſchaft zu gehen, und erzaͤhlte ihm den Unfall, deu er auf den Poſtwagen gehabt haͤtte. Der Fremde kreuzte und ſegnete ſich uͤber dieſe Begebenheit, und lobte ſeine eigene Vorſicht, daß er, da die Wege, nach dem Frieden, unſicher waͤ- ren, lieber zu Fuße gegangen ſey. ‚Nicht eben, ſetzte er hinzu, als ob ich viel Geld ”bey mir haͤtte. Jch bin zufrieden, wenn ich reich ”bin im Heilande. Aber der Herr hat doch meine ”Vorſichtigkeit geſegnet.‛ Sebaldus verſetzte: ‚Jch bin ſo vorſichtig nicht ”geweſen. Jch hatte noch keinen Begrif davon, daß ”ein

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/8>, abgerufen am 21.11.2024.